Dienstag, 7. Oktober 2008

Razorlight, Paris, 06.10.08


Konzert: Razorlight
Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 06.10.2008
Zuschauer: laut Angaben der Maroquinerie ausverkauft
Konzertdauer: mindestens 90 Minuten



Stell Dir vor Johnny Borrell spielt mit seinen Razorlights in einem kleinen Club in Paris und keiner geht hin!

Nun, ganz so war es nicht, aber es gab eigentlich reichlich Luft zum Atmen, auch wenn ein paar tollwütig gewordene Girlies mit Zahnspange einem ab und zu ihren Ellenbogen in die Seite rammten, um ihren Jooooohnnyyyyyyy! mit dem Handy abzuknipsen. Mir schien der Saal nicht ausverkauft zu sein, obwohl die Maroquinerie am Eingang das Konzert als "complet" bezeichnete.

Ohne Vorgruppe ging es mit den altbekannten Hits Golden Touch und Somewhere Else gleich sehr schwungvoll los, bevor dann auch etliche neue Lieder gebracht wurden. Johnny zeigte sich von seiner höflichen Seite, war extrem nahe dran am überwiegend weiblichen Publikum und parlierte auch mit sehr ordentlichem Akzent auf französisch. Und er zog noch nicht einmal blank! Den nackten Oberkörper (und eine Perlenkette) konnte man nur durch das am Ende recht weit aufgeknöpfte Hemd sehen, ansonsten blieb alles sehr züchtig. Richtig so, schließlich waren ja auch Minderjährige da! Und Säuglinge! Allerdings nicht im Konzertsaal selbst, sondern draußen (also der Säugling, nicht die Minderjährigen, die warfen sich ja drinnen Johnny an die Brust!). Das Neugeborene gehörte zu dem famosen Drummer Andy Burrows, der mit dem Baby im Arm kurz nach 20 Uhr durch den Haupteingang der Maroquinerie geschlendert kam. Süß!

Papi hat seine Sache schließlich sehr gut gemacht und war neben Chef Johnny der Aktivposten der Band. Die beiden Schweden bei Razorlight zeigten sich hingegen gewohnt diskret, aber Carl Dalemo am Bass und Björn Agren an der Gitarre, setzten auch ohne große Gesten musikalische Akzente.

Insgesamt ein gutes und ungewohnt intimes Konzert einer Band, die statt wie in der Pariser Maroquinerie vor vielleicht 400, normalerweise vor mehreren tausend Leuten spielt, zumindest in England. Dass den Britrockern das sichtlich Spaß machte, konnte man allein daran erkennen, daß nicht weniger als fünf Lieder als Zugabe spendiert wurden. Eines davon wird die neue Single sein. Wire To Wire heißt das Stück, das nicht mein Favorit des Abends war. Da gab es meines Erachtens bessere Neulinge. Und davon gab es reichlich: Tabloid Lover, North London Trash, Blood For Wild Blood, The House, Hostage Of Love, You And The Rest, Stinger, Burberry Blue Eyes, Monster Boots. Neun unveröffentlichte Stücke, die sich mehrheitlich oder sämtlich auf dem im November erscheinenden Album Slipway Fires wiederfinden werden und die - falls meine Recherchen richtig sind - bis auf Wire To Wire noch nirgendwo zuvor gespielt wurden. Lediglich beim schottischen Festival Rockness haben sie einen Song getestet, der damals noch den Arbeitstitel Frequency trug und vielleicht heute in Paris unter anderem Namen geboten wurde. Insofern war dieses (halbwegs) heimliche Konzert in der Maroquinerie die erste Feuerprobe für künftige Hits, falls sie denn solche werden.

Mit Sicherheit waren heute ein paar Nummern darunter, die sich gut verkaufen werden, fraglich ist allerdings, ob auch die Musikkritiker applaudieren werden.

Wenn man mich persönlich fragt: Es gab Licht und Schatten, zumindest nach dem ersten Höreindruck. Johnny Borrell gefiel mir immer dann am wenigsten, wenn er Balladen hinter dem Piano vortrug, was er zwei oder dreimal tat. Ein Lied handelte textlich von seinem Vater und es ist unschwer zu erraten, daß diese ein sehr persönliches Stück Musik für ihn ist. Mir war das allerdings doch ein wenig zu schwülstig und ich war erleichtert, als sich Johnny erhob, sich ausnahmsweise die akustische Gitarre schnappte und den für mich besten Neuling des Abends vortrug. Wenn das Album erschienen ist, werde ich sicherlich den Titel nennen können. Bis dahin muss ich allerdings mit näheren Informationen passen.

Machen wir es also wie das Publikum in der Maroquinerie: Neues erst einmal setzen lassen und die altbekannten Hits wie In The Morning, America, oder Rip It Up abfeiern.

Noch einen Satz zur Stimmung. Die hätte etwas ausgelassener sein können, wurde aber zum Großteil dadurch gebremst, daß anscheinend jeder die Gelegenheit nutzen wollte, eine solch bekannte Band aus nächster Nähe abzuknipsen. Anstatt zu tanzen, schossen die meisten permanent Fotos von Johnny Borrell. Auch ich natürlich und die Fotografiererei ging auch nach dem Konzert noch weiter, als sich Herr Borrell in aller Seelenruhe mit weiblichen Fans ablichten ließ. Ganz wie ein Franzose hatte er dabei ein Glas Champagner in der Hand.

Schau mer mal, ob auch Schampus fließen wird, wenn das neue Album von Razorlight in die Regale kommt...

Setlist Razorlight, La Maroquinerie, Paris:

01: Golden Touch
02: Somewhere Else
03: Tabloid Lover
04: North London Trash
05: Blood For Wild Blood
06: In The City
07: Before I Fall To Pieces
08: Vice
09: America
10: The House
11: Hostage Of Love
12: Stumble And Fall
13: Los Angeles Waltz
14: You And The Rest
15: Can't Stop This Feeling I've Got
16: Stinger
17: Burberry Blue Eyes
18: In The Morning

19: Wire To Wire (Z)
20: Don't Go Back To Dalston (Z)
21: Fall, Fall, Fall (Z)
22: Monster Boots (Z)
23: Rip It Up (Z)


- Fotos von Johnny Borrell und Razorlight, auch Aftershow, hier

- Wire to Wire (Radio 1 Live Lounge)




1 Kommentare :

Christoph hat gesagt…

Johnny Borrell trägt eine Perlenkette??? Kein Wunder, daß sich Kirsten Dunst von ihm getrennt hat!

Viele neue Sachen, das klingt vielversprechend. Hoffentlich bedeutet der kleine Laden nicht, daß die Zeit von Razorlight vorbei ist.

 

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