Sonntag, 27. September 2009

Herman Dune & Yeti Lane & Kim & The Low Anthem, Paris, 26.09.09


Konzert: Herman Dune & Yeti Lane & Kim & The Low Anthem

Ort: la Maroquinerie, Paris
Datum: 26.07.2009
Zuschauer: es war voll, aber nicht ausverkauft

Konzertdauer: jeweils 35-40 Minuten



Ein gutsortierter Plattenladen in Paris feiert fünfjährigen Geburtstag und wir sind natürlich dabei! Ground Zero, so wie das Loch im Herzen von New York, nennt sich der Shop, der von Franck Pompidor, dem Schlagzeuger der HushPuppies (Foto rechts) , mit viel Engagement betrieben wird. Der Name ist gut gewählt, bedenkt man, daß das Geschäft zu einem Zeitpunkt eröffnet wurde, wo der physische CD Umsatz stark eingebrochen ist. Dennoch hat es Franck (er wäre fast Profifußballer geworden, Vorbild: Alain Giresse) zusammen mit seiner tüchtigen Angestellten geschafft, sich eine Stammkundschaft aufzubauen und Indiemusikfans eine hervorragende Auswahl anzubieten. Er verteidigt nicht nur die besten internationalen Acts, sondern hat logischerweise auch viele Franzosen im Programm. Oft findet man bei Ground Zero CDs und Schallplatten, die es nirgendwo anders zu erstehen gibt. Das liegt zum Teil daran, daß er auch Werke von Künstlern verkauft, die per Selfrelease veröffentlichen, zum andern aber auch, daß er oft streng limitierte Sachen anbieten kann.

Besonders toll sind die Akustiksessions, die Franck in unregelmäßigen Abständen im urigen Gewölbekeller seines Ladens ausrichtet. Ich selbst kam auf diese Weise in den Genuß des hochcharmanten Konzertes von This Is The Kit und ihrer englischen Freundin Rachael Dadd und auch Peter von Poehl und Herman Dune haben schon im Ground Zero musiziert. Die Verbindung zur Familie Dune ist ohnehin sehr stark, denn niemand kann sich rühmen, mehr CDs von André Herman Dune, inzwischen unter dem Namen Stanley Brinks bekannt, im Angebot zu haben. Sie lagern in einem Pappkarton gleich an der Kasse und es gibt bestimmt 20 Stück davon!

Jaja, die Dunes sind Vielschreiber, es gibt Leute die behaupten, die Kerle würden jeden Tag ein neues Lied schreiben. Wahrscheinlich ist das gar nicht übertrieben, denn der umfangreiche Musikkatalog der Franzosen mit schwedischen Wurzeln wird ständig erweitert. Kein Wunder also, daß David-Ivar (Yaya) Herman Dune heute beim Konzert in der Maroquinerie keinen einzigen alten Song (oder doch es gab ganz genau einen. Aber wie hieß er?) spielte, sondern ausschließlich neues Material präsentierte. Ohne Band und Ukulele kam der kauzige Künstler angeschlurft und trug auf seiner Gitarre Stücke vor, die wohl zumindest zum Teil auf einem neuen Album erscheinen werden. Statt seines obligatorischen Hütchens trug er ein blaues Baseball Käppchen und auch der Bart und die Haare waren relativ kurz gehalten. Unprätentiös und natürlich sein Auftreten, in keiner Sekunde ließ er raushängen, daß er nicht nur in Frankreich große Erfolge hat - eine ausverkaufte Kultlocation wie das Olympia sprechen hierfür Bände, sondern auch international bekannt ist. Er ist also sprichwörtlich auf dem Teppich geblieben, obwohl er zur Betonung seiner mit Inbrunst vorgetragenen Lieder oft auf die Zehenspitzen ging und so noch ein paar Zentimeter größer zu schien, als ohnehin schon. Äuffälig war wie feingliedrig sein Gitarrespiel war. Mit seinen langen Fingern zupfte er ganz ohne Aufwand hübsche kleine Melodien aus der Klampfe heraus, die immer zwischen Euphorie und Melancholie hin- und her tänzelten. Zu der Musik von Herman Dune kann man lachen oder weinen, je nachdem in welcher Verfassung man gerade ist und die Stücke interpretiert. Witzig sind die oft ironischen und ungewöhnlichen Texte allemal, da wundert man sich, was Yaya so alles durch den behüteten Kopf schießt!(einmal rief er textlich mehrfach aus: "I was drunk, but not from the wine!") Der Kerl hat Komikertalente, keine Frage und zum Entertainer taugt er auch, obwohl er eigentlich keine großen Ansprachen hält. Er sagt es halt eben alles in seinen Liedern. Als schließlich noch sein Saxofon spielender Musikerkollege Q hinzukam, wurde es besonders komisch, denn der bärtige Glatzkopf hatte die Angewohnheit, beim Spielen ein Beinchen zu heben, wie ein Hündchen, das pinkeln muss. Die beiden nebeneinander, ein Bild für die Götter!

Bleibt abzuwarten, wie das neue Material schließlich klingen wird, wenn es mit der Band performt wird. Ich bin gespannt!

Nach kurzer Pause ging es mit dem einzigen nichtfranzösischen Act des heutigen abends weiter. Ob es eine konkrete Beziehung zwischen dem Ground Zero Plattenladen und The Low Anthem aus Providence, Rhode Island, gibt, entzieht sich meiner Kenntnis, Fakt ist aber, daß man mit den Amis ein Glückslos gezogen hatte! Sie bereicherten den ohnehin schon hochklassigen Abend ungemein. Eine feine Sache, wenn man bedenkt, daß die Karten für diese Veranstaltung überschaubare 13 Euro gekostet haben und daß man dafür über 3 1/2 Stunden Musikgenuß bekam. Und ein Genuß war es in der Tat, The Low Anthem zuzuhören! Teilweise bereits als die neuen Fleet Foxes etikettiert, zeigten die drei Musiker, daß sie stilistisch breitgefächert und eigenständig sind und ihr Repertoire sowohl sehr leisen und intimen Folk als auch stampfenden Bluesrock umfasst. Der erste Song erinnerte mich an Simon & Garfunkel, der zweite wiederum an Bon Iver. Welch betörendes Falsett bei diesem traumhaft schönen Lied namens Charlie Darwin! Ben Knox Miller schaffte es, mich emotional so stark zu berühren, wie es in letzter Zeit nur Justin "Bon Iver" Vernon vermochte. Ich fühlte mich wie in Watte gepackt und störte mich auch nicht mehr weiter daran, daß das Publikum wieder einmal auf dem Fußboden rumsaß, was ich nicht ausstehen kann. Mir schlafen davon nämlich die Füße ein und nach eingeschlafenen Füßen klangen The Low Anthem wahrlich nicht! Als sie mit Home I'll Never Be einen von Tom Waits inspirierten Blues-Stampfer abfeuerten, merkte man, daß sie auch rocken können. Aufstehen und im Takt mitwippen, wäre insofern die probate Antwort der Meute gewesen, aber die Leute blieben am Boden kleben. Mehr Bewegung gab es auf der Bühne, da wurden nämlich munter die Instrumente gewechselt. Die talentierte Jocie Adams fing zunächst am Schlagzeug an, spielte dann aber auch Gitarre, Klarinette und Crotales. Crotales, was iss'n das? Nun, das wußte ich vorher auch nicht, ich hielt das Instrument, daß Jocie mit einem Geigenbogen von unten nach oben strich, für ein Vibraphon, lag damit aber falsch. Ben Know Miller wiederum performte an der Akustikgitarre, spielte auch jeweils einmal Orgel und Horn und blies auch desöfteren in eine Mundharmonika. Jeff Prystowsky schließlich zupfte den riesigen Kontrabass und klimperte ab und an auf der Orgel.

3 Multitalente also, die mit Ticket Taker und To Ohio auch noch zwei formidable Lieder (und ich zitiere jetzt nur Beispiele, Ausfälle gab es nämlich keine) auf Lager hatten. Die muss man genau im Auge behalten, eine klasse Band!

Als dritter Starter wurde im Anschluß der aus Bordeaux stammende Franzose Kim ins Rennen geschickt. Ich hatte den Burschen mit der Prinz Eisenherz Frisur bereits einmal vor ein paar Monaten in einem Pariser Privatclub gesehen und er hatte mir recht gut gefallen. Sein Konzert wurde aber damals von einer laut plappernden Beth Ditto gestört, die im Baron zusammen mit ihrer Band Gossip eine Aftershow- Party abhielt. Kim hatte jedoch souverän reagiert und in einer Szene Beth mit seinem Banjo gejagt, um ihr zu signalisieren, daß Ruhe sein solle. Die Ditto redete aber trotzdem ungeniert weiter...

Mit mehr Disziplin und Aufmerksamkeit waren heute die Besucher in der Maroquinerie bei der Sache. Kim machte allerdings deutlich mehr Lärm als vor ein paar Monaten, als er unplugged gespielt hatte. Heute hatte er zwei Burschen der Band The Alb dabei und zu dritt rockten sie ziemlich wild ab. Die Songs von Kim sind catchy und schwungvoll und stimmlich erinnerte er mich zumindest gestern an Jack "The White Stripes" White. Stilistisch will er sich partout auf kein Genre festlegen, er wechselt zwischen Indie, Folk, Elektropop und Bluesrock wild hin und her. Ein Phänomen dieser Kim, der aus einer Musikerfamilie stammt und schon an die 20 (!) Alben (genauer gesagt 17, demnächst 18) veröffentlicht hat. Und dies mit 32! Kein Wunder, daß man da kaum nachkommt. Sicher erkannt habe ich deswegen auch nur den Hit When The River Turns Around und den eingängigen Neuling She's A Lion. Ein Großteil des fetzigen Sets dürfte letztlich vom neuen Album Mary Lee Doo gestammt haben.

Ich behalte Kim weiter im Auge, der Kerl ist umtriebig und spielt übrigens auch bald in Deutschland.

Konzerttermine von Kim in Deutschland:

14. Dezember, Lolita Bar, Kassel
15. Dezember, King Georg, Köln
16. Dezember, Cafe Galao, Stuutgart

Als letzte Band trat schließlich Yeti Lane aus Paris auf. Spaßvögel bezeichnen das rein männliche Trio auch gerne einmal als Ben sans Cyann, weil Yeti Lane aus den gleichen Musikern wie die Vorgängergruppe Cyann & Ben besteht, bloß ohne die Sängerin Cyann, die eine Solokariere starten möchte. Cyann & Ben waren bei Kritikern schon immer höchst beliebt und für alle drei Alben hagelte es Sterne in diversen Fachmagazinen. Auch die britische Musikjournaille liebte diese Formation und so wundert es nicht, daß in der aktuellen Ausgabe des NME die hochgradig tolle Single Lonesome George in den höchsten Tönen gelobt wird. "The debut single from this parisian trio sounds like Pavement playing a Neu! Song with Grandaddy. Oh, and it's about a tortoise. What's not to love?" riefen die Briten verzückt aus und liegen mit dieser Einschätzung goldrichtig. In der Tat ist Lonesome George ein unfassbar guter Song mit riesigem Suchtfaktor und man findet darin auch tasächlich Elemente des amerikanischen Indierocks, des Krautrocks und des poppigen Folksongs. Aber auch andere Stücke auf dem Debütalbum sind gelungen, wenngleich etwas weniger eingängig. Und die Liveumsetzung ist äußerst präzise und tight, Yeti Lane spielten wie immer wie ein schweizer Uhrwerk! Eine eingespielte Truppe, bestehend aus dem Gitarristen und Sänger Ben Pleng, der auch in der Band von Herman Dune dabei ist, dem zweiten Sänger LoAc, der neben Gitarre und Bass auch noch die Synthesizer bedient und dem stoischen Drumme Charlie, der mit einem unfassbaren Tempo und einer ungeheuerlichen Genauigkeit trommelt.

Neben Lonesome George ragte aus dem Set auch Twice heraus. Ein psychedelischer, düsterer, perkussiver Tornado, der ein wenig an die Dodos, aber auch Interpol erinnert und mit einer enormen Wucht daherkam. Viele Leute waren hinterher von dem Konzert sehr angetan, obwohl es auch Stimmen gab, denen der Stoff zu wenig greifbar war. Aber das ist ja gerade das tolle bei Yeti Lane. Genau wie damals bei Cyann & Ben gewinnen die Songs bei jedem Hördurchgang und werden igendwann zum ständigen Begleiter.

Ich bekenne mich hiermit zum Fan von Yeti Lane!

Fazit: Eine rundum gelungene Geburtstagsfete für einen Plattenladen, bei dem ich eigentlich noch viel öfter einkaufen sollte. Hier kocht Mutti nämlich noch selbst! Auf die nächsten fünf Jahre!

Setlist Yeti Lane, La Maroquinerie, Paris:

01: Solar
02: Only One Look
03: Twice
04: First-Rate Pretender
05: Black Soul
06: This Day
07: Space
08: Waiting
09: Lonesome Georg

10: Think It's Done (Z)



Für gute Sachen darf man ruhig werben:

Ground Zero
Disquaire Indé à Paris
23, rue Sainte Marthe,
75010 Paris



1 Kommentare :

Christoph hat gesagt…

Ach, Herman Dune! So eine wunderbare Band!!

 

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