Mittwoch, 30. April 2008

The Hidden Cameras, Köln, 29.04.08

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Konzert: The Hidden Cameras

Ort: Gloria, Köln
Datum: 29.04.2008
Zuschauer: ca. 50
Konzertdauer: 115 min.


Das wäre übel für uns ausgegangen, hätten sie ernstgemacht. Das Standardwerk für das Überleben unter Untoten, "The Zombie Survival Guide" von Max Brooks, betont immer wieder, daß entscheidend bei einem Angriff ist, daß man den Zombies in ausreichend großer Gruppenstärke begegnet. "As with any type of combat, undead warfare should never be a solo mission." [...] "Working together, always together, has shown to be the only successful strategy for annihilating an undead army."1

Im Gloria wäre das Verhältnis Zombie-Nichtzombie 1:2 gewesen, denn nur 50 Zuschauer verteilten sich in dem großen Saal, um die Hidden Cameras zu sehen. Daß das Gloria an einem Dienstagabend nicht unbedingt ausverkauft sein würde, konnte ich mir vorstellen, daß allerdings so gut wie niemand zu einer Band kommt, die gemeinsam mit dem "Münchner2 Fußballchor" auftreten wollte, habe ich im Leben nicht erwartet. Vom Konzert in München vor ein paar Tagen hatte ich gehört, wie
grandios die Show gewesen ist. Die Hidden Cameras spielten da anfangs ein ganz normales Konzert, wurden dann von Zombies angegriffen, die mitten im Lied die Kontrolle über die Instrumente übernahmen und weiterspielten, bis die durch den Kampf gezeichnete Band wieder durch den Saal zurückkam und auf die Bühne stieg. Darauf war ich sehr gespannt.

Allerdings ließ sich dieses Konzept3 4 vor einer Handvoll Zuschauer wohl nicht umsetzen. Noch kurz vor Beginn des Konzerts liefen Musiker der Band und Mastermind Joel Gibbs immer wieder durch den Saal und stimmten sich ab. Dabei wurde dann wohl auch entschieden, einen ganz normalen Gig zu spielen, sofern man bei der kanadischen
Band von normalen Konzerten sprechen kann. Die schon ausgelegten Setlisten wurden noch schnell ausgetauscht.

Um 21.20 Uhr kamen dann nach und nach Musiker auf die Bühne und begannen ihren Job. Im Verlauf des ersten Lieds standen schließlich elf Hidden Cameras an
ihren Instrumenten. Neben Sänger und Gitarrist Joel Gibbs waren das drei Streicher (Cello, Violine und Viola), Bassist, Trompeter, Schlagzeuger, zwei Keyboarderinnen und zwei Keyboarder. Der Aufbau erinnerte an einem Musikgeschäft mit großer Tasteninstrument-Abteilung. Neben den vielen Keyboards waren noch diverse Sampler und mehrere Glockenspiele vorhanden, zum Beispiel ein stationäres, das ich gerne als Souvenir mitgenommen hätte.

Schon bei den ersten Liedern passierte nicht nur musikalisch vieles auf der Bühne. Die beiden Keyboarderinnen (die einzigen Frauen vorerst im Ensemble) und ihr Trompeter-Kollege tauchten immer wieder unter ihre Instrumente, hockten dann kurz am Boden, spielten dabei aber auch teilweise weiter.

Nach "Follow these eyes", dem zweiten Stück des Abends, tauchten die ersten "Zombies" auf, die weiße geschminkte Gesichter mit schwarzen
Augen und zugenäht-gemalten Mündern hatten. Sie trugen kurze Kaputzencapes, die die Band schon im Frankfurter Bett anhatte, als ich sie erstmals gesehen habe - in Frankfurt waren übrigens damals zumindest nicht weniger Besucher.

Die Zombies stellten sich in den Bühnenhintergrund und sangen mit. Das war also vermutlich der Münchner Fußballchor. Bei "B-boy" erschienen dann die nächsten Zombies, einer von denen spielte mittlerweile ab und an Gitarre. Wenn ich mich nicht verzählt habe, standen in der Spitze 17 Musiker auf der Gloria-Bühne. Aber die standen nicht nur, sie machten alles mögliche. Plötzlich hockte die Keyboardergruppe auf dem Boden und stampfte mit Händen und Füßen. Bei "Heji" danach standen die Musiker immer wieder wie eingefroren still, um dann anschließend weiterzuspielen. Oder sie spielten Zombies
und streckten die Arme nach vorne, ohne aber ihre eigentlichen Jobs zu vergessen.

Besonders viel Spaß bei all dem hatten (und machten) die beiden Frauen und der Trompeter (Namen kann ich wirklich keine liefern, die Besetzung schien wieder ganz anders als in Frankfurt). Eine der Keyboarderinnen erinnerte mich äußerlich an Chelsea Clinton, aber das ist nun wirklich gemein und überflüssig oberflächlich.

Die drei von den Keyboards wechselten sich auch am Glockenspiel ab. Erst spielte
Chelsea, dann ihre besonders quirlige Nachbarin, schließlich der Trompetenmann. Aber das war erst der Anfang...

So spielten sich die Kanadier (die aber auch deutsche Bandmitglieder hatten) durch das Programm und hatten offenbar trotz des leeren Hauses Spaß. Mir hat der leere Saal schon viel Freude genommen, es war aber nicht der Band anzulasten, denn die lieferte ganz große Unterhaltung. Nach der ein oder anderen Korrektur ("kommt doch mal weiter nach vorne") waren sie auch
einigermaßen zufrieden mit uns. Einigermaßen, denn nach "Learning to lie" bat uns Joes, doch mal ausgelassener zu tanzen. Um uns das zu erleichtern, zogen alle Musiker (und Zombies) Augenbinden an und spielten blind!

Es hat so viel Spaß gemacht, der Band zuzusehen, es war ein herrlicher Kindergeburtstag. Die Tastenleute griffen sich gegenseitig in die Instrumente, so als hießen sie alle Campesinos! mit Nachnamen, tanzten hin und her.

Dann wieder ein Mitmachpart. Die Keyboarderin, die nicht wie Chelsea Clinton
aussieht, erklärte einen kurzen Tanz (so ein macarenaähnliches Zeugs), das Zombies dann am Bühnenrand vortanzten. So richtig prall ist die Wirkung nicht, wenn gerade mal eine Handvoll Publikum da ist, die Kanadier ließen sich aber ihren Spaß nicht nehmen.

"Silence", ein wunderbares, mir vorher unbekanntes Stück, bildete den Schlußpunkt. Ganz anders als sonst, bestritt das am Anfang nur Joel mit Gitarre und mit Begleitung des Schlagzeugers und des
Bassisten. Erst langsam kamen die anderen Musiker wieder dazu und setzten ein. Das Lied scheint neu zu sein, der Chor und die anderen Sänger hielten nämlich Zettel mit dem Text in der Hand. Trotzdem klang es überhaupt nicht improvisiert sondern sehr fertig und wunderhübsch.

Danach war erst einmal Schluß. Ich hätte es den Hidden Cameras nicht übel genommen, wenn sie nicht zurückgekommen wären. Dafür ist das aber eine viel zu nette Band.

Zur Zugabe kamen zwei GoGos mit nach draußen (sind die nicht eigentlich alle immer Dauergast bei Oliver Geissen?) und animierten. Erstes Lied war das mir neue "Golden streams", zu dem die Tänzer goldene Papierbänder ins Publikum warfen. Nach "Music is my boyfriend" war dann wieder Schluß. Aber auch danach erschienen die Cameras wieder, das heißt erst einmal Chelsea. Es tauchten aber nach und nach
wieder mehr Leute auf und spielten. Der eigentliche Spaß dabei war aber, daß die Musiker ein lustiges Instrumente-Tausch-Spiel machten - auf offener Szene, wie Sportjournalisten gerne sagen. Ein Beispiel gefällig?

Der Violaspieler ging zum Glockenspiel, die vertriebene Keyboarderin setzte sich dann eben ans Schlagzeug. Der Trommler suchte sich als Ersatz eine Gitarre, legte sie wieder ab, nahm sich Handclaps, war aber wieder nicht zufrieden und bekam Joels Gitarre umgehängt. Der zweite Gitarrist und sein Bassistenkollege tauschten ihre Instrumente währenddessen, nachdem sie das kurz abgesprochen hatten. Quasi ein Trikottausch wie beim Fußball. Dann ging Joel ans Schlagzeug, die verdrängte Frau nahm sich eine Gitarre, legte sich auf den Boden und spielte da weiter, während
Chelsea aus der Trompete ein paar Töne quälte. Aber hätte man die Augen dabei geschlossen, wären die Wechsel nicht aufgefallen, weil das Lied weiterging, als wäre nichts gewesen. Eine irre Band! Dieses letzte Stück dauerte alleine gut 15 Minuten...

Es war ein großes Erlebnis, das steht außer Frage. Wer wie ich die Musik der Hidden Cameras mag (zu der ich nicht furchtbar viel geschrieben habe...), hatte einen tollen Abend. Aber auch für Neugierige wäre das sicher etwas gewesen. Schade nur, daß die nicht da waren. All das Spektakel, all die Mühe der Band, die Liebe zu Details verpuffte dadurch. In Berlin ist das am Donnerstag hoffentlich besser, denn da spielen die Kanadier im Maria, vielleicht dann mit Zombieangriff...

Setlist The Hidden Cameras, Gloria, Köln:

01: Origin: Orphan
02: Follow these eyes
03: Ratify the new
04: B-boy
05: Heji
06: In the Na
07: AWOO
08: Union of wine
09: The day is dawning
10: Learning the lie
11: Smells like happiness
12: Doot doot
13: Hump for bending
14: He falls to me
15: Shame
16: Breathe on it
17: I believe in the good of life
18: Silence

19: Golden streams (Z)
20: Music is my boyfriend (Z)

21: High upon the church ground (Z)

Links:

- Aus den Tiefen des Archivs:
- The Hidden Cameras, Frankfurt, 18.07.07
- The Hidden Cameras, Paris, 10.10.06

- mehr Fotos von Zombies und Kanadiern


1 Brooks, M.: The Zombie Survival Guide. New York, 2003.
2 nicht "Münchener"
3 eines der häufigsten Worte beim smsen, weil T9 noch immer nicht kapiert, daß Konzert die erste Bedeutung von 5669378 ist
4 ich weiß, daß ich die Zahlen "hochgestellt" setzen müsste, das kann Blogger aber nicht. Oder ich nicht.



Dienstag, 29. April 2008

Nick Cave, Paris, 29.04.08

14 Kommentare

Konzert: Nick Cave
Ort: Casino de Paris, Paris
Datum: 29.04.2008
Zuschauer: ausverkauft
Dauer des Grauens: knapp 2 Stunden



"Schreibst Du eigentlich nur positive Kritiken?"


Der Unterton in der Frage von Chris, einem 42 jährigen Engländer, den ich kürzlich beim Konzert von Laura Marling kennengelernt hatte, deutete mir schon an, daß er enttäuscht gewesen wäre, wenn ich mit "ja" geantwortet hätte. "Natürlich nicht", entgegnete ich, wies aber darauf hin, daß Christoph und ich uns unsere Konzerte freiwillig aussuchen und nicht von einem Musikmagazin wider Willen dorthin entsendet werden.

Chris hätte seine wahre Freude, wenn er die folgenden Zeilen ließt, denn hier und heute kann ich mit einem üblen Verriss dienen und er fällt mir noch nicht einmal schwer.

Nick Cave hat mir das zweitscheußlichste Konzert meines Lebens beschert, nur knapp hinter den traurigen Spitzenreitern in dieser Kategorie, den abgehalfterten New York Dolls, die ich leider vor zwei Jahren im Olympia erlitten habe.

An dem heutigen Konzert war aber wirklich fast alles grauenvoll. Zunächst einmal hatte ich für meine 60 € wirklich einen beschissenen Platz, aber das passte ja zu Nick's Band, den Bad Seeds (jetzt weiß ich auch, warum die so heißen, obwohl Seeds = Saat, natürlich nichts mit seats = Sitzen zu tun haben). Hinter einem Pfeiler saß ich auf dem Balkon und war eingekesselt von faltigen Rockopis-und Omis, die sich noch einmal locker machen wollten. Ein überaus biederes und unstylisches Völkchen, in den meisten Fällen schon weit jenseits der dreißig (40, 50?), aber bereit, sich einmal im Jahr noch mal ein wenig jung zu fühlen. Man konnte es an ihren feisten Fressen ablesen, daß es ihnen gefiel, "ja, so hat Rock zu klingen", dachten sie sich bestimmt und wackelten mit ihren ergrauten Köpfchen und den ungepflegten, ebenfalls grauen Dreitagebärten im Takt der saumäßig altbackenen Blues-Mucke, die da gespielt wurde. Selten habe ich zudem so spießig gekleidete Frauen bei einem Konzert in Paris gesehen, ich kam mir vor wie in einem Berliner Bus, der im Wedding unterwegs ist. Und alle so alt, grauenvoll! "Mein Gott, wie gerne wäre ich jetzt bei den Kooks oder den Hives", das war alles was ich dachte und ich hatte gut und gerne Lust, nach drei extrem lauten, leider aber auch extrem beknackten Songs zu gehen. Wieso war ich überhaupt gekommen? Nun, als junger Kerl mochte ich gerne den Film "Der Himmel über Berlin" und fand es so unglaublich cool wie der Engel (Otto Sander) bei einem Konzert von Nick Cave teilnahmslos in einem gruftigen Club rumstand und Nick Cave beim Spielen zuschaute. Ja, so stellte ich mir den Berliner Underground vor, dunkel, schmutzig, geheimnisvoll und abgefuckt. Und einer der Helden dieser Szene war Nick Cave. Seitdem sind bestimmt zwanzig Jahre ins Land gegangen und Nick Cave hat immer wieder neue Platten auf den Markt geworfen, die ich mir in unregelmäßigen Abständen gekauft, aber zugegebenermaßen selten gehört habe. Warum eigentlich, komisch nicht? Alle Musikzeitschriften diktieren es einem doch: Nick Cave ist gut, der ist Kult, basta! Also werden immer wieder Alben angeschafft, die dann in der Bude einstauben. Zuletzt erging mir das mit dem Doppelalbum "Abattoir Blues/The Lyre Of Orpheus" so, zweimal gehört und dann wieder vergessen. Bei dem letzjährigen Projekt fand ich schon den Namen so doof (Grinderman= Grinsemann?), daß ich nie in diese CD reingehört habe, "Dig , Lazarus, Dig!!! von 2008 fehlt auch in meiner Sammlung. Beziehunsgweise fehlt eigentlich überhaupt nicht, denn die Stücke, die ich heute davon live gehört habe, fand' ich fast alle zum Kotzen, das Titelstück weit voran. Meine Güte und ich hielt schon die Stones für schlimm und auf ein Konzert von diesen alten Säcken wollte ich wirklich nie gehen! Das Nick Cave ähnlich schauderhaft wie Mick Jagger ist, hätte ich allerdings nicht erwartet! Für den widerwärtigen Oberlippenbart von Herrn Cave fehlen mir ohnehin die Worte. Schnäuzer, nicht zu Unrecht auch Rotzbremsen genannt, sollte man doch wirklich lieber 70 - er Jahre Pornodarstellern, Rudi Völler, Polizisten und Soldaten überlassen, die haben bei Rocksängern nichts zu suchen.

70 - er Jahre ist sowieso ein gutes Stichwort, hier und heute gab es nämlich so einiges von dem Mief jenes musikalisch überschätzten Jahrzehnts zu bestaunen. Die Schlaghosen von Herrn Cave zum Beispiel, die aber noch zu ertragen gewesen wären, da der Mann für seine 50 Jahre noch eine wirklich knackige Figur hat und rank und schlank ist. Schlimmer sind die Mitgröhlpassagen und das Heraushängenlassen des coolen Rockers. "Motherfucker, Motherfucker, Motherfucker", wie oft will Nick das eigentlich noch sagen? Das hatte schon letztes Jahr bei Iggy Pop auf der "Fête de L'huma" unglaublich genervt. Die Posen des Australiers sind ähnlich abgedroschen, genau wie alles hier, inklusive der "I love you-I love you too!" Phrasen, die mit dem Publikum ausgetauscht werden. Aber die ergrauten und sehschwachen Besucher (warum tragen die alle Brille, es gibt doch die Erfindung der Kontaktlinsen?) fressen dem alten Nick aus der Hand, was verständlich ist, da der Großteil der Leute nur auf 2- 3 Konzerte pro Jahr geht, das muß man auskosten.

Ich hingegen tauche nur an drei Stellen auf und das ist immer der Fall, wenn Balladen angestimmt werden: Bei "Jesus Of The Moon", einem wundervollen Stück vom neuen Album, dann beim "Ship Song" (gleich im Anschluß, beste Phase des Konzerts) und einer der Zugaben "Far From Me" vom traumhaften "The Boatman's Call" Album. Zu "Far From Me" spielt Warren Ellis (seinen Zauselbart finde ich tausend mal besser als den Schnäuzer von Nick) einfühlsam Geige, nachdem er sich zuvor auch schon als Querflötenspieler wohltuend hervorgehoben hatte.

Somit kann ich dem Konzert zumindest noch etwas Postives abgewinnen und auch die allerletzte Zugabe "Stagger Lee" geht in Ordnung. Wenn ich allerdings guten Blues-Rock hören will (ich mag dieses Genre durchaus!), dann gehe ich demächst lieber zu den Black Keys, den White Stripes, oder den Kings Of Leon. Und da sind dann auch wenigstens ein paar junge Leute, denn die Jugend von heute (zu denen ich mit meinen fast 37 Jahren definitiv nicht mehr gehöre) weiß eben was gut ist, bei denen gibt es keine Nostalgie um einen Typen , der mal in dem Film "Ein Engel über Berlin" meine Kultfigur war.

Draußen vor der Türe fallen mir übrigens auf der anderen Straßenseite die blutjungen und hochtalentierten französischen Musiker "Coming Soon" auf. Ihnen wird nachgesagt, daß sie ein wenig (oder stark?) nach Nick Cave klängen. Wenn die wüßten, daß sie hundertmal frischer rüberkommen als ihr Idol! Gerne hätte ich es ihnen gesagt, aber dann waren sie auch schon verschwunden...

Setlist Nick Cave & The Bad Seeds, Casino de Paris, Paris:

01: Night of the lotus eaters
02: Dig, Lazarus, dig!!!
03: Tupelo
04: Today's lesson
05: Midnight Man
06: Nobody's Baby now
07: Red right hand
08: Jesus of the moon
09: The ship song
10: We call upon the author
11: Lie down here (& Be my girl)
12: Deanna
13: Get ready for love
14: Papa won’t leave you, Henry
15: More news from nowhere

16: The lyre of orpheus (Z)
17: Far from me (Z)
18:Hard on for love (Z)
19: Your funeral, my trial (Z)

20: Stagger Lee (Z)



Konzerttermine von Nick Cave und den Bad Seeds:

01.05.2008: Forest National, Brüssel, Belgien
03.05.2008: Dublin Castle, Dublin, Irland
04.05.2008: Academy, Glasgow, Schottland
05.05.2008: Academy, Birmingham, Midlands
07.05.2008: Hammersmith Apollo, London, London and South East
08.05.2008: Hammersmith Apollo, London, London and South East
16.05. 2008: Spektrum, Oslo, Norwegen
17.05.2008: Annexe, Stockholm, Schweden
19.05.2008: KB Halle, Kopenhagen, Dänemark
21.05.2008: Tempodrom, Berlin,
24.05.2008: Sazka Arena, Prag, Tschechische Republik
25.05.2008: Gasometer, Wien, Österreich
03.06.2008: In Music Festival, Zagreb, Kroatien
04.06.2008: Arena, Belgrad, Serbien
06.06.2008: Moni Lazariston, Saloniki, Griechenland
07.06.2008: Lycabetus Theater, Athens, Griechenland




Micah P. Hinson, Paris, 28.04.08

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Konzert: Micah P. Hinson
Ort: La Flèche d'or, Paris
Datum: 28.04.2008
Zuschauer: ca.250-300
Konzertdauer: ca. 35 - 40 Minuten


"Dieses Konzert möchte ich meiner Frau Ashley widmen*, wir haben vor kurzem in Abilene, Texas, geheiratet, ich liebe sie".

Rührende Worte (die Frauen im Publikum seufzten: "hach, wie romantisch") des eigenwilligen, ja eigenartigen Sängers Micah Paul (P.) Hinson.

Bisher kannte ich immer nur seine tiefe, verraucht klingende Stimme, die man einem verlebten 50-60 jährigen Country - Musiker zuordnen würde. In Musikzeitschriften hatte ich aber am Rande mitbekommen, daß sich hinter dem Künstler mit dem unglaublich leidenschaftlichen Gesang ein ganz junger Bursche verbirgt. 27 Jahre alt ist er inzwischen, aber als ich ihn und sein Debütalbum "Micah P. Hinson and The Gospel Progress" im Jahre 2004 kennenlernte, war er gerade einmal 23. Und hatte - wenn man Wikipedia und anderen Quellen glauben kann - bereits höchst schmerzliche Lebenserfahrungen hinter sich. Alkoholprobleme, Valiumabhängigkeit, Gefängnis wegen Fälschung von Rezepten und Verlust seines gesamten Hab und Gut, inklusive seiner Musikinstrumente und Aufnahmen. Scheiße gelaufen!...

Diese schlimme Phase soll sich im Jahre 2000 angespielt haben, hinderte Micah P. aber nicht daran, mit Hilfe der Band The Earlies "The Gospel Progress" einzuspielen und im Jahre 2005 mit "The Baby And The Satellite" nachzulegen. 2007 folgte Album Nummer 3 "Micah P. Hinson And The Opera Circuit".

"Kennt hier jemand meine bisherigen Alben? Konnte man die in eurem Land finden?" (es gibt Leute, die sich melden) - "Wirklich, ein paar Franzosen haben ernsthaft Alben von mir? - Thanks to this internet shit maybe, no?" (Micah P. Hinson mag das Internet nicht sonderlich, er hat noch nicht einmal eine MySpace Seite: "I hate this shit" vertraute er mir später an, sympathisch!)

Als "shit" bezeichnete er übrigens auch seine Musik, zumindest "most of the time". Er erklärte nämlich, daß er jetzt endlich auch in Frankreich eine record company hätte, was folgende Konsequenzen hätte: "Now that I have a real record company in France, you can see me playing more often if you want to, but most of the time it's shit!" - Später ging er mit dem Niedermachen der eigenen Person sogar noch weiter und meinte gar: "I don't have any talent at all; but it's because some of you see a talent in me, that I have the great honour to play in Paris"

Meine Güte, der Mann ist brutal zu sich selbst! Wie kann er nur von sich behaupten, null Talent zu haben? Klar, sein Gesang ist manchmal reichlich schief, er trifft nicht immer jeden Ton, aber dafür hat seine Stimme einen dermaßen großen Wiedererkennungswert und der Kerl selbst eine solch unfassbare Inbrunst und Hingabe, daß einem die Spucke wegbleibt! Wie er seinen Mund verzieht und aus voller Kehle seine herzerweichenden, oft pessimistischen Lieder schmettert , (Textzeile eines Songs: "You are the girl of my dreams, but it seems that my dreams never come true") ließ mich jedenfalls nicht kalt. Ganz alleine auf seiner Gitarre (mit dem Bild einer (seiner?) jungen Frau in der Mitte) spielte er seine Kompositionen und merkte zynischerweise einmal hinterher an: "Yes, I know this song was boring, but on the album it's much more entertaining!"

Ich persönlich empfand kein einziges Lied als "boring", auch wenn nicht jeder im Publikum meine Meinung teilte. Mein Freund Philippe zum Beispiel gähnte desöfteren vor sich hin und meinte hinterher auch, daß ihn das Ganze eher ermüdet habe. Vielleicht hätte er sich einmal ein Album von Micah P. zulegen sollen? Oder an meinem Platze stehen müssen, um Ergriffenheit zu spüren?! Ich persönlich war nämlich hautnah dabei und stand zufällig neben der überaus reizenden und niedlichen Frau des nicht gerade klassich schönen Sängers (ja, ich bin oberflächlich, ich weiß) und bekam so genau mit, wie sie gerührt Richtung Bühne schaute, Texte mitsang und von einigen Liedern Videos mit ihrer Kamera anfertigte. Manchmal schaute ich durch ihre Linse und sah ihren Mann mit seiner Bretonenkappe, den zerstanzten Ohrläppchen und seiner Kassenbrille auf - und abwandern und in sein Mikro winseln, so daß mir ganz melancholisch zumute wurde. Der Ami legte aber auch wirklich Herzblut in seine Songs, meine Güte!

In den Pausen zwischen den Liedern war er aber immer wieder zu Scherzen aufgelegt, wie man das ja oft unerwarteter Weise bei Songwritern erlebt, die man sich traurig und niedergeschlagen vorstellt. In einer besonders witzigen Szene erzählte er von seinem Vater, einem Psychologen, der - wenn ich das richtig verstanden habe - seine Patienten immer dazu animierte, in seiner Praxis Gitarre zu spielen. Micah fand das wohl selbst sehr seltsam und bezeichnete das Ganze dann auch als "stupid stuff". Der Mann hat wirklich Humor!

Herrlich war auch, als er über sein neues, im Laufe des Jahres erscheinendes viertes Album sprach, in dem wohl in dem Titel irgendwo das Wort "red" auftaucht. Sofort nachdem er das ausgeprochen hatte, schickte er nämlich schnell hinterher: "But I'm not a fucking communist!"

Kein Kommunist, aber vielleicht ein Prog-Rocker? Auch über dieses Musikgenre machte er seine Witzchen, erzählte, daß er auch mal ein solch abgefahrenes 10 Minuten-Stück aufs Parkett legen wolle, daß ihm dies wohl aber nie gelinge. Vielleicht ist es aber auch besser, wenn er beim Alt. Country bleibt, wozu er natürlich auch ein passendes Sprüchchen auf Lager hatte. "oh, ihr glaubt wohl in Frankreich, daß dieser ganze Country-Kram 'shit' sei, aber das stimmt nicht immer," "there is some good country stuff, believe me"...

Ich glaubte ihm aufs Wort, schließlich kann ich mit Country und Folk eine Menge anfangen, genau wie ich das auch mit dem gesamten Set konnte, in dem neue und alte Songs verschiedener Alben bunt gemischt wurden.

Herzergreifend!

Setlist Micah P. Hinson, La Flèche d'or, Paris:

01: Abilene
02: As You Can See
03: Beneath The Rose
04: Tell Me It Ain't So
05: You Can Tell Yourself
06: Lovers Lane
07: Seems Almost Impossible
08: Drift Off To Sleep
09: When We
10: I Keep Loving
11: It's Been So Long
12: Close Your Eyes
13: Oh No

- Links

- Video zu Close Your Eyes (bei last fm fälschlicherweise "For Your Eyes")
- Video zu It's Been So Long
- mehr Fotos von Micah P. Hinson

Konzertbesucher von Micah P. Hinson könnten auch mögen:

- Bonnie "Prince Billy" in Paris 2007
- M. Ward in Paris 2006
- Iron & Wine in Paris 2008
- ansonsten auch Lambchop oder Smog, aber die haben wir leider noch nicht im Programm.

* und ich diesen Konzertbericht meiner Mutter. Danke für alles und daß Du mich bei diesem Blog unterstützt!




Blood Red Shoes, Köln, 28.04.08

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Konzert: Blood Red Shoes

Ort: Gebäude 9, Köln
Datum: 28.04.2008
Zuschauer: fast voll
Konzertdauer: 55 min.


Ganz ausverkauft war es auch diesmal nicht, es waren aber mindestens 300 Leute mehr da als beim letzten Konzert der Blood Red Shoes im Gebäude 9 in Köln. Auf Hinweis meines Pariser Co-Bloggers hatte ich mir im vergangenen März die mir da noch unbekannte Band aus Brighton angesehen und war begeistert! So wie die wenigen anderen Besucher des Konzerts... Es war eine eher intime Angelegenheit, mit Technikern und Band waren wir 24.

Natürlich wäre es wundervoll, wenn unsere diversen Schwärmereien über Laura-Mary Carter und Steven Ansell daran Schuld wären, daß die beiden jetzt die Säle in Köln füllen. Es wäre aber leider auch schreckliche Selbstüberschätzung. Grund für den großen Zulauf dieser doch speziellen und nicht mainstreamigen Band ist sicher vor allem ihr Support für Maximo Park im vergangenen Herbst. Zumindest in Köln waren die Blood Red Shoes im Palladium klarer Punktsieger gegen Paul Smiths Jungs. Viele Reaktionen hinterher zeigten, was für einen großartigen Eindruck Laura-Mary und Steven beim Palladium-Publikum hinterlassen hatten. Und wer das Duo einmal live gesehen hat, kann sich dem Charme eines solchen Auftritts nicht entziehen und kommt gerne wieder, auch wenn das für die Band überraschend zu sein scheint.

Nach dem Palladium-Gig hatte ich nämlich Steven angemailt, um nach ein oder zwei mir unbekannten Liedern auf der Setlist zu fragen. Dabei hatte ich erwähnt, daß ich das Konzert im März 06 im Gebäude 9 gesehen hatte. Ganz erstaunt antwortete er: "Du warst da und wolltest uns trotzdem noch mal sehen?" Ja, klar! So geht es mir auch heute. Ich will die beiden schnell wieder auf der Bühne erleben.

Wie so oft hat aber alles Gute seinen Preis. Der Preis dafür, vorne mit guter Sicht zu stehen, waren 40 Minuten Supportband. Der Veranstalter hatte sicher gedacht, es sei eine pfiffige Idee, vorher eine Zweimann-Gruppe - Gitarre und Schlagzeug - aufzubieten, weil das ja ganz nett paßt. Im Prinzip war das schon richtig. Allerdings waren "Black Box Revelation" sehr belanglos. Die beiden Belgier waren sehr bluesig, sehr laut ... und sehr langweilig. Die einzige Aufregung kam auf, als das Kabel des Gitarristen
ausgetauscht werden mußte. Irgendwie schien es, als wären die beiden Brüsseler, die auch zur Zeit dEUS supporten, auch in der KulturKirche vor kurzem, musikalisch in den 70er Jahren hängengeblieben. Es gibt viele Leute, die das sehr schätzen, ich empfand den Auftritt als reichlich unoriginell.

Obwohl es vorne angenehm war, war der Saal gut gefüllt (oder umgekehrt). Wegen der Konstellation der Bands standen auf der Bühne rechts und links Schlagzeuge. Wir
hatten vorher richtig erwartet, daß Stevens Arbeitsplatz das rechte der beiden sein würde und standen perfekt. Erst um 22.20 Uhr betraten die Südengländer die Bühne.
Laura-Mary wirkte anfangs reichlich derangiert. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie auftaute. Ganz im Gegenteil zu ihrem Kollegen, der
von Beginn an auf sein Schlagzeug einprügelte, als könne er das eigentlich gar nicht leiden. Dabei flogen seine blonden Haare (wohl durch einen Ventilator unterstützt) wild durch die Gegend.

Startsong war das grandiose "It's getting boring by the sea", das natürlich auch auf der
Debütplatte "Box of sectrets" ist, die diesen Monat veröffentlicht wurde. Es folgte mit "How to pass the time" eine B-Seite, bevor wieder drei Stücke des Albums folgten.

Mittlerweile war Laura-Mary agiler geworden und lief mehr und mehr über die Bühne. Ihr Mikro stand sehr weit links, nicht sonderlich aufregend eigentlich. Vor einem Jahr stand sie allerdings viel näher an Steven, wenn ich mich richtig erinnere. Diesmal nutzten sie den Platz also viel mehr; vielleicht ist das sinnbildhaft für gewachsene Selbstsicherheit. Wobei es natürlich keinerlei Grund für die beiden gibt, mangelndes
Vertrauen in die eigenen Leistungen zu haben, denn ihre Musik ist aufregend, energiereich und auch auf Dauer nicht langweilig, obwohl sich die Lieder natürlich irgendwo schon gleichen, denn Schlagzeug und Gitarre bieten eben nicht die gleichen Variationsmöglichkeiten wie sie ausgewachsene Bands haben. Dazu kommt der Charme der Blood Red Shoes. Die beiden sind unglaublich niedlich (dieses gute Niedlich)!

Auch wenn ich das nicht auf das Äußere (sondern das allgemeine Erscheinungsbild) bezogen habe, muß das auch kommentiert werden. Auffällig war vor allem Laura-Marys neue Frisur. Sie trägt jetzt ein Pony und hat sich dadurch ziemlich verändert. Mir gefiel der alte Stil besser, bei unseren Diskussionen darüber hinterher waren wir uns aber nicht abschließend einig.

Den drei Albumstücken vor meinem Abschweifen folgte "Stitch me back", die erste
offizielle Single. Vor Beginn des Stücks beklagte Steven sich mehrfach darüber, daß er nichts erkenne - "I can't see", "I can't see"... Es klappte dann aber offenbar doch alles, er prügelte nämlich wieder los, was das Zeug hielt. Am Ende des Lieds schien es, als wollte er seine Drumsticks kaputthauen, er knallte die Stöcke ein paarmal auf die Kanten seiner Trommel, sie hielten aber.

Der wilde Einsatz führt aber dazu, daß der Roadie mehrfach quasi Operationen am offenen Herzen durchführen musste, er reparierte und richtete das Schlagzeug während des Lieds. Er versuchte es zumindest, denn richtig traute er sich nicht, weil Steven viel zu schnell war, um eine kurze Pause zu nutzen, um ein Becken zu richten. Eine sehr lustige Szene!

Der Schlagzeuger kam immer mehr außer Atem. Irgendwann trennte er sich von seinem T-Shirt aber auch das schien nicht zu reichen, denn Steven wurde immer kurzatmiger. Daher war dann auch eine kurze Ansagepause willkommen, als sie von ihrem ersten Gebäude 9 Konzert berichteten ("last time there were twenty people") und fragten, wer denn von uns dagewesen wäre.

Ohne Rücksicht auf Verluste ging es aber weiter. Die Blood Red Shoes spielten mehr Hits ihres Albums, wobei das eigentlich redundant ist, weil ihr Repertoire keine Ausfälle hat.

"This is not for you" übergeleitet in "
Say something say anything" und anschließend das fabelhafte "I wish I was someone better" beendeten das Konzert zunächst nach 45 Minuten. Wie damals war das Gebäude 9 begeistert! Ok, irgendwie ja schon anders aber egal...

Als Laura-Mary und Steven wiederkamen, tauschten sie die Rollen, sie setzte sich ans Schlagzeug. Das Instrumental-Stück, das sie so spielten, hatte zwar ein etwas weniger
energisches Schlagzeug, es war aber ohne Zweifel ein Blood Red Shoes Lied.

So richtig geheuer war es Laura-Mary offenbar doch nicht, am falschen Platz zu sein, denn das hervorragende "ADHD" (
der englische Name der Krankheit bzw. der Verhaltensstörung ADHS) wurde wieder konventionell gespielt. Damit war auch nach einer knappen Stunde dann Schluß. Die beiden Blood Red Shoes haben ordentlich Krach gemacht, dabei aber eben auch interessante Lieder gespielt. Das mußt sicher auch der Sänger der Vorgruppe erkennen, der grübelnd am Bühnenrand stand und zusah. So unterschiedlich können zwei Bands mit dem grundsätzlich gleichen Konzept eben klingen.

Die Blood Red Shoes waren wieder brillant und haben ganz sicher dafür gesorgt, daß sich einige Leute neu in sie verliebt haben. So zum Beispiel der Zuschauer, der von der Sängerin auf die Bühne gerufen wurde, um am Ende noch etwas mit zu singen (oder ins Mikro zu schreien, je nach Wahrnehmung).

Setlist: Blood Red Shoes, Gebäude 9, Köln:

01: It's getting boring by the sea
02: How to pass the time
03: Doesn't matter much
04: Forgive nothing
05: Try harder
06: Stitch me back
07: You bring me down
08: Take the weight
09: This is not for you
10: Say something say anything
11: I wish I was someone better

12: Surf Song (Z)
13: ADHD (Z)

Links:

- aus dem Archiv:
- Blood Red Shoes, Paris, 09.11.07
- Blood Red Shoes, Köln, 16.10.07
- Blood Red Shoes, Paris, 08.06.07
- Blood Red Shoes, Paris, 08. und 09.06.07
- Blood Red Shoes, Köln, 11.03.07
- Blood Red Shoes, Paris, 06.03.07
- mehr Fotos von den Blood Red Shoes aus Köln (also die Fotos, nicht die Band)


Montag, 28. April 2008

The Breeders, Köln, 22.04.08

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Konzert: The Breeders
Ort: Luxor, Köln
Datum: 22.04.2008
Zuschauer: halbvoll
Konzertdauer: 80 min.


Warum sitze ich im Zug und fahre zu einem Konzert einer Band, die mir seit Jahren egal ist. Deren musikalischer Kontext mir zwar vertraut ist, ich mich aber kaum noch an einzelne Songs erinnern kann. Denn seit geschätzten 14 Jahren habe ich The Breeders nicht mehr gehört. Und mich nicht für sie interessiert. Geblieben ist nur “Cannonball”.

Es ist wie mit Buffalo Tom. Ist man ehrlich, dann muss man zugeben, dass diese Bands musikalisch durch sind, sie spielen den Sound vergangener Zeiten, Innovationssprünge sind kaum zu erwartet. Es gibt sicherlich durchaus spannenderes Zeug zu hören, was also treibt mich an, diese Bands zu sehen. Ich denke, der Reiz des Backflashes ist der eigentliche Beweggrund. Nochmal für vielleicht 90 Minuten “1990 plus x” sein zu lassen. Nochmal alte Helden sehen.

Ja, das ist es. Das lässt in mir diese grosse Vorfreude aufkommen. Egal, es gibt schlimmeres.

Gestern nun The Breeders. Hiessen die früher nicht mal nur Breeders?

Also, The Breeders. Für mich mehr ein Bild, ein Synonym für eine Musikepoche als eine Band. Sie waren das Bindeglied zwischen den traditionellen amerikanischen Indierockbands der Endachtziger und der Grunge-Rock Generation. Von beiden Seiten gleich verehrt und geschätzt. 2 Alben haben die Breeders in dieser Zeit veröffentlicht. “Pod” und “Last splash”. Letzteres war ihr kommerziell erfolgreichstes Album, ihre break-through Single “Cannonball” findet sich auf dieser Platte.

“Cannonball” ist auch die einzige Breedersassoziation, die sich bei mir über die Jahre gehalten hat. Irgendwann kurz nach 1993 habe ich Kim und Kelley Deal beiseite gelegt und nicht wieder aufgehoben. Zwischendurch mal was über erneute Alkohol- und oder Drogenexzesse gelesen, erstaunt den Kopf gehoben als es hiess, Kim Deal geht wieder mit den Pixies auf Tour, das war’s. “Title TK”, ihr 2002er Album, und “Mountain Battles” gehören nicht zu den Alben, auf deren erscheinen ich sehnsüchtig gewartet hätte.

Gestern spielten sie ihren einzigen Deutschlandgig im Luxor. Das heutige Konzert in Berlin wurde gecancelt. Die Nachfrage war wohl nicht besonders hoch. Auch in Köln war der Club gerade mal gut zur Hälfte gefüllt.

Kurz nach neun. Manchmal ergeben sich die kleinen Geschichten um den Konzertbesuch wie von selbst. Oder durch Zufall. Am Montag lief auf 3sat eine unterhaltsame Dokumentation über Haarausfall bei Männern im Alter von 30 bis 40 und den psychischen Problemen, die damit einhergehen. Also Haarverpflanzung, Ersatzprodukte, Haarersatzteil etc.. Hieran musste ich unvermittelt denken, als ich auf die Hinterköpfe der vor mir stehenden Reihen blickte. Genau, das Publikum war eher männlich und mid-age. Aber durchschnittlich nicht so alt wie bei Frank Black, wie jemand hinter mir bemerkte, oder wie der Sänger der Vorband Cloudberry es treffend auf den Punkt brachte: “Es sind viele Leute in meinem Alter heute abend hier. Die werden unser nächstes Lied sofort erkennen. Lasst euch überraschen.” Die Überraschung war “Into your arms”, ein Lemonheads Cover aus deren “Come on feel the Lemonheads” Album von 1993.

Cloudberry spielten eine halbe Stunde lang Indierock aus den Tiefen der 90er. Das Cover passte gut und spiegelt ebenso gut ihre Musik wider. Ihre Helden müssen Buffalo Tom, Lemonheads und Bob Mould heissen.

Ab kurz nach zehn gehörte die Bühne dann Kim und Kelley Deal. Die beiden Frontfrauen der Breeders standen eindeutig im Fokus. Den Drummer hatten sie kaum sichtbar hinten rechts in der Ecke versteckt, Bass und Gitarre Nr. 3 wurden am Bühnenrand plaziert. Kaum zu sehen waren aber auch K+K, denn, besonders gross sind die beiden nicht. Obwohl leicht erhöht auf der Bühen stehend,waren beide kaum grösser als das davor stehende Publikum. Und so war spätestens ab der achten Reihe köpferecken angesagt.

Erblickte man dabei Kim Deal, so sah man sehr deutlich, dass jahrelange Alkoholsucht sehr wohl ihre Spuren hinterlassen. Leicht aufgedunsen sieht sie immer noch aus. Nicht mehr ganz so schlimm wie noch vor ein paar Jahren, aber immer noch sichtbar mitgenommen und irgendwie schlecht. Kelley machte da einen “gesünderen” Eindruck. Schadet der gespritzte Drogenkonsum der Haut weniger als Alkohol?

Unabhängig vom Erscheinungsbild, fit sind sie beide. Sie liefern eine gute 80 minütige Show. Gespielt wurden Songs aus allen vier Alben und vom The Amps Album “Pacer”. The Amps war ein Kim Deal Nebenprojekt in den 90ern. Emotionaler Höhepunkt nach einer guten halben Stunde natürlich der Übersong “Cannonball”, der auch heute noch richtig gut geht und nicht unhörbar geworden ist. Ein Klassiker. Auch die anderen kleinen Hits wie “Divine Hammer”, “Safari” oder das Beatles Cover “Happiness is a warm gun” wurden gebührlich abgefeiert. Ich hatte den Eindruck, das die Crew auf der Bühne in absoluter Spiellaune war und sich wirklich darüber freute, dass im Publikum eine so gute Stimmung herrschte.

Ein bischen war es wie das Treffen alter Freunde, die sich lange nicht gesehen haben. Nach fünf Minuten weiss man wieder, was man am anderen hat, und wundert sich darüber, das man ihn in der zwischenzeit gar nicht wirklich vermisst hat.

Rausgeschmissen wurden wir mit “German studies” einem Stück vom neuen Album, das tatsächlich einen deutschen Text hat. Man konnte ihn nicht wirklich verstehen, bis auf den Refrain: “Im dunkeln” hiess der. Im Dunkeln ging ich dann auch kurz nach elf zur Bahn.

von Frank von Pretty-Paracetamol



Sonntag, 27. April 2008

The Long Blondes, Paris, 26.04.08

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Konzert:The Long Blondes
Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 26.04.2008
Zuschauer: wahrscheinlich ausverkauft

"Als wir das letzte Mal in Paris gespielt haben, ging es mir soo fürchterlich schlecht, daß ich mich kaum auf den Beinen halten konnte, aber zum Glück ist das heute anders: "I feel well".

Kate Jackson, die charismatische Frontfrau der Long Blondes strahlte über das ganze Gesicht, als sie das sagte und man merkte ihr an, daß sie es aufrichtig meinte. Beim "letzten Mal in Paris" war ich übrigens auch dabei und ich hielt es nach dem enttäuschenden Auftritt (Krankheit hin oder her) im Pariser Trabendo (März 2007) nicht für augeschlossen, daß es sich ausgelongblondet hatte. Tatsache war nämlich, daß Kate trotz ihres Handicaps die mit Abstand agilste Person in der ansonsten saulahmen Truppe war. Die Bassistin schien hinter ihrem Instrument zu dösen und die Keyboarderin und Gitarristin machte den Eindruck, als könne sie nicht spielen. Ganz schön mau das Ganze also. Der damals herrschende massive Medienhype um die Band war letzlich nicht zu rechtfertigen.

Der Trubel hat sich allerdings in den letzten Monaten deutlich gelegt, die Kids hatten in der Zwischenzeit einfach andere Lieblinge bei meinzuhausemeinblog (demnächst konzerttagebuch.de) oder MySpace entdeckt.

Eine dieser neuen Lieblingsbands der Blogosphäre wollte ich vor dem Auftritt der Long Blondes unter die Lupe nehmen. Ich spreche von der Londoner Girlgroup Ipso Facto, von denen ich schon anderswo gelesen hatte (seltsamerweise nicht auf unserer eigenen Seite, aber die waren halt noch nicht in Paris oder Köln). Ihre dunklen, mysteriösen Songs auf ihrer MySpace Seite hatten mich neugierig gemacht und die Bilder von den attraktiven jungen Damen mit ihren schwarzen Pagenköpfen, die im Netz zirkulieren, sind einfach entzückend. Extrem stylish diese Girls, genau mein Geschmack! Das Problem war bloß, daß...sie nicht kamen! Angeblich im Stau steckengeblieben, oder was auch immer! Ein Jammer! Über eine Stunde wartete man in der Maroquinerie gespannt (ein Herr vor mir spielte auf seinem Blackberry), ob sie vielleicht doch noch aufkreuzen würden. Einige Besucher sprachen aus, was alle dachten: Lasst sie doch einfach nach den Long Blondes spielen! Aber alle Hoffnungen wurden enttäuscht, Ipso Facto ersatzlos gestrichen! Mist!

Das Publikum mußte mit den längst uncool gewordenen Long Blondes vorlieb nehmen. Deren Drummer hatte sich schon früh blicken lassen und überprüfte ein paar Einstellungen. Soundingenieure testeten ein wenig hin und her und man hörte ein paar elektronische Samples, die unschwer zu erraten zu den neuen Liedern vom zweiten Album "Couples" gehören würden. Ich fragte mich, was von den Neuheiten live zu erwarten war, hatte aber im Grunde genommen keine Vergleichsmöglichkeiten, da ich die neue CD noch gar nicht gehört hatte.

Kostproben sollte ich kurze Zeit später bekommen. Nach einem Intro ging es nämlich gleich mit "Century" los. Dies klang überraschend organisch und wavig, von einem allzu starken elektronischen Sound war nicht viel zu merken. Gut so! Auch "Here Comes The Serious Bit" war o.k., zum ersten Mal richtige Stimmung kam allerdings erst bei dem alten Hit "Weekend Without Make Up" auf. Ich fragte mich allerdings schon, wie es damals zu dem Text kommen konnte. Ein Wochendende ohne Make Up gibt es oder gab so etwas bei den Long Blondes wirklich einmal? Kaum vorstellbar, wenn man sich die drei Weiber der Truppe so ansieht. Kate Jackson sieht immer so aus, als sei sie mit den Augen in den Tuschkasten gefallen und ihre Lippen sind stets feuerrot. Diesmals allerdings auch ihr Nagellack, eine Neuheit für mich. Bei früheren Konzerten trug sie immer blaue Nägel, wirklich nicht mein Fall. Für die roten Krallen gab es also Pluspunkte bei mir, genauso für die (neuen?) Tattoos auf ihren beiden Oberarmen, die von gewaltigen Schiffen geziert wurden. Geil, ey!

Aber was machten eigentlich die anderen Mädels der Band, sind sie inzwischen dynamischer geworden? Nun, nur sehr bedingt, die Bassistin gibt sich nach wie vor die allergrößte Mühe teilnahmslos und gelangweilt zu gucken (irgendwann mußte sie allerdings einmal heimlich lachen) und die Gitarristin und Keyboarderin hatte auch keine besonders ausgeprägte Mimik. Aber ich glaube sie hat inzwischen ein wenig gelernt, wie man Gitarre gespielt, zumindest versuchte sie konzentriert diesen Eindruck zu erwecken. Die Herren in der Runde, Songwriter und Gitarrist (auch er spielt zudem Keyboard) Dorian Cox und Drummer Screech Louder waren im Gegensatz dazu Aktivposten der Band. Vielleicht sollte man aus den Long Blondes ein Trio machen, das wäre vielleicht dynamischer? Gerade der gute Drummer könnte so mehr in den Vordergrund gestellt werden und die Live-Performances wären nicht mehr so einseitig auf Leaderin Kate Jackson ausgerichtet.

Mit der bisherigen Besetzung blieb allerdings alles beim Alten, Kate tanzt nach wie vor lasziv und erotisch, führt sich das Mikro von oben in den Mund und wackelt mit den Hüften, daß es eine wahre Freunde für die Männer im Publikum ist. So konnte dann auch der ein oder ander mittelmäßige Song kompensiert werden. Gerade auf dem neuen Album ist nämlich nicht alles so glänzend wie die Wimperntusche von Frau Jackson. Das gab es definitiv ein paar Hänger und vor allem der Langweiler "Too Clever By Half" verpuffte völlig. Auch die Samples zu Beginn der Lieder, auf denen man oft eine Männerstimme reden hört, stellten sich als überflüssiges Beiwerk heraus. Lobend hervorheben möchte ich allerdings das tanzbare Stück "I Liked The Boys", das durchaus zu gefallen wußte. Die Kracher entfielen allerdings fast einhellig auf die alten Live-Klassiker und so hatte das Konzert mit "Once And Never Again" und dem 60ies angehauchten "Separated By Motorways" eine seiner stärksten Phasen, zu denen man auch das Ende mit dem Hit "Giddy Stratospheres" und der Zugabe "Lust In The Movies" zählen konnte.

Insgesamt sahen die Besucher ein anprechendes und kurzweiliges Konzert, allerdings ohne in Extase zu verfallen. Dazu sind die Long Blondes einfach eine Spur zu belanglos, trotz der nach wie vor guten Hits des ersten Albums.

Setlist The Long Blondes, Maroquinerie, Paris:

01: Century
02: Here Comes The Serious Bit
03: Weekend Without Make - Up
04: Autonomy Boy
05: The Couples
06: You Could Have Both
07: Round The Hairpin
08: Once And Never Again
09: Separated By Motorways
10: I Liked The Boys
11: Too Clever By Half
12: Guilt
13: Erin O'Connor
14: I'm Going To Hell
15: Giddy Stratospheres

16: Lust In The Movies (Z)

Links:

- aus dem Archiv:
- The Long Blondes, Paris, 29.03.07
- The Long Blondes, Dresden, 23.03.07
- The Long Blondes, Paris, 15.12.06
-
mehr Fotos von Kate Jackson und den Long Blondes
- Video von "Weekend Without Make Up" in der Pariser Maroquinerie von 2006
- Century (Promo Video)


Konzerttermine der Long Blondes:

28.04.2008: Evreux, Frankreich
29.04.2008: Strasbourg, Frankreich
01.05.2008: Groningen (Vera), Niederlande
02.05.2008: Osnabrück (Glanz & Gloria)
04.05.2008:
Hamburg (Knust)
05.05.2008: Berlin (Lido)
06.05.2008:
Köln (Luxor)
07.05.2008:
München (Atomic Café)




 

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