Donnerstag, 19. März 2009

Pokett & Reza & Fairguson, Paris, 18.03.09


Konzert: Pokett & Reza & Fairguson

Ort: Le Pop In, Paris
Datum: 18.03.2009
Zuschauer: ca. 50
Konzertdauer: pro Band ca. 35-40 Minuten



Als geselligen und kommunikativen Eigenbrötler (bzw. Einzelgänger) habe ich mich bei MySpace einmal selbst beschrieben.*

Ob das zutreffend ist, können wahrscheinlich Freunde und Bekannte besser beurteilen, fest steht, aber, daß ich mich in Gesellschaft von aufgeschlossenen und kreativen Leuten pudelwohl fühle. Heute abend war ich besonders gut drauf, denn im Pariser Pub Pop In wimmelte es nur so vor Sympathen mit Ideen und Weltoffenheit.

Gleich vor der Tür Eingangstür traf ich die Französin Delphine, die mit Frenchtoast ein kleines Label und gleichzeitig eine Bookingagentur ins Leben gerufen hat.... Dann erblickte ich auch Franck Pompidor, der nicht nur bei den Garagenrockern HushPuppies trommelt, sondern vor allem auch einen kleinen, vortreffflich sortierten Indie CD Laden namens Ground Zero führt und mir erst kürzlich mit einer charmanten Session mit This Is The Kit und Rachael Dadd im Kellergewölbe seines Stores eine Riesenfreude bereitet hatte. Ihm gegenüber drückte ich mein Bedauern darüber aus, daß ich seine letzte Session mit dem tollen in Frankreich lebenden Schweden Peter von Poehl verpasst hatte, weil ich da an den Fersen eines anderen Peter (Doherty) klebte. So plauderte ich angeregt etwa eine Viertelstunde, bevor man eintrat. Um zum Konzertraum des Pop In zu gelangen, muß man erst eine alte Treppe hochklettern, die rechts von der Bar liegt, dann an Pubbesuchern vorbei quer durch den oberen Raum latschen und schließlich eine schmale Steintreppe Treppe in ein Kellerverlies hinunterklettern. Allein das ist schon abenteuerlich und charmant.

Unten angekommen, sah man schon Pokett, der bereits seine Gitarre umgeschnallt und vor (!) der Bühne begonnen hatte. Auch er, Stéphane Garry, so sein bürgerlicher Name, ein äußerst kreativer Bursche, der nicht nur für sich selbst musiziert, sondern auch schon als Produzent der glänzenden Pollyanna (und Reza, über die wir gleich noch sprechen werden) sehr positiv in Erscheinung getreten ist. Ich hatte Pokett vor ein paar Wochen zum ersten Male gesehen und zwar beim klasse besetzten Mo'Fo Festival in Saint Ouen gleich vor den Toren von Paris. Meine damaligen Eindrücke reichten aber nicht aus, um mir ein richtiges Bild zu machen. "Schöne Stimme" so hatte ich befunden, aber viel mehr als diesen Allgemeinplatz konnte ich nicht beisteuern. Nach dem heutigen Konzert ist das anders, denn ich kann mit Fug und Recht sagen, daß Pokett richtig gut ist! Er hat eine wunderbare und sehr gefühlvolle Stimme, berührende Texte und ein feines Gitarrenspiel. Im Grunde genommen ist er der französische Bruder im Geiste des genialen und zu früh verstorbenen Amerikaners Elliott Smith. Vom dem hat er mit Sicherheit wie ich alle Platten, aber seine Einflüsse reichen dennoch deutlich weiter und lassen sich auch im noisigen und postrockigen Bereich (z.B. bei Slint) finden. Um auch ein wenig Krach zu machen und die sanften Balladen dramatischer zu gestalten, hatte er heute einen besonderen Verstärker dabei, der mitunter ziemlich krawallige Töne erzeugte. Da ich selbst kein Musiker bin (wieso eigentlich nicht?), weiß ich auch nicht so genau, wie man es schafft, sich quasi selbst zu begleiten, aber ich habe im Laufe der Jahre mitbekommen, daß gewisse Sequenzen aufgenommen werden und dann eingesetzt werden können. Es gibt da diese Loop-Sampler Geschichten mit denen man wahrlich Erstaunliches bewerkstelligen kann und Pokett scheint sich diesbezüglich gut auszukennen...

Aber wie ist es nun um die Diskografie des bärtigen Franzosen bestellt? Wieviele Alben hat er beispielsweise auf der Habenseite? - Nun, eigentlich zwei, aber lediglich eines davon ist noch erhältlich. Das Debüt Crumble (von 2006) ist nämlich schlicht und einfach vergriffen! Schade, schade, denn darauf ist das ganz wunderbare Marmalade enthalten, das er den Zuschauern heute präsentierte. Man muss sich also mit The Peak (Ende 2007 erschienen) begnügen, aber das ist ja auch schon mal etwas, denn The Peak ist ein gutes Album!

Eine besondere Perle hiervon ist Strange, ein melancholischer Song mit einer sonnigen Note à la Sparklehorse. Aber Pokett kann nicht nur amerikanischen Vorbildern nacheifern, seine Lieder tragen seinen eigenen Stempel und es ist gar nicht so leicht, ein Publikum nur mit seiner Akustikgitarre und seiner Stimme bei Laune zu halten. Stéphane Garry schaffte das und erfreute mich nicht nur mit seinen schönen Kompositionen, sondern auch mit seinem Humor. Wie so oft bei Singer/Songwritern, die traurige Lieder auf der Gitarre vortragen, steckt hinter dem Burschen eigentlich ein witziger Kerl, der gerne lacht und auch ein paar trashige Coverversionen auf Lager hat. Er coverte nicht nur die eigentlich scheußlichen Van Halen, sondern am Ende auch Megadeth und machte dazu ein paar urkomische Verrenkungen, wie sie in der Metallerfraktion üblich sind. Köstlich! Und auf seinem T-Shirt war klar und deutlich AC/DC zu lesen. Zum Glück klingt Pokett aber nicht so. Eine Beschäftigung mit dem umtriebigen Musiker lohnt auf alle Fälle!

Setlist Pokett, Le Pop In, Paris (merci à Delphine & Stéphane!):

01: Ain't Talkin' 'Bout Love (Van Halen Cover)
02: Strange
03: Marmalade
04: Like A Knife
05: I Don't
06: Fall
07: Train
08: Sand
09: Tornado Of Souls (Megadeth Cover)

Nach einer kurzen Pause ging es mit den nächsten French Cowboys weiter. Ich verwende diesen Ausdruck, weil alle drei Artisten des heutigen Abends deutlich heraushörbare amerikanische Vorbilder und Lehrmeister haben. Bei Pokett sind es u.a. Elliott Smith und Sparklehorse, bei den nun auftretenden Reza Bill Callahan (Smog), Calexico und Giant Sand. Durch die Bank weg glänzende und geschmackvolle Referenzen also und man muss den französischen Künstlern das Bedürfnis zugestehen, den Pariser Beton mit heißem Wüstensand zu bepudern. Je großstädtischer das Umfeld, desto stärker wird die Sehnsucht nach den weiten amerikanischen Landschaften, der Wärme und der Freiheit, die man sich dort verspricht. All diese Sehnsüchte stecken in der Musik von Reza, einem Quartett, das um den Sänger und Akustikgitarristen mit dem Vornamen Reza gebildet wird. Der dunkelharige Mann mit den feinen Gesichtszügen hat eine ganz wunderbare Baritonstimme, hinter der man einen Sänger aus Arizona vermuten könnte, wenn ihn nicht ab und zu der kleine französische Akzent bei den englischen Texten verraten würde. Seine Begleitband ist auch nicht von schlechten Eltern, da gibt es nicht nur einen ziegenbärtigen Gitarristen und spielfreudigen Schlagzeuger, sondern auch einen verschmitzten Kontrabassisten und zusammen erzeugt man äußerst wohlklingende, sehr warme und einfühlsame Lieder, die einen vom Monument Valley oder dem Grand Canyon träumen lassen.

Schon der Start mit Desert Land war sehr stark und auf dem Album ist der Track sogar noch einen Tick besser, weil dort auch der grandiose H-Burns einen Gastauftritt hat. Aber auch ohne H-Burns legten Reza einen rundum gelungenen Auftritt hin, in dem es noch zahlreiche andere wohlklingende Kostproben vom neuen Album Moonless zu genießen gab, das offiziell erst im Mai bei Frenchtoast erscheinen wird. Rain beispielsweise ist sowas von schön, daß es einem glatt den Atem verschlägt während Child einen umwerfenden Drive hat und auch von Bill Callahan nicht besser hätte geschrieben werden können. Auch bei einer gelungenen Coverversion von dem alten Go-Betweens Klassiker Love Goes On! zeigten Reza Talent, irritierten mich aber ein wenig damit, daß sie mit keiner Silbe auf die fremde Urheberschaft eingingen.

Aber das war nicht weiter schlimm, denn die Eigenkompositionen wußten sehr zu gefallen und weckten in mir das Bedürfnis, die Band demnächst noch einmal live erleben zu wollen...

Setlist Reza, Le Pop In, Paris:

01: Desert Land
02: Flying Girl
03: Desespoir
04: Rain
05: Child
06: Love Goes On! (The Go-Betweens Cover!)
07: Boozer's Talk
08: Back Home
09: Waiting
10: Falling From Grace
11: Save My Life
12: Remake

Inzwischen war es schon sehr spät geworden und Fairguson, die den Abend der French Cowboys abschlossen, mussten sich sputen, damit ihnen die Zuschauer auf der Hast nach der letzten U-Bahn nicht wegliefen. Der Sänger der Pariser Formation, in der es vier Gitarren (darunter eine Pedal Steel), drei Synthesizer, zwei Bässe, ein Piano und ein Schlagzeug gab, sagte dann zu Beginn des Sets vorsorglich schon einmal "Guten Abend und Auf Wiedersehen", um nicht noch mehr wertvolle Zeit zu vetrödeln. Für die vielköpfige Band wurde jetzt zum ersten Male die richtige Bühne gebraucht, nachdem die zwei anderen Acts zuvor vor derselbigen performt hatten. Es gab auch einen körperlich behinderten Musiker in der Gruppe, der von dem kräftigen Bassisten an sein Keyboard getragen wurde. Das war rührend und ich fand es wunderbar, daß sie den Rollstuhlfahrer so toll integrierten.

Auch ihre Musik war warm und von kalifornischer Sonne durchsetzt, sie ließ einen von weiten amerikanischen Landschaften träumen und atmeten den Duft der Freiheit. Erstaunlich, daß es junge Pariser schaffen, einen solch lupenreinen Countrysound zu erzeugen, der im guten Sinne an Bands wie Wilco oder Grandaddy erinnerte. Man muß sich nur einmal das famose Stück Homecoming anhören, um zu verstehen, was ich meine. Aber Fairguson sind nun einmal keine Amerikaner, was man an ihrem kleinen Akzent, aber auch ihrem Songwriting merkt. Sie geben der ganzen Sache den sogenannten French Touch, genau wie das auch bei den glänzenden Syd Matters oder bei den Da Brasilians der Fall ist.

Leider war es dann aber wirklich so spät geworden, daß ich das Pop In verlassen mußte, um noch die letzte Metro zu bekommen. Ich habe mir fest vorgenommen, Fairguson noch einmal ganz in Ruhe zu begutachten. Den 15. April habe ich mir schon in meinem Terminkalender eingetragen. Dann spielen sie nämlich in der Flèche d'or. Insgesamt ein toller Konzertabend!

Setlist Fairguson, Le Pop In, Paris:

01: Rough Intrusive ...
02: Fairguson Bird
03: Homecoming
04: Indigo
05: We Never Met Chris Cool
06: 47 Willows
07: Leaving The Captain
08: Wide Open Spaces
09: Lost Again
10: Indian Summer
11: Let It Go


* Obwohl Selbstbeschreibungen doof sind. Man denke nur an die Angaben in Bewerbungsbögen ("ich bin dynamisch, teamfähig, belastbar", blablabla, wer' s glaubt, wird selig!)

Links:

- Pokett im Video: Strange (Live), I Don't (Videoclip)





1 Kommentare :

E. hat gesagt…

pokett vor reza und ferguson, so wäre die reihenfolge der beliebtheit, jedenfalls nach den ersten eindrücken. eine letztlich tolle mannschaft, die sich da zusammengefunden hatte. wie immer: neidfaktor enorm hoch angesichts solcher kombis!

 

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