Montag, 10. März 2008

Adele, Paris, 10.03.08


Konzert: Adele
Ort: Studios von Canal+ ("Album de la semaine"), St.Denis bei Paris
Datum: 10.03.2008
Zuschauer: sehr gut gefüllte Ränge

Braucht die Musikwelt jetzt schon eine neue Amy Winehouse?

Ist ja schon seltsam: Da kümmert sich jahrelang kein Mensch um das Thema Soulmusik und seitdem die gute Amy mit ihrem rauchigen Kehlchen unfassbare Erfolge feiert, spriessen die jungen Diven dieses Genres wie Pilze aus dem Boden. Adele, Duffy, was kommt da noch alles?

Das Phänomen ist allerdings altbekannt. Kurz nachdem die Strokes vor ein paar Jahren die olle Kamelle Garagen-Rock wiederbelebt hatten, machten plötzlich alle auf diesen Stil, die Hives, die Libertines, die Von Bondies und wie sie allen heißen. Dann kamen Franz Ferdinand mit Post Punk daher und schon kurz später gab es tausende Nachahmer, so daß selbst Armleuchter wie Little Man Tate noch was vom Kuchen abbekamen. Und als Arcade Fire mit "Funeral" abräumten, kamen plötzlich etliche Bands zu zehnt auf die Bühne und hatten natürlich immer eine Geige mit dabei.

Jetzt wird also auf Soul gemacht, alte CDs von Aretha Franklin und Ella Fitzgerald werden wieder ausgekramt und die kraftstrotzenden Stimmen bewundert.

Was kann die 19jährige Engländerin Adele dafür, daß der Markt unausrottbare Gesetzmäßigkeiten kennt, die in dem Herdentrieb der Menschen ihre Ursachen hat?

Nichts natürlich, außer daß sie zur richtigen Zeit auf den richtigen Stil gesetzt hat. Über 2 Millionen Profilaufrufe bei MySpace (der heutige Gradmesser des Erfolges), Nummer 1 in England mit ihrem Debütalbum "19", das so heißt weil die süße Adele noch keine 20 ist. Wobei süß natürlich relativ ist, man(n) muß es schon pfundiger mögen, denn die junge Britin bringt schon ordentlich was auf die Waage. Wenn man es nett formuliert ist sie recht kräftig; ehrlicher formuliert ist sie...nun ja, dick! Aber na und? Muß ja nicht jeder auf Magermodels stehen, es gibt ja Männer, die es gemütlicher mögen. Und schließlich braucht die Frau einen gewissen Resonanzkörper, um ihre wuchtige Stimme voll zur Entfaltung zu bringen.

Kostproben davon gab sie in den Studios des französischen Fernsehsenders Canal+ zum Besten. Dort wurde das "Album de la semaine", also das Album der Woche, vorgestellt und hierzu werden Zuschauer, die einen Listenplatz ergattern konnten, eingeladen, um diesem Ereignis live beizuwohnen.

Zunächst einmal gab es wie immer das politische Kasperletheater, die "Guignols" und natürlich wurden die Marotten der Spitzenpolitiker wieder aufs Korn genommen. Premierminister Fillon war erneut der Depressive vom Dienst, Justizmininsterin Rachida Dati kannte sich in Paris nicht aus (der war alt, lasst Euch mal was Neues einfallen, ihr Leute bei Canal+!) und Nicolas Sarkozy checkte mit dunkler Sonnenbrille selbst beim Pabst seine Mail-Box und versendet eine SMS nach der anderen, was recht komisch war. Nun ja, habe trotzdem schon besser gelacht. Vor allem: Frau Dati, die bekanntlich aus Marokko stammt, ist immer tiefbraun im Gesicht, als hätte sie sich mit Schuhcreme eingeschmiert. Wissen die bei Canal + nicht, daß es in Marokko auch den recht hellen Hauttyp gibt? Und Rachida ist nun weiß Gott nicht sehr dunkel, eigentlich sogar eher hellhäutig. Insofern ist das Ganze schon ein wenig diskriminierend. Muß noch dem dumpfesten Zuschauer die maghrebinische Herkunft von Frau Dati plakativ deutlich gemacht werden?

Nachdem die Puppen geräumt wurden, ging es dann rüber in den rechts daneben gelegenen Studioteil. Man muß also umziehen, sein Sitzplätzchen räumen und sich etwas beeilen, daß man auf der anderen Seite ebenfalls ein Stühlchen unter dem Hintern hat, ansonsten muß man mit der unbequemen Treppenstufe vorlieb nehmen. Das lief aber heute ganz reibungslos, jeder kam irgendwie unter.

Auf der Bühne sah man schon Gitarren rumstehen, auch einen Flügel, und sogar ein Schlagzeug war aufgebaut. Es würde also kein rein akustisches Set werden, soviel war sicher! Nach dem wie immer von einem Animateur forcierten Applaus kam dann auch die Hauptperson des Abens um die Ecke. Adele, 19 Jahre jung, ihre Rundungen ganz in komplett schwarze Kleidung gehüllt. Sie nahm auf einem Barhocker in der Mitte der Bühne Platz und begann mit "Crazy For You". Sofort wurde klar, daß der Teenager mit den schönen grünen Augen (die habe ich in Zeitschriften und Videos gesehen) eine beeindruckende Stimme hat. Dazu die Gestik eines Profis. Mit der linken Hand balancierte sie ihren Gesang aus und ging je nach Stimmlage höher oder tiefer. Sympathisch war sie, natürlich und unkompliziert: "Wenn ihr Tanzen wollt, macht es einfach. Ich persönlich tanze nicht so gerne, freue mich aber, wenn das Publikum mitgeht." Und die Besucher hatten wirklich Lust, sich etwas zu bewegen, wollten nicht auf ihren Stühlchen festkleben. Das kam mir gelegen, wenn ich bei Konzerten nämlich nur rumsitze, schlafe ich ein. Allerdings wurde nicht durchgängig getanzt, zu den nicht selten vorkommenden Balladen saßen wieder alle. Auf der Bühne tat sich allerdings eine ganze Menge. Ab dem zweiten Titel "Melt My Heart To Stone" kam ein regelrechtes Orchester einmarschiert. Vier blonde Grazien nahmen mit ihren Streichinstrumenten (3 Geigen, 1 Violincello) ihre Stühlchen ein und saßen dort wie güldene Engelchen, während drei Herren an Bass, Gitarre und Piano für einen Breitwandsound sorgten. Mir war das schnell zu geleckt, zu durcharrangiert, um mich wirklich zu begeistern. Klar, die eindrucksvolle Stimme nimmt Adele niemand weg, aber hier ist gleich beim Debütalbum alles ein wenig zu stark auf Perfektion getrimmt. Alleine schon der Refrain des Hits "Chasing Pavements" (wurde gleich zweifach gespielt) war extrem eingängig und radiogerecht. Die Ballade "Make You Feel My Love", ein Bob Dylan Cover , (Adele: "The most beautiful lyrics ever written") kam hingegen schon besser rüber. Immer wenn Adele ein wenig Platz hatte, um zu singen und Geschichten zu erzählen, war das sehr ordentlich, wenn es allerdings Richtung Refrain ging, wurde es wieder zu glatt. Schade, schade, der jungen Frau hätte man vielleicht mehr Zeit lassen sollen, ihren Stil zu entwickeln! Daß sie ein großes Talent hat, ist nämlich nicht zu bestreiten und mit "Hometown Glory" hat sie mir auch noch einen schönen Abgang beschert. Und um das Publikum ein wenig zu verwöhnen, wiederholten sie und ihre Band auch noch einmal zwei Liedern des regulären Sets.


Setlist Adele, Canal+ ("Album de la semaine"):

01: Crazy For You
02: Melt My Heart to Stone
03: Cold Shoulder
04: Make You Feel My Love (Bob Dylan Cover)
05: Right As Rain
06: Chasing Pavements
07: Hometown Glory

08: Melt My Heart To Stone
09: Chasing Pavements

Nicht wundern, bei Canal+ kommt es häufiger vor, daß Lieder im Zugabenteil wiederholt werden!

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