Freitag, 16. April 2010

Daniel Johnston, Paris, 15.04.10


Konzert: Daniel Johnston

Ort: Le Bataclan

Datum: 15.04.2010

Zuschauer: ich glaube, es war nicht ausverkauft

Konzertdauer: 75-80 Minuten



Prima Konzertangebot erneut in Paris, an diesem 15. April 2010. Die Wild Beasts in der Maroquinerie, Blood Red Shoes im Nouveau Casino, Foals im Trabendo und Daniel Johnston im Bataclan. Da hatte man als Musikfan die Qual der Wahl. In solchen Fällen entscheidet man sich am besten pragmatisch: man bleibt zu Hause! So hatte ich es zumindest eingeplant. Dann aber bot mir die nette Uschi eine Karte an und ich schlug zu. Schließlich hatte ich Daniel Johnston noch nie live gesehen. Eine Lücke, die es zu füllen galt.

Was sagt man als Novize nun zu Daniel Johnston, will man seinen Stil Leuten erklären, die ihn noch nicht kennen? - Der Bursche passt nicht ganz in die engen Höschen von Johnny Borrell, hat eine etwas windschiefe Stimme (zudem lispelt er) und verfügt über ein, nun ja ... eher unkonventionelles Gitarrenspiel! Er kam übrigens mit einem ganzen Orchester, bestehehend aus insgesamt 11 Musikern und erntete am Ende standing ovations. Warum? Weshalb? Erklärungen demnächst auf diesem Kanal...

Satz des Abends von Daniel Johnston: "This is a tribute song to Sparklehorse. Unfortunately Mark Linkous could'nt make it to to the show tonight!" So nüchtern und humorvoll trauert man um Freunde, wenn man selbst weiß, wie sich Depressionen anfühlen und wozu sie führen können...

Also warum gab es nun am Ende standing ovations für Daniel Johnston? Nun, man muss wissen, daß das Pariser Publikum ein Herz für Außenseiter hat. Das habe ich schon immer bewundert und geschätzt. Ein Menschenschlag, der so schön und wohlgeformt wie die Franzosen im Allgemeinen und die Pariser im Speziellen ist und dennoch voll hinter den vermeintlich Häßlichen und Benachteiligten steht, das ist schon toll! Aber wir reden hier nicht von Mitleid, sondern von Menschlichkeit und Anerkennung von Kunst, die nicht bis in den kleinsten Notenschlüssel ausgeklügelt ist. Man schätzt in Frankreich die kleinen Schwächen, das Unfertige, Unperfekte. Aalglatte Persönlichkeiten und Künstler, die ihre Show gut geölt, aber ohne Leidenschaft herunterleiern, mag man weniger. Paradoxerweise war das heutige Konzert von Daniel Johnston für (Alt)- Fans schon fast zu harmonisch und ausgewogen. Grund hierfür war die Anwesenheit des 11 köpfigen Beam Orchesters, das den hochproduktiven* Sänger/Songwriter und Comiczeichner auf dieser Tour unterstützte. So meinte dann auch Uschi hinterher folgendes: "Das war mir zu viel Sound und Schnörkel, wo ich Wahrhaftigkeit und Schönheit in spröder Form erwartet hatte. So wie die akustischen, Gitarren geschrammelten Lieder halt." Ein nachvollziehbares Statement wie ich finde. Mit den geschrammelten Liedern meinte Uschi übrigens die Anfangsphase in der Daniel Johnston nach einem Endlos- Instrumentalintro seiner Band alleine auf einer kleinen Gitarre kratzte und dabei mächtig schief klang. Aber genau das wollten einige Leute wohl sehen. Und nur das. Ich hingegen hatte gegen die orchestrale Begleitung nun wirklich nichts einzuwenden. Die Instrumentierung war immer ausgewogen, nicht zu wuchtig oder raumgreifend und ließ noch genug Platz für die brüchige Stimme des Amis. Und dieses fragile Kehlchen hatte es mir besonders angetan. Plötzlich wußte ich, von wem Wayne "The Flaimg Lips" Coyne seinen nahegehenden Gesangsstil abgekupfert hat: Von Daniel und niemand anderem! Kein Wunder, daß er sich genau wie Kurt Cobain und viele andere als Fan outete. Es gib für diese Fantum aber auch genug Gründe. Das zynische und dennoch liebevolle Songwriting des Songwriters, die vielen Gedanken , die er sich über die Absonderlichkeiten des Lebens macht (It's A Wicked World) und seine authentische und natürliche Art. Bei der Ballade Worried Shoes hatte er mich am Rande der Tränen ("And then one day I looked around and I found the sun shining down and I took off my worried shoes and the feet broke free I didn't need to wear") und auch an anderen Stellen musste ich manchmal hart schlucken. Besonders am Ende, als ich am bestuhlten Publikum vorbei (die Herrschaften hatte mehr bezahlt als die Steher) ganz nah an den Bühnenrand vordrang und sah, wie der bullige Kerl am ganzen Körper wie Espenlaub zitterte und mit der Hand so heftig wackelte, daß ihm fast das Mikro aus der Hand fiel, war ich emotional getroffen. Ahnungslos wie ich war, wußte ich nicht was ihm fehlte. Hat der Künster Parkinson? Sicherlich! Aber ich bin kein Arzt und möchte die Frage nicht weiter vertiefen. Daß Johnston leidet, wurde wohl jedem hinreichend klar. Umso schöner dehalb, daß er seine tolle Kunst, seine wundervollen Melodien und seine Gedanken mit uns teilt!

Dieses Konzert mit Daniel werde ich wohl nicht so schnell vergessen, auch, oder gerade weil es alles andere als perfekt war.


Setlist Daniel Johnston, Le Bataclan, Paris:

01: Speeding Motorcycle
02: Keep Punching Joe
03: High Horse
04: Mind Movies
05: Must
06: Syrup Of Tears
07: Desperate Man Blues
08: Worried Shoes
09: Living Life
10: Wicked World
11: Try To Love
12: Devil Town
13: Love Enchanted
14: Walking The Cow
15: Lost Without A Dame
16: Light Of Day
17: Hey Joe
18: Fake Records Of

19: Beatles
20: True Love Will Find You...

21: ?





Danke an Uschi für die obigen Videos!

- Das Klienicum mit einer kurzen, aber schönen Notiz zu Daniel Johnston, klick!
* er hat mindestens 40 Alben veröffentlicht. Eine gute Übersicht über seine Diskographie gibt es hier



3 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Es war auch mein erstes Mal : )

Try To Love hat Daniel als letzte Nummer gebracht.

Bisous! Uschi

E. hat gesagt…

sehr schön! danke für die videos!

Anonym hat gesagt…

Schoener Bericht, merci!
Du triffst es wie immer genau mit deinen Worten.

Das Zittern kommt von den Psychopharmaka, die D.J. nimmt, damit er auf Tour gehen kann. Die haben ihn auch so dick werden lassen.

Ich hab fast alles mit meinem Fotoapparat gefilmt und die Setlist etwas korrigiert, wenn Du erlaubst, Oliver?

- Speeding Motorcycle – 9 min. instrumental
- Keep Punching Joe
- Lost In My Infinite Memory - solo
- There Is A Sense Of Humour Way Beyond Friendship – solo
- Mask - solo
- Is And Always Was - solo
- High Horse
- Mind Movies
- Must
- Syrup Of Tears
- Desperate Man Blues
----
- Worried Shoes (mit Big Band? weiss nicht, war rauchen)
- Living Life (mit Big Band? weiss nicht, war rauchen)
- Wicked World
- Devil Town (instrumental? weiss nicht, war auf dem WC)
- Love Enchanted
- Walking The Cow
- Lost Without A Dame
- Light Of Day
- Hey Joe
- Fake Records Of Rock’n’roll
-----
- True Love Will Find You In The End
- Sarah Drove Around In Her Car – a capella
- Try To Love

Beatles hab ich nicht gehoert; Try To Love kam am Ende.

Bises, Uschi

 

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