Mittwoch, 9. Dezember 2009

Noah & The Whale, Paris, 08.12.09


Konzert: Noah & The Whale

Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 08.12.2009
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer: 65 Minuten


An einem graunen und verregneten Dezembertag, an dem Mädchen mit ausgeprägtem Gruppie- Gen zu Julian "The Strokes" Casablancas ins Bataclan gegangen sind, Leute mit martialischen (sadistischen?, masochistischen?) Neigungen bei den filigranen (lol) Rammstein in Bercy waren und Nerds zu Battles ins Elysée Montmartre getigert sind, zog es die netten Mädchen und die romatischen Jungs zu Noah & The Whale in die Maroquinerie. Obwohl weder nett, noch Mädchen und schon gar nicht Romantiker, fand ich mich bei Letztgenannten wieder.

Die Maroquinerie war schon sehr gut gefüllt, als ich gegen 20 Uhr 10 eintraf. Da wird immer wieder über die Krise der Musikindustrie berichtet und in Paris sind am gleichen Abend mindestens drei Konzerte restlos ausverkauft. Da wundert man sich schon ein wenig über die allgegenwärtige Jammerei...

Bis Noah & The Whale aber an den Start gingen, musste ich mich noch eine Weile gedulden. Zunächst spielten nämlich noch aus Bordeaux stammende Franzosen und die waren gar nicht mal so schlecht mit ihrem britisch klingenden Retro Sound. Sehen konnte ich sie allerdings kaum, denn überall standen Leute rum, die mir die Sicht auf die Bühne versperrten. Und wie hießen sie überhaupt?

Die angespannte Platzsituation änderte sich natürlich auch in der Folge nicht, denn die jungen Girlies in den ersten Reihen dachten gar nich daran, ihre attraktiven Plätze aufzugeben. Schließlich wollten sie Sänger Charlie Fink und die anderen Bandmitglieder von Noah & The Whale aus nächster Nähe anhimmeln. Stellte sich bloß die Frage, ob Charlie überhaupt wieder bereit ist, mit anderen Mädels zu flirten, nachdem seine letzte Beziehung (war das wirklich mit Laura Marling?) in die Brüche gegangen ist und er auf dem aktuellen Album The First Days Of Spring Krisenbewältigung betreibt. Kaum ein Song, in dem es nicht um sein gebrochenes Herz, die daraus resultierende Einsamkeit und die Hoffnung, daß die Auserwählte zu ihm zurückkomt, geht. Aber Herzschmerz und andere schwierige Lebenssituationen waren schon immer ein idealer Nährboden für gute Popsongs und so verhält es sich auch mit dem neuen Material von Noah & The Whale. In den Stücken steckt jede Menge Dramatik, Zerissenheit und Melancholie, aber auch Hoffnung, Schönheit und Romantik. Wesentlich komplexer sind sie geworden, die vier jungen Männer aus London. Statt kurzen knackigen Popsongs wie auf dem ersten Album, servieren sie nun aufwändig gestaltete Liedstrukturen, bei denen es oft am Anfang ruhig und leise zugeht, bevor sich am Ende die ganze Spannung entlädt und laute Gitarren um die Wette heulen. Noah & The Whale goes Potsrock! Die neuen A Silver Mount Zion sind sie natürlich deshalb noch nicht, aber der Wandel ist schon frappierend. Zum Glück vergessen sie aber die kleinen feinen Melodien nicht, die ihren Sound so charmant klingen lässt. Schade insofern, daß heute in der Maroquinerie die Tonqualität nicht sehr gut war. Der Sound war übersteuert, es gab zu viele dumpfe Bässe und die Violine hörte man vor allem zu Beginn kaum. Es ist aber auch gar nicht so leicht, pompös arrangierte Stücke wie Love Of an Orchestra live perfekt umzusetzen. Es fehlte an weiblichen Stimmen, um den Chorgesang der Platte nachzubilden und so war der Song leider nur mittelmäßig gelungen. Es gab aber auch einige sehr postive Momente. Blue Skies ließ es nicht an Dramatik mangeln und Stranger sorgte auch textlich für Erheiterung. Als Charlie die Anfansgzeilen "Last night I slept with a stranger" intonierte, johlten ein paar Mädels laut auf (was sie sich wohl erhofften?) Mit Abstand bestes Stück eines Sets, in dem neben einer elektrischen Zahnbürste auch die Pedal Steel Gitarre zum Einsatz kam und Tom Hobden seine Geige links liegen ließ, um Piano zu spielen, war aber The First Days Of Spring. Ein fulminanter, grandios aufgebauter Postrock Song, bei dem am Ende alle Zügel gelockert wurden und Charlie auf die Knie sank.

Auch die einzige Zugabe wußte zu überzeugen. My Broken Heart glänzte vor allem durch die wundervolle Geigenmelodie, die Tom sehr virtuos aufs Parkett zauberte.

Ein insgesamt guter Auftritt einer jungen Band mit viel Potential, das noch nicht vollends ausgeschöpft wurde. Die werden uns in Zukunft noch viel Freude bereiten, dessen bin ich mir sicher!


Setlist Noah & The Whale, La Maroquinerie, Paris, 8/12/09*:

01: Slow Glass
02: Give A Little Love
03: Blue Skies
04: Jocasta
05: Love Of An Orchestra
06: Rocks And Daggers
07: Our Window
08: My Door Is Always Open
09: Stranger
10: The First Days Of Spring

11: My Broken Heart

* erneut wurde 5 Years Time ausgelassen. Richtig so! Ein Hit, richtig, aber so etwas brauchen nur Mainstreamhörer. Stattdessen haben Noah & The Whale nun richtig gute, komplexe Songs. Ein Tralala- Sommerhit wie 5 Years Time passt nicht mehr zu der erwachsen gewordenen Band...

Aus unserem Archiv:

Noah & The Whale, Paris, 18.09.09
Noah And The Whale, Haldern, 14.08.09
Noah And The Whale, Paris, 20.11.08
Noah And The Whale, Paris, 28.03.08




 

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