Dienstag, 30. Oktober 2012

I Like Trains, Köln, 29.10.12


Konzert: I Like Trains
Ort: Gebäude 9, Köln
Datum: 29.10.2012
Zuschauer: rund 200
Dauer: gut 80 min
 


So verwirrt hat mich lange kein Konzertabend mehr zurückgelassen. Die Frage, wie der Auftritt von I Like Trains heute im Gebäude 9 war, ist leicht zu beantworten, er war hervorragend. Aber warum? Hätte ich die Setlist vorher gekannt, wäre ich vielleicht zu Hause geblieben, zumindest wäre ich aber enttäuscht gewesen. Von meinen Lieblingen, die, das muß ich fairerweise gestehen, fast ausnahmslos von der Debüt-EP und -Platte stammen, spielten die Nordengländer kaum etwas. Dafür lag der Schwerpunkt, zumindest in meiner unmittelbaren Wahrnehmung auf dem zweiten Album, das zweifellos mit Abstand das schlechteste der Band ist. Diese programmatischen Schwächen wurden dann sicher durch brillanten Sound weggewischt? Nein, wurden sie nicht. Der Klang war weitestgehend ok, manchmal schlechter aber nie besser.


Trotzdem war es ein tolles Konzert. Keine Ahnung warum! Vielleicht bin ich toleranter geworden und sehe ein, daß eine Band gefälligst die Stücke spielen darf, auf die sie Lust hat und nicht die, die ich hören will. Und daß, wenn man wie I Like Trains seinen Stil fließend ändert, man als Band lieber das neuere, aktueller dem eigenen Geschmack entsprechende Material mag. Wären I Like Trains noch in der Stainless steel Phase (düsterer geht es nicht), klänge auch das dritte, wieder gute Album schließlich sehr viel dunkler. Oder es liegt an meinem miesem Gedächtnis. Ich weiß zwar noch, wie I Like Trains (als iLiKETRAiNS) damals waren (irre toll!), habe da aber wohl nur noch vage Erinnerungen, die nicht ausreichen, das heutige Konzert blaß erscheinen zu lassen.

Ich glaube, meine Verwirrtheit konnte ich gut darstellen, Erklärungen habe ich aber nicht. Es bleibt also die Erkenntnis, daß es ein sehr gutes Konzert war.

Warum auch immer.

Ok, ich trete noch mal nach... Die ausgelassenen Hits ergäben eine schöne Setlist:

- Twenty five sins
- A divorce before marriage
- Stainless steel
- The deception
- We go hunting
- We all fall down
- Victress
- The Beeching Report
- Spencer Perceval
- Death of an idealist

I Like Trains traten um kurz nach zehn auf. Ihre Eisenbahner-Jacken scheinen sie endgültig eingemottet zu haben, die Musiker trugen schwarze T-Shirts und Hosen. Das Lineup scheint unverändert zu den Konzerten, die ich zuletzt vor zwei Jahren gesehen hatte. Also Schlagzeug und bei drei Gitarren und Bass bei den älteren Liedern bzw. zwei Keyboards und zwei Gitarren bei den neueren (vereinfacht). Allerdings täuschte das einige Male. Bei Stücken, bei denen ich sicher war, daß bei ihnen Keyboards eingesetzt würden, gab es prlötzlich nur Gitarren. Der elektronisch klingende Rhythmus wurde einzig und allein vom überragenden Schlagzeuger Simon Fogal erzeugt.

Einer der Clous der ersten Tournees waren die bildlichen Unterstützungen der Songs. Die alten Lieder erzählen alle Geschichten von Tragödien und von großem Scheitern. Da ist 25 sins, die Geschichte des großen Feuers in London erzählt ("this time the French are not to blame"), Terra nova über das Rennen zum Südpol ("explorations last great price") oder mein Liebling, das Doppel The deception und Victress, zwei Lieder über unterschiedliche Teilnehmer eines Segelrennens um die Welt Ende der 60er Jahre, bei dem einer der Skipper betrogen hat (The deception), ein anderer (der der "Victress") sich von ihm wegen dessen falscher Positionsangaben verfolgt fühlte und sein angeschlagenes Boot weitertrieb, bis es sank. Diese Lieder untermalten I Like Trains mit eigens dafür gemachten Filmen, die die düsteren Geschichten (und den düsteren Klang) perfekt ergänzten.


Jetzt gab es auch wieder Filme und Animationen hinter der Bühne. Das hatte ich zuletzt vermisst. Die Videos waren hübsch, es fehlte ihnen aber der Pfiff von früher. Naja weitestgehend. Zu The shallows vom neuen Album lief ein Film, in dem offenbar eine Apple-Fabrik in China und viele iPhones vorkamen - vermutlich kein Werbevideo. Dazu leuchteten aber überall im Publikum Telefone auf, was sehr komisch war.

Wenig überraschend nach der kurzen Einleitung, daß mir A rook house for Bobby (über den tragischen Bobby Fischer) und The voice of reason (über denjenigen, der versucht hatte den englischen König zu töten, der dafür verantwortlich ist, daß in den USA solch ein dreckiges Englisch gesprochen wird) am Anfang mit Abstand am besten gefielen. Dagegen reichte meine Toleranz für Progress is a snake nicht mehr, das Stück von zweiten Album war das mit Abstand schlechteste der Show.

I Like Trains leben von den zuckenden Gitarrenwänden, von Tempowechseln, von den weit aufgerissenen Augen von Sänger David Martin beim Singen der Lieder (bei Sirens ("eyes wide open") war das besonders toll!).

Schade, schade, daß wir (Band und ich) einen in den entscheidenden Momenten dann doch so unterschiedlichen Geschmack haben. Wie gut wäre das Konzert erst gewesen, wenn statt einiger der mittelalten Lieder uralte gekommen wären! Spencer Perceval statt These feet of clay und The decpetion statt Progress is a snake...

Aber ich bin kein vollkommener Fundamentalist. Eines der großartigsten Stücke war Reykjavik vom aktuellen Album, dessen minutenlanges Gitarrenende am Ende des Sets sagenhaft gut war! Welch ein Knüller!

Es folgte leider nur noch Sea of regrets als einzige Zugabe. Das Lied ist das stärkste von der zweiten Platte, also war der Abschluß sehr gut, er kam aber unvermittelt, es hätte noch eine Weile weitergehen können. Da David das Gebäude 9 als ihr zweites Zuhause bezeichnete (ein Gefühl, das ich zu gut nachvollziehen kann)*, und weil er den Dom immer noch nicht besichtigt habe, kommen I Like Trains sicher bald zurück. Auch dann wird es wieder großartig, egal wie die vierte Platte werden wird!


Eines der Lieder, das mir fehlte (25 sins), griff wenigstens die Vorgruppe Der Rest thematisch auf. Auch die Hamburger Band mit den unterkühlten Ansagen und den manchmal sehr viel zu rockig klingenden Instrumenten sang über eine brennende Stadt. Heften geblieben beim gut halbstündigen Set des Trios sind mir aber vor allem die Zeilen "das Universum atmet, darum atme mit. Dieses eine Leben, ist alles, was wir sind" über die ich jetzt näher nachdenken muß.

Setlist I Like Trains, Gebäude 9, Köln:

01: Beacons
02: Sirens
03: A father's son
04: The shallows
05: A rook house for Bobby
06: We saw the deep
07: The voice of reason
08: The hive
09: Progress is a snake
10: We used to talk
11: Mnemosyne
12: Terra nova
13: These feet of clay
14: Reykjavik

15: Sea of regrets (Z)

Links:

- aus unserem Archiv:
- I Like Trains, Wien, 24.10.11
- I Like Trains, Köln, 19.01.11
- I Like Trains, Haldern, 15.08.09
- I Like Trains, Köln, 06.03.09
- I Like Trains, Düsseldorf, 28.11.08
- iLiKETRAiNS, Frankfurt, 15.04.08
- iLiKETRAiNS, Paris, 08.04.08

- iLiKETRAiNS, Köln, 16.11.07
- iLiKETRAiNS, Paris, 31.10.07

- iLiKETRAiNS, Paris, 12.10.06

* ich war da aber auch lange nicht mehr auf den Toiletten 


5 Kommentare :

Konzerttagebuchschreiber hat gesagt…

Allein der Sound war alles andere als brilliant! War wohl auch bei den Konzerten davor so...

Konzerttagebuchschreiber hat gesagt…

ich meine: auf der jetzigen Tour.

Anonym hat gesagt…

Der Sound war für G9-Verhältnisse eher durchschnittlich, dafür fand ich "Progress is a snake" grandios.
Die Perzeption der Band ist freilich etwas merkwürdig. Zu Anfangszeiten hat sich scheinbar niemand für die Band interessiert, und sie spielte in fast leeren Hallen. Die erste EP gilt aber dennoch für viele als bestes Output der Band.

Christoph hat gesagt…

Ich weiß nicht, ob das die Anfangszeit war, ich habe sie 2007 im Gebäude 9 gesehen, nach Erscheinen der ersten Platte, die stilistisch ja genauso wie die 2006er EP ist. Da waren auch schon 200 Leute im Gebäude 9. Ich kann das also nicht so ganz nachvollziehen, tinker.

Markus Berlin hat gesagt…

Eigentlich wollte ich über das Konzert in Berlin einen Bericht schreiben. Leider hat (der in meinen Augen und Ohren) miserable Sound mir das Vorhaben völlig verhagelt.
Es war so unerträglich laut, das Schlagzeug hat alles übertönt und die Stimme war teilweise nur zu erahnen.

Es ist schade, dass sie schöne Musik live dann doch so verhunzt wurde.

Die Berliner Setlist sah wie folgt aus:

Beacons
Shallows
Fathers
Rock
Sirens
Voice
Water / Sand
MNEMO
The Hive
451
Terra
Feet
Reykjavik

 

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