Mittwoch, 13. Februar 2013

Dinosaur Jr., Frankfurt, 12.02.13


Konzert: Dinosaur Jr.
Ort: Batschkapp, Frankfurt
Datum: 12.03.2013
Zuschauer: ausverkauft
Dauer: Dinosaur Jr. gut 90 min, Trümmer 35 min



Auch in der Ruhe zu Hause höre ich kein Dauer-Piepsen, meine Ohrenschützer haben gute Dienste getan! Puh! Es war laut in der Batschkapp, es war sogar verflucht laut, Dinosaur Jr. spielten vermutlich eines der lautesten Konzerte, die ich bisher gesehen habe (unangefochtene Nummer eins sind immer noch die Charlatans, denen ich nie solchen Lärm zugetraut hätte). J Mascis und Co. sind bekannt für brachial lärmende Shows, ich war also gut vorbereitet und hatte die heftigsten Filter in meine Ohrstöpseln gepackt. Die hatten Premiere und sollen in vier Wochen dann bei My Bloody Valentine zeigen, was sie taugen.


Um acht begann mit Trümmer das Vorprogramm. Es ist gerade in der deutschen Indieszene in, sich kurze (sprich zweisilbige) Bandnamen zu geben. Messer, Zucker, Trümmer... Über Zucker, das Hamburger Duo, das ich als Support der Sterne kennengelernt habe, und deren damals einzige Veröffentlichung, eine Split-Musikkassette hatte ich den Namen Trümmer zum ersten Mal aufgeschnappt. Die dreiköpfige Band stammt aus Hamburg und besteht aus Sänger und Gitarrist Paul Pötsch, Bassist Tammo Kasper und Schlagzeuger Maximilian Fenski. Die Vornamen der drei lassen schon auf ihr Alter schließen (post-Kevin), Trümmer sind sehr jung. Vielleicht spiegelt sich das ein wenig in ihren Texten wider, die enthielten mir zu viele Textbaustein-Floskeln, musikalisch merkte man der Band ihre Jugend zumindest nicht im negativen Sinne an, Trümmer klangen enorm gut - reif, als stünden sie bereits seit sehr vielen Jahren auf der Bühne. Auch wenn ich es nicht gewußt hätte, ich hätte die Musiker in Hamburg angesiedelt, auch wenn sie eine Ecke rockiger und schneller spielten als die bekannten Hamburger Schule Bands. Am meisten Spaß machte mir - gute Musik hin oder her - das Gesicht von Schlagzeuger Maximilian! Der Trommler bewegte seinen Mund so intensiv, als singe er mit. Machte er aber nicht, er bewegte den Mund anders als Paul. Entweder kostet Trommeln so viel mehr Luft, daß er sehr intensiv atmete, oder Maximilian sang irgendwelche anderen Lieder während des Schlagzeugens. Es sah jedenfalls herrlich aus!


Niedlich waren die winzigen Lautstärker, die Trümmer dabei hatten. Strenggenommen hatten die normale Größen, neben den imposanten Boxentürmen der Hauptgruppe wirkten die Trümmer-Verstärker aber wie Stecknadelköpfe auf einen Fußball! 


Nach 35 Minuten war Schluß, das Equipment von Dinosaur Jr. stand auch schon an seinem Platz, es dauerte also nicht sonderlich lange, bis der Soundmann die Regler ganz hochfahren konnte. Die wichtigste Vorbereitung bestand eigentlich daraus, aus vier hochkant untereinandergelegten DIN A4-Zettels J Mascis' Setlist zurecht zu puzzeln. Auf jedem Blatt standen vier Worte in Schriftgröße 150 Pkt*, zum Beispiel

WATCH
CRUMB
RUDE
THERE



Das war Js 1,20 m lange Setlist, offenbar der miesen Augen des Musikers geschuldet. Krach scheint also auch schlechtsichtig zu machen.

Es war mein erstes Mal Dinosaur Jr., obwohl ich die Band gerne mag. Sie zählt nicht zum engeren Kreis meiner Lieblingsbands, ich mag sie aber viel lieber als einige Kollegen, die ich häufig gesehen habe. Also sind die Amerikaner in den letzten Jahren auf meiner Todo-Liste immer weiter nach oben geklettert. Trotzdem hätte ich vielleicht bei Alternativen auch diese Gelegenheit versäumt, weil ich mir (unterbewußt) wahrscheinlich nicht vorstellen konnte, wie mir eine Band, die dermaßen brachial-laute Konzerte spielt, live Spaß machen kann, auch wenn ich sie auf Platte mag. Laut ist ja eigentlich immer gut, aber anstrengend laut kann viel Spaß nehmen.


Dinosaur Jr. spielen seit einigen Jahren wieder in der ursprünglichen Besetzung (J Mascis, Lou Barlow, Murph). Alle drei sind sehenswerte Erscheinungen. Murph, der Schlagzeuger, kam in T-Shirt und Badeshort auf die Bühne, deren zur Schleife gebundenes Zugband er erst einmal wieder öffnete, als er hinter seinem Instrument saß. Er ließ sie aber an, obwohl es kurz anders aussah. Mit seiner Glatze und den Strandklamotten könnte er auch bei Right Said Fred oder am Ballermann beschäftigt sein. Sobald es jeweils losging, drosch er so energisch und fachlich perfekt (soweit ich das beurteilen kann) auf seine Trommeln ein, daß der Malle-Look gar nicht weiter auffiel. Vor den Zugaben verschwand er noch einmal kurz hinter die Boxenwände (alleine deshalb sind die eine geniale Idee!), als seine beiden Kollegen schon wieder ein wenig losschrammelten, und holte sich etwas zu essen, das er dann energisch im Mund verarbeitete. Meine Lieblingsszene ansonsten war seine Suche nach immer mehr Drumsticks. Er suchte suchte sich irgendwann einen neuen Stoß Stöcke aus einem Depot hinter den Verstärkern, testete die kurz und verteilte sie. Das waren sicher zehn Paar Sticks. Sein Roadie brachte aber sofort noch einen ganzen Schwung Nachschub. Bei einer Omma hätte man gesagt "Nachkriegsgeneration hortet gerne", hier erschien es schwer erklärbar, weil Murph nicht so viele Sticks durchprügelte, aber warum auch nicht. Die stammen sicher aus klimaneutralem Anbau.


Lou Barlow sieht wie ein nach der Geburt getrennter Zwilling von Markus Acher (The Notwist) aus mit seinem wilden Lockenkopf und dem Vollbart. Der Notwist-Frontmann geht zwar live auch aus sich heraus, sein amerikanischer Zwilling sticht ihn aber locker aus. Bassisten sind durch ihr Instrument (glaube ich laienhaft) ja nicht unbedingt prädestiniert, wild über die Bühne zu hüpfen. Lou spielt zum einen den schnellsten Bass, den ich seit langem gesehen habe - seine linke Hand raste über die Saiten - er hüpfte auch so wild über die Bühne, daß meine Fotos von ihm alle wie langzeitbelichtete Autoscheinwerfer aussehen. Ein paar Lieder sang der Bassist alleine, ein paar gemeinsam mit seinem Frontmann. Für Ansagen war allerdings Lou Barlow alleine zuständig. "Habt ihr einen Kater?", weil wir so leise waren. "Seid ihr auch heute verkleidet rumgelaufen?" Irgendwann ließ er das, weil das Publikum kaum reagierte, etwas, das ich jetzt öfter beobachtet habe. Die Musiker müssen denken, daß wir sie nicht verstehen.


J Mascis ist das Gegenteil von Lou. Er bewegt sich wenig und behäbig, guckt meistens zwischen Zottelbart und fissiligem Haar nach unten. Die einzig schnellen Bewegungen machen seine Hände - und die sind sehr schnell! Js Gesang war zu hören, er war aber kaum zu verstehen, weil alles um ihn herum so unendlich viel lauter war. Dabei hatten die Roadies vorher die beiden mittleren Monitorboxen zum Publikum gedreht. "Das ist nur Js Stimme" hatten sie erklärt. Beim letzten Soundcheck war das Gesangsmikro darauf auch zu hören, während des Konzerts war der Nutzen aber eher homöopathisch.


J Mascis erinnerte mich an Christopher Lee (er sieht auch ungefähr gleichalt aus). Während des Konzerts aus unmittelbarer Nähe fiel mir aber ein, daß er einem anderen Star fast noch mehr gleicht: Adler Sam aus der Muppet Show! Wahnsinnig gut gefiel mir, daß J offenbar sehr modebewußt ist. Passend zu seinen Turnschuhen hatte er ein brombeerfarbenes Stromkabel in seiner Gitarre stecken - wundervoll! Meine Lieblings-J-Szene war vor dem Beginn eines Stücks, als Murph und Lou bereits loslegen wollten, J auch wie üblich schon ein paar Takte angeschlagen hatte, dann aber ohne irgendeinen Kommentar abbrach, zur Box ging, einen Schluck Wasser trank, zurückschluffte und wieder die ersten Takte des Stücks spielte!

Laut war alles! Besonders laut und schnell wurde es aber, als Lou ein Stück der Hardcore-Band Deep Wound ankündigte, in der er mit J gespielt hat. "Wir waren schnell, wir waren sogar sehr schnell!" - "Heute sind wir zu alt, wir spielen daher ein langsameres Stück", das so langsam war, wie der Abend ruhig.

Und wie war es jetzt musikalisch? Hmmm, keine Ahnung, um ehrlich zu sein. Meine Ohrhörer steckten so tief drin (der Druck war trotzdem gut zu spüren), daß es musikalisch kein erstklassiges Vergnügen war. Ohne Ohrenschutz wäre es das auch nicht gewesen, das werden die vielen Zuseher ohne Stöpsel im Ohr heute und in den nächsten Tagen merken. Das Konzert war aber trotzdem jeden Cent wert, weil ich meistens geahnt habe, welches Lied gespeilt wurde.

Als ich nach dem Ende meine Stöpsel aus den Ohren genommen habe, beruhigt erfolglos aufs Summen wartete, lief von Band My Bloody Valentine...

Setlist Dinosaur Jr., Batschkapp, Frankfurt:

01: Thumb
02: Almost fare
03: The wagon
04: Don't pretend you didn't know
05: Watch the corners
06: Crumble
07: Rude
08: Out there
09: Feel the pain
10: Training ground (Deep Wound)
11: Budge
12: Start choppin'
13: Freak scene
14: Forget the swan

15: Just like heaven (The Cure Cover) (Z)
16: Sludgefeast (Z)


* (habe ich natürlich ausprobiert, sonst tauchen wir demnächst noch im Visier von Plagiatsjägern oder ähnlichem lichtscheuen Volk auf)



6 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

der zweite song war "almost fare".

Christoph hat gesagt…

Danke!

Anonym hat gesagt…

So laut fand ich's gar nicht, auch ihne Ohrstöpsel. Dafür fand ich die Batsche so extrem überfüllt, dass es mir jeden Spaß genommen hat und ich vor der Zugabe gegangen bin.

Oliver Peel hat gesagt…

Setlist.fm sagt, daß der zweite Song Come hieß. Und Nummer vier war wohl Waiting.

http://www.setlist.fm/setlist/dinosaur-jr/2013/batschkapp-frankfurt-germany-73dbc6cd.html

Christoph hat gesagt…

Was willst Du von einer Seite erwarten, die nur abschreibt. Song vier z.B. war Don't pretend you didn't know, das mit "waiting on the top" beginnt. Wegen des maulwurfblinden Sängers hat man wohl auf die Setlist nur "Waiting" geschrieben, da auf Js Liste alle Lieder auf ein Wort abgekürzt waren.

Daß Du setlist.fm "wohl" mehr glaubst als mir, beleidigt mich ein wenig.

Oliver Peel hat gesagt…

Viele Konzertgänger glauben Setlist.fm, mir sind Setlisten egal:) Und ich wollt ja nur mal nachfragen, gell?

 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates