Sonntag, 22. Juli 2012

Phono Pop Festival, 2. Tag, Rüsselsheim, 21.07.12

Festival: Phono Pop
Ort: Altes Opelwerk, Rüsselsheim
Datum: 21.07.2012 (Tag 2)


von Gudrun aus Karlsruhe

Es ist immer wieder lustig: Sobald man (bewußt oder unbewußt) ein Bild davon hat, wie ein Tag wird, kommt es meist ganz anders. Zum Beispiel ein zweiter Festivaltag, wo man sich doch nach dem ersten Tag wie ein alter Hase fühlt...

Immerhin - meine im ersten Bericht geäußerten Wünsche wurden am zweiten Tag des Phono Pops aufs schönste erfüllt:
1) die Stimmung war weiter so gut und
2) das Wetter hielt sich nicht nur,
es wurde über Nachmittag und Abend immer besser. Ab dem Set von Talking to Turtles schien fast die ganze Zeit die Sonne. Wirklich ein Geschenk des Himmels für dieses wunderbare Festival!

Selbstverständlich war musikalisch alles top (wie erwartet und besser).

Aber an diesem Tag lag das Opel Werksgelände in der Einflugschneise des Frankfurter Flughafens. Die Anlage ließ dem damit verbundenen Fluglärm nicht wirklich eine Chance, sich störend auszuwirken, aber mein inneres Kind musste immer wieder fasziniert auf die zum greifen nahen Riesenvögel zeigen und sich daran ergötzen: Schau mal noch eins und noch eins und wie groß DAS ist... Und wenn dann zu den ersten Akkorden von U.F.O so eine richtig fette Boeing den Adamshof überfliegt und sich auch das Brummen in die Musik einfügt ist das ein ziemlich abgefahrenes Gefühl.

Waren am ersten Tag für mich die musikalischen Highlights wirklich dicht an dicht gesetzt (und dass ich ein Set ausgelassen hatte, um wenigstens etwas zu trinken und zu essen bereute ich dann schon fast nach begeisterten Berichten über das entgangene Konzert), lief der zweite Tag überhaupt nicht so perfekt durchgetaktet. Es ging schon mit etwas Verspätung auf der Hauptbühne los und damit klappte es ohnehin nicht mit dem fliegenden Wechsel.

Vielleicht lag es aber auch ein Stück weit daran, dass schon so viel Musikerlebnisse ''im Sack'' waren, dass ich an diesem zweiten Tag einiges entspannter unterwegs war. Ich habe mir mehr Zeit genommen, um mit Leuten zu reden und zu essen und zu trinken und hatte mit den vollständig erlebten Sets von Yesterday Shop, Talking to Turtles und Rue Royale drei wunderschöne Konzerte obenauf zu zu legen, ohne mich so abzuhetzen wie am ersten Tag. Dazu ein paar Eindrücke von anderen Konzerten, die zwar nicht zählen als Konzerterlebnis, aber für die positive Grundstimmung des Festivalerlebnisses.

Drittens war es die Rücksicht auf die eigenen Kraftreserven. Ich hatte mich frühzeitig entschieden, auf die letzten Sets zu verzichten, um noch eine vernünftige Zugverbindung nach Hause nutzen zu können und nicht nachts Wartezeit auf obskuren Bahnhöfen zu haben (immer wieder gern genommen: Bruchsal um 1:39 Uhr). Somit kann ich hier nicht vom grandiosen Abschied mit Nada Surf berichten. Aber wenn ich sage, dass auch ganz ohne dies der zweite Tag rundum einfach nur toll und gelungen war, sagt dies doch auch etwas aus über das Festival: denn hier gab es einfach keine zum aufwärmen benutzten acts, die mal bißchen üben sollten, sondern hier ging es gegen 16:15 Uhr gleich richtig zur Sache und das Prinzip wurde facettenreich durchgezogen bis zum Höhepunkt gegen Mitternacht (den Höhepunkt glaube ich hier Christoph einfach mal unbesehen!).

Die jungen Männer von Yesterday Shop spielten ein zugleich energetisches wie inniges Set. Die Musik gefiel mir so gut, dass ich mir die verfügbare EP mit nach Hause genommen habe. Es war sehr Gitarren-bestimmt aber zwischendurch immer wieder mit diesen Wendungen ins Euphorische die einerseits für so ein Sommerkonzert schön sind, aber auch von CD im Wohnzimmer gut bei mir funktionieren. Dies war also ein klarer Aufmerker für mich und eine Liveempfehlung an die werte Leserschaft.

Richtig toll fand ich dann das Set von Talking to Turtles. Ich verstieg mich gleich anschließend zu der Behauptung: Besseres wird kaum noch nachkommen können (natürlich rein subjektiv, wie immer hier).

Auch mit etwas Abstand betrachtet, stimmte dies. Zwischen Claudia Göhler am Keyboard (Akkordeon, Xylophon und ein paar Knöpfen) und Florian Sievers an den Gitarren entstand während der musikalischen Darbietung sozusagen deutlich sichtbar ein Geflecht an hin und her fließender Energie. Sie erzählten eine gemeinsam verarbeitete Lebensgeschichte als Musik für das Publikum nachvollziehbar. Dargereicht um sich darin zu spiegeln und daraus sinnvolle Schlüsse zu ziehen (sicher mehr mit dem Bauch als dem Kopf, aber ich weiß nicht, wie der Bauch redet), um darüber zu lächeln, wie sehr sich manches gleicht und was man für schöne Worte dazu finden kann. Irgendwie gestärkt kam ich mir im Anschluss vor.

Und Claudia Göhler strahlte und strahlte und machte uns alle glücklich. Die Frau am E-Bass stand ein bißchen wie daneben und ließ sich auch vom freundlichen Lächeln nicht anstecken. So macht halt jede/r ihrs/seins...

Was mir übrigens auch ein besonderer Genuss war: das war das erste
Konzert auf dem Phono Pop das ich ohne Gehörschutz geniessen konnte.

Ein Programmpunkt, der mich sofort für das Lineup des Phono Pop eingenommen hatte, war dass Rue Royale dort spielen würden. Als wir uns zuletzt in Göttingen sahen, hatte ich noch das Werbematerial ausgehängt, nun war es tatsächlich so weit, dass wir uns auf dem Festival wieder sehen und hören würden.

Es war nett, Rue Royale schon vorher im Festivalgetümmel zu treffen und kurz zu sprechen. Dies war zu einem frühen Zeitpunkt, als es wirklich noch sehr ruhig war und die Geschichte mit dem Wetter noch etwas unentschieden. Trotzdem schienen sie sich wohl zu fühlen.

Ich habe sie ja im laufenden Jahr schon mehrfach erleben dürfen. Nie ist ein Konzert wie ein anderes, aber hier in Festivalathmosphäre haben sie mich doch noch einmal richtig überrascht. Die bekannten Lieder waren hier noch eine Spur energetischer und für das viel größere Publikum mit passendem Druck präsentiert. U.F.O wurde direkt zur Stadionhymne und Crater in den Wechseln zwischen sehr leise und intim zu herausrufend esktatisch ein Abschluss, nach dem es dem Publikum
sichtlich schwer fiel, nun ohne Zugabe gehen zu müssen.

Im Publikum sah ich einige Fans mitsingen, aber auch alle anderen, denen der Name bis dahin nicht viel gesagt hatte, ließen sich mitnehmen und schließlich mitreißen und Rue Royale wurden wirklich abgefeiert. Alle die dabei waren können bezeugen, dass diese zarte Frau am Keyboard und der Mann mit Gitarre und Fußtrommel das Phono Pop zu ihren Füßen liegen hatten und im Energielevel den Jungs-Gitarren-Bands nichts schuldig blieben.

Hinterher bildete sich am Merch eine richtige Schlange und es gab viele glückliche Gesichter - nicht zuletzt das von Ruth. Was diesmal etwas fehlte war das Wortgeplänkel zwischen den Liedern. Beide wirkten sehr konzentriert und wollten den Zeitrahmen wohl auch möglichst genau einhalten. Neben Talking to Turtles war dies das einzige Set, was ich ohne Ohrschutz genießen konnte. Das geht also auch auf einem Festival!

Fazit der zwei Tage in Rüsselsheim:
Einen großen Dank an die Organisatoren!
Ein großer Dank an alle Bands und Mitkonzertbesucher für die schöne Zeit zusammen! Schön auch, dass die Bahnfahrer gut dran waren.

Ich fühle mich noch Glücks-trunken und werde wohl eine Weile brauchen, um alles gut weg zu sortieren als Vorrat für schlechtere Zeiten und ich würde gern wiederkommen.

Offene Wünsche gibt es nur wenige:
Weniger Lautstärke, mehr Damentoiletten und ein klein bisschen Verschnaufpause eingebaut, damit man auch mal am Merch schauen kann und sich nicht sorgen muss, ob es an der anderen Bühne vielleicht schon losgegangen ist.

Setlist Rue Royale, Phono Pop Festival, Rüsselsheim:

01: Get me Standing
02: Parachutes
03: Guide to an escape
04: Even in the darkness
05: Halfway blind
06: We'll go on alright
07: U.F.O.
08: Crater

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