Mittwoch, 26. Oktober 2011

Thees Uhlmann, Köln, 25.10.11


Konzert: Thees Uhlmann
Ort: Live Music Hall, Köln
Datum: 25.10.2011
Zuschauer: so gut wie ausverkauft
Dauer: Thees Uhlmann gut 90 min, Imaginary Cities gut 35 min


Wahrscheinlich ist es vollkommen uncool, Thees Uhlmann gut zu finden, schließlich ist sein Debütalbum ein kommerzieller Erfolg. Spätestens aber nach seiner Teilnahme am Bundesvision Songcontest müssen die Indiereflexe sofort ausschlagen und die Flucht anordnen. Fremder Leute Coolness Definitionen jucken uns hier allerdings nicht die Spur, ich werde also reinen Gewissens von diesem großartigen Konzertabend schwärmen.

Ursprünglich hatte das Konzert im tollen Bürgerhaus Stollwerck stattfinden sollen. Dort war es allerdings so schnell ausverkauft, daß eine Höherverlegung in die Live Music Hall nötig war. "Ich bin früher dauernd in die Live Music Hall gegangen und habe Konzerte gesehen. Daß wir hier spielen und so viele da sind, ist geil," kommentierte Thees später. Er nahm eh immer wieder Bezug auf seine (Studien-)
Zeit in Köln, mit Schwerpunkt Kneipenlandschaft. Beispielsweise kokettierte Thees damit, eigentlich mit einem Auftritt im Blue Shell oder Stereo Wonderland gerechnet zu haben (in die 50 bis 100 Zuschauer passen), mit Aftershowparty beim Bäcker am Chlodwigplatz.

Die Zeiten der 50 bis 100 Zuschauer sind vorbei (und werden es auch noch eine Weile sein). Als ich um neun ankam, war die Bude schon eklig voll, einen anständigen Platz zu finden, schwierig. Gleichzeitig mit mir kamen Imaginary Cities aus Kanada auf die Bühne. Imaginary Cities stammen aus Winnipeg und klingen auch so. Dieser Eindruck bestätigte sich etwas später, als Gitarrist
Rusty Matyas erzählte, daß er vor ein paar Wochen mit seiner anderen Band, den Weakerthans, nebenan im Underground gewesen sei. Manchmal klang Sängerin Marti Sarbit nach Kate Nash, meistens hatten die Lieder aber rockigeren Schmackes. Besonders die mehrstimmigen Stücke taugten enorm viel. Schönster Moment war eines der letzten Lieder. Rusty erzählte, daß er vor dem Weakerthans Konzert durch Ehrenfeld gegangen sei und plötzlich Kirchenglocken geläutet hätten. Er spielte uns das mit seinem Diktiergerät vor. Das habe ihn dazu animiert ein Lied darüber zu schreiben, The bells of Cologne! Wundervoll! Einzig das Stück mit dem Refrain "Water under the bridge" war ein Ausfall, es erinnerte zu sehr an Kirmesmusik, das hatte aber all der Rest locker kompensiert.

Ein toller Auftakt und wieder ein Kanada-Länderpunkt.

Kurz nach zehn dann der Hauptteil des Abends. Thees Uhlmann erschien erst
alleine, zückte die Mundharmonika und trötete los. Als aus dem Intro Römer am Ende Roms wurde, kam auch die restliche Band dazu, Pianistin Julia Hügel, Schlagzeuger Markus Perner, Bassist Hubertus Steiner und die beiden Gitarristen Nicolai Potthoff und Tobias Kuhn.

Die Instrumentierung machte die Stücke nicht nur auf dem Papier druckvoll, das Konzert war rockig - und von Beginn an fabelhaft! Zu den beiden Gitarren kam oft noch die dritte von Thees dazu, immer dann wurde es besonders gut. Allerdings hatte der beste Moment des Konzerts nichts mit Musik (aber mit Gitarren) zu tun. Als der Sänger nämlich seine nach
Lat: 53.7 Lon: 9.11667 loswerden wollte, schmiß er sie quer über die Bühne zum Helfer. Das sind in der Live Music Hall vielleicht sechs Meter. Ehrenurkunde bei den Bundesjugendspielen!

Das Lied über seine niedersächsische Heimat kommentierte Thees auch sehr komisch. "Ist jemand aus Frechen hier? Aus Bergheim? Wir kommen doch alle nicht aus der großen Stadt sondern aus beschissenen Dörfern." Recht hat er, wie in so
vielem. Auf die Frage nach Frechen brüllte übrigens jemand zurück, seine Tante komme von da...

Daß der
Tomte*-Sänger gerne erzählt, merkte man schnell. Mal Witze, mal Erlebnisse mit Olli Schulz (vermutlich reden die sich dabei gegenseitig an die Wand), es war sehr komisch. Nach einem der Witze sagte er zwar "lustiger werde ich heute nicht", das war aber gelogen.

Thees und Band spielten alle Titel der im August erschienen Platte. Da auf "Thees Uhlmann" keine Ausfälle sind, war das eine gute Idee. Erweitert wurde der reguläre Teil durch Tomtes New York. Besonders gut waren dabei natürlich die Hits Jay Z oder Die Nacht war kurz, schlecht war aber wie erwähnt an diesem Abend gar nichts. Beim ersten Hören der Platte hatte ich den Auftaktsong Zum Laichen... platt gefunden. Beim zweiten Mal hatte ich es mir schöngehört, live mit vielen Gitarren und laut, wird das Lied mit der überschaubaren Melodie ein echter Kracher!

Zur ersten Zugabe kam Thees alleine zurück und spielte Das hier ist Fußball, seine St. Pauli Hymne, am Ende auf den hiesigen FC, der keine gute Woche hatte, umgewandelt. Nachdem mit Paris im Herbst das geplante Programm durch war, die Live Music Hall aber nicht genug hatte - und der vollkommen verausgabte Thees auch nicht, kam er noch einmal, rief die Band zurück und sagte, das sei jetzt wie bei einem Talentwettbewerb der Sparkasse Frechen, sie hätten nichts mehr und müssten ein Lied noch mal spielen, wie eine Schülerband. Also gab es noch einmal für den Heimweg die laichenden Lachse.

Von Thees' bejammerter Nervösität war den Abend über nur einmal etwas zu merken, als er Wish you were here von Pink Floyd anstimmen wollte. Er bestand darauf, daß erst die green fields, dann die blue skies kämen. Weil ihn die Klugscheißer im
Publikum verbesserten, beendete er den Ausflug! "Ich bin so nervös!" Viel mehr als seine Aufregung spürte man, wie sehr in die fast ausverkaufte Live Music Hall bewegte. Obwohl... "Als ich im Zug an der Lanxess Arena vorbeigefahren bin, haben ich gesagt 'ne, heute nicht hier', ich muß in der Live Music Hall spielen.'"

Ich habe vorher unterschätzt, wie gut das Konzert werden würde. Der Auftritt war ein Knüller! Besser als Fußball.

Setlist Thees Uhlmann, Live Music Hall, Köln:

01: Römer am Ende Roms
02: Das Mädchen von Kasse 2
03: Lat: 53.7 Lon: 9.11667
04: Vom Delta bis zur Quelle
05: Sommer in der Stadt
06: New York (Tomte)
07: Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf
08: Die Nacht war kurz (Ich stehe früh auf)
09: 17 Worte
10: & Jay-Z singt uns ein Lied
11: Die Toten auf dem Rücksitz

12: Das hier ist wie Fußball (Z)
13: Paris im Herbst (Z)

14: Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf (Z)**


* für google
** "Wir machen das jetzt wie eine Schülerband: wir spielen ein Lied noch mal. Wir haben nicht mehr!"




4 Kommentare :

Oliver Peel hat gesagt…

Mit Tomte konnte ich ja nie was anfangen. Mit Coolness hat das aber rein gar nichts zu tun. Eher mit der seltsamen Nörgelstimme von Thees und den schwachen Texten.

Bezüglich des Solowerks muss ich mich enthalten, ich kenne es nicht.

Oliver Peel hat gesagt…

Lass dich durch mein Genörgel aber keinesfall vom Schwärmen abhalten, Christoph!

Frank hat gesagt…

Du kennst meine Meinung zum d... Uhlmann, Christoph.
Bin also sehr gespannt, was ich ab heute Mittag hier lesen werde!

jrz hat gesagt…

Bin ja großer Tomte- und eigentlich auch Thees-Fan. Fand das Konzert gestern aber doch ziemlich durchwachsen und Thees (anders als seine Band) offensichtlich nicht in bester Verfassung. Die dazu passenden Kommentare von Thees ("bin so nervös", "Angst, Angst, Angst", "Live Music Hall ist doch zu groß zu uns", "Das ist mein erstes Konzert in Köln", "das war erbärmlich", "kein souveräner Auftritt") trafen den Auftritt ganz gut. Nächstes Mal vielleicht doch lieber im Stollwerck?

 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates