Sonntag, 3. Februar 2013

Kraftklub, Chemnitz, 27.12.12



Konzert: Willkomen Zuhause Festival mit Kraftklub und anderen
Ort: Stadthalle, Chemnitz
Datum: 27.12.2012

Von Tanita

„Willkommen Zuhause Festival“ in Chemnitz: Raus aus der Familienkrise – rein ins Vergnügen! 



 So oder so ähnlich lautete das Motto unter dem Kraftklub, Casper und K.I.Z. in ihren jeweiligen Heimatstädten – Chemnitz, Bielefeld und Berlin – am 27. Dezember zeitgleich ihre eigenen „Willkommen Zuhause Festivals“ mit befreundeten Acts wie Sizarr, Cannibal Koffer, Rocky Votolato, Prinz Pi oder Slime abhielten. Trotz großem Frust darüber, dass ich den großartigen Rocky Votolato, der bei Casper in Bielefeld spielte, diese Mal nicht live erleben durfte, machte ich mich nach 3 Tagen Daueressen im Kreise der Familie voller Vorfreude auf die willkommene Abwechslung auf in Richtung Chemnitz – das „Willkommen Zuhause Festivals“ in Karl-Marx-Stadt als perfekter Abschluss meines Konzertjahres 2012. 


Während die Straßenschilder immer geringere Kilometerstände bis Chemnitz anzeigten, fiel mir auf, dass ich Kraftklub tatsächlich dieses Jahr 12 Mal live gesehen habe – und das durchaus beabsichtigterweise! Keine andere Band hat 2012 wohl so einen Hype ausgelöst, wie diese 5 sympathischen jungen Herren, die mit „Mit K“ gleich im Januar ihr von Fans und Kritikern sehnsüchtig erwartetes Debütalbum präsentierten. Und meiner Meinung nach vollkommen zurecht! Selbst wer dem Album wenig bis gar nichts abgewinnen kann und nur geklaute Riffs von den Hives , Strokes, Arctic Monkeys oder Franz Ferdinand moniert, der sollte sich selbst und Kraftklub fairerweise den Gefallen tun, sich einfach mal eine Liveshow anzusehen: pure Energie und unfassbare Freude! Dementsprechend gespannt war ich auch auf den Abend mit erfreulicherweise sehr abwechslungsreichem Line-Up: eine Cover-Band namens Cannibal Koffer, mit Le Corps Mince de Francoise eine finnische Elektropopband, Sizarr, eine deutsche Band, die einfach so gar nicht deutsch klingt und schlußendlich die Gastgeber selbst – Kraftklub! Natürlich immer noch mit K. 

Die Lokalität des Festivals gestaltete sich etwas seltsam, vor allem für Menschen meiner Generation, die die DDR nicht mehr „live“ miterlebt haben, weshalb die Stadthalle in Chemnitz schon rein architektonisch das geboten hat, was man sich als Nicht-Zeitzeuge in etwa ausmalt. An dieser Stelle sei mir ein kurzer Kommentar zu Chemnitz an sich gestattet – einfach, weil ich mich eingehend mit der Band Kraftklub und ihren Wurzeln beschäftigt habe und aufgrund der Schilderungen von Tristesse und alten Menschen in diversen Interviews vom absolut Schlimmsten ausgegangen bin: so furchtbar war es jetzt aber auch nicht! Und den Karl-Marx-Kopf fand ich persönlich – wiederum im Schein einer naiv gezeichneten DDR-Vergangenheit – sehr kurios! 

Nun aber zurück zum Wesentlichen. Die Bühne wurde an diesem Abend eröffnet von Cannibal Koffer, die eigener Aussage zu Folge Lieder spielen, die keiner hören will – aber so, dass man sie hören will. Ein Mann mit Gitarre und dazu ein Mann mit Schlagzeug, das allerdings tatsächlich aus einem Koffer besteht, was erstens den Bandnamen erklärt und zweitens die Ursprünge der Band als Straßenmusiker widerspiegelt. Mit einer wahnwitzigen Mischung aus Coverversionen von Katy Perrys „California Girls“ bis zu Eminems „Lose Yourself“ wurde dem Publikum so richtig etwas geboten. Auch wenn sich die meisten anfänglich aufgrund der grenzwertigen Titelauswahl zu recht zierten, waren am Ende wirklich alle begeistert und genau das erfüllt, was eine Vorband im Idealfall schaffen sollte, nämlich für richtig gute Stimmung zu sorgen. 

Das genaue Gegenteil wurde dann eindrucksvoll durch Le Corps Mince de Francoise demonstriert. Ich hatte mich im Vorfeld nicht weiter über die finnische Girlband informiert und wollte mich einfach überraschen lassen, doch meine grundsätzliche Skepsis gegenüber Mädchenbands hat sich leider auf ganzer Linie bestätigt. Für mich persönlich leider sehr einfallslos, stimmlich zu schrill und tatsächlich auch viel zu laut. Das das allgemeiner Konsens im Publikum der Stadthalle war, zeigte sich daran, dass große Teile des Publikums nach einigen Songs frustriert Richtung Bar flüchteten und manche sogar leider sehr respektlos ihrem Unmut laut Luft machten. Die gute Stimmung hatte sich auf jeden Fall erstmal so richtig in Luft aufgelöst. Sehr schade war es deshalb, dass dieser misslungene Auftritt, die Performance der nachfolgenden großartigen Band Sizarr nicht gerade erleichtert hat. 

Zugegebenermaßen passen die ruhigen, atmosphärischen Klänge von Sizarr eher nicht in den Rahmen eines solchen Festivals, vor allem, wenn man sie dem Sound der Headliner direkt gegenüber stellt. Dennoch konnten Sizarr die Menge umstimmen und viele der Anwesenden haben sich irgendwo zwischen Indie-Rock und Electropop wiedergefunden. Mit „Purple Fried“, „Run Dry“ und „Boarding Time“, möchte ich nur drei großartige Titel aus dem erst Ende 2012 erschienenen Debütalbum „Psycho Boy Happy“ nennen, die mich sowohl auf Platte, als auch live absolut begeistert haben. 



Nach den 3 etwa 30 minütigen Sets der Support-Acts war es nun endlich Zeit für Kraftklub. Wie in wahrscheinlich allen drei Gastgeberstädten der „Willkommen Zuhause Festivals“ ein spannender Moment, da die Künstler aufgrund des besonderen Anlasses in der Heimatstadt vor Freunden und Familie zu spielen, doch sichtlich nervöser waren, als bei manch anderem Auftritt. Gerade bei Kraftklub, die sehr stark mit ihrer Heimatstadt in Verbindung gebracht werden, auch ein besonderer Moment für die teilweise weitangereisten Fans, in Karl-Marx-Stadt bei dem gleichnamigen Lied lautstark mitsingen zu dürfen. Das mag jetzt fürchterlich kitschig klingen, aber in solchen Momenten breitet sich ein sonst unbekanntes und im Alltag leider selten gewordenes Zusammengehörigkeitsgefühl aus und es macht einfach nur Spaß ein Teil einer Menschenmenge zu sein, die einstimmig voller Begeisterung schreit: „Iiiiiich komm aus Karl-Marx-Stadt, bin ein Verlierer Baby, Original-Ostler!“ Trotz Herumspringen und Tanzen ist mir nicht entgangen, wie sehr sich die Band sichtlich über diesen verständlicherweise für sie wichtigen oder schönen Moment gefreut hat und auch das mag kitschig klingen, aber als euphorischer Fan, freue ich mich sehr, wenn man den Künstlern auf der Bühne wahres und ungespieltes Glück und Freude darüber, was man gerade zusammen erlebt, ansehen kann. Meiner Meinung nach, ein noch vorhandenes, aber auch eher rar gewordenes Phänomen. Doch genau das ist einer der Gründe warum es mich immer und immer wieder zu Kraftklub Konzerten gezogen hat und diesen Sommer auch wieder ziehen wird - diese ganz besondere Art von Begeisterung, die einfach nur ansteckend ist! Da mir das gewohnte Set von Kraftklub im Laufe ihrer Herbsttour schon sehr ans Herz gewachsen ist, könnte ich es wohl komplett aus dem Gedächtnis wiedergeben und ausführlich darlegen, warum ich welchen Song unfassbar toll finde. Da das bei fast 20 Liedern doch etwas monoton ist, nun meine Mischung aus „All-Time-Favourites“, die ich einfach jedes Mal absolut wahnsinnig finde und Songs, die an diesem Abend nochmal auf andere Art und Weise besonders waren. Bei Kraftklub ging es an diesem Abend schon gewohnt albern mit einem Intro los, das irgendwo zwischen Filmvorspann und Zusammenschnitt aus lustigen Youtube-Video-Geräuschen liegt und den ersten Song „Ritalin“ einleitet - wie immer der perfekte Start in die erste Runde (von mindestens 15 Runden!) Mitsingen und Mitspringen. Das gesamte Publikum folgt im Tanzstil meistens der souveränen Darbietung von Frontmann Felix, der mich jedes Mal aufs Neue damit beeindruckt, dass er unfassbar alberne Tanzbewegungen so hinbekommt, dass sie einfach nur – platt formuliert – „cool“ aussehen und er generell nicht auch nur eine Sekunde während des Konzerts nicht 1000% Alles gibt. Da „Mit K“ praktisch nur aus erfolgreichen Hits besteht, feiert (man verzeihe mir diese Wortwahl, aber in diesem speziellen Kontext ist das der einzig angebrachte Ausdruck!) das Publikum jeden einzelnen Song, von „Liebe“, über „Melancholie“ und „Eure Mädchen“, bis zu „Lieblingsband (Oh Yeah)“. Bei dieser Auflistung fällt mir einfach wieder nur auf, wie unbeschreiblich die Stimmung auf jedem einzelnen der Konzerte von Kraftklub war und ich jedem nur dringlichst empfehlen kann und muss, das einmal live mitzuerleben. Bei „Lieblingsband“ aber bitte aufpassen, dass man nicht in der jedes einzelne Mal vom Publikum mit voller Inbrunst ausgeführten „Wall of Death“ (wahlweise auch liebevoll von Felix als „Wall of Intelligenz“ bezeichnet) verloren geht! Zu meiner großen Freude sind im Set auch immer viele „alte“ Songs von der „Adonis Maximus“ EP zu finden, die es nicht in neuer Version aufs Album geschafft haben, wie z.B. „Randale“, „Ich hau rein“ und mein persönlicher Favorit „Schlagerstars“. „Schlagerstars“ demonstriert perfekt, wie ironisch Kraftklub ihre Umwelt in ihren Texten zeichnen, aber noch viel wichtiger, wie viel Sinn für Selbstironie sie haben. Für den kleinen Textstreber, der in mir schlummert, war es auch toll, dass ich dieses Mal nicht fast alleine „Hallo Bernd Bass!“ schreien musste. Falls jemals ein anderer Kraftklub-Fan diesen Text lesen sollte, Du weißt sicherlich ganz genau, was ich meine! Komplett frei von Ironie mein absolutes Lieblingslied von Kraftklub und Highlight der Highlights, „Wieder Winter“, das an diesem Abend auch noch ein letztes Mal für längere Zeit gespielt werden sollte. „Wieder Winter“ erzählt auf subtilste und genau deshalb so schöne Art und Weise die Geschichte zweier Menschen, deren Beziehung sich aufgrund der Tatsache das einer von beiden fortgegangen ist, für immer verändert und gibt mir immer ein Gefühl von Melancholie, das aber seltsamerweise kein bisschen schlimm, sondern eher schön, ist. Hinzukommt, dass man u.a. bei diesem Lied bei genauerem Hinhören feststellen muss, wie wohlüberlegt und intelligent die Texte von Kraftklub sind und sie bei Weitem eben nicht nur eine dieser kurzlebigen Popbands sind, sondern ihr Schaffen wirklich Substanz hat. Da ich den nicht enden wollenden Lobgesang auf Kraftklub nun fast selbst nicht mehr verantworten kann, nur noch kurz ein paar Worte zu den Zugaben. „Ich will nicht nach Berlin“ kennt nun mittlerweile wirklich fast jeder und vor allem das hartgesottene Pseudo-Hipster-Indiepublikum feiert die Hymne über und gegen sie mit voller Begeisterung. Kollektiver Kreischalarm und Hände in der Luft bei „Kein Liebeslied“. Noch „schlimmer“, fast nur „Songs für Liam“. Einer der Songs, die ich eigentlich reintheoretisch schon gar nicht mehr hören können dürfte, da ich Track Nummer 7 auf „Mit K“ tot gespielt und mittlerweile sogar schon kaputt gespielt habe (die CD hängt einfach gemeinerweise!). Wie auf der Herbsttour 2012 schon Tradition, erst mit Akustikgitarre und Lagerfeuer-Mitsingstimmung bis zum Refrain und dann nochmal mit ordentlich „Wumms“ und Konfettikanonen in der ekstatisch-energetischen „Standard“-Version – bis einfach alle vollkommen am Ende waren. Ich war ja ehrlich gesagt schon nach Cannibal Koffer und Sizarr begeistert und fühlte mich super unterhalten, aber Kraftklub haben einfach zum 12. Mal eine unfassbare und unvergleichliche Liveshow hingelegt, die mich jetzt schon dazu bringt die Tage bis Rock im Park zu zählen. Falls ich es im Laufe des Berichts nicht nachdrücklich genug gesagt haben sollte: Kraftklub Konzerte sind pures Glück und kein Mensch auf dieser Erde sollte sich das entgehen lassen! Wer mutig genug ist, der soll dann bitte ganz nach vorne und sich blaue Flecken holen und vollkommen schweißdurchtränkt und freudestrahlend aus der Halle marschieren, so wie ich es auch an diesem Abend wieder mit vollstem Vergnügen getan habe. 


Wer sich nicht so ganz traut, der kann sich ja vielleicht mit Hilfe des Konzertmitschnitts einen kleinen Eindruck des wundervollen Wahnsinns verschaffen: 

http://www.tape.tv/musikvideos/Kraftklub/Willkommen-Zuhause-Festival-Chemnitz 

Und ganz ausdrücklich empfohlen auch die wunderbaren Sizarr und Cannibal Koffer: 

http://www.tape.tv/musikvideos/Sizarr/Willkommen-Zuhause-Festival-Chemnitz http://www.tape.tv/musikvideos/Cannibal-Koffer/Willkommen-Zuhause-Festival-Chemnitz 

Setlist Kraftklub Ritalin/Medikinet Melancholie Liebe Juppe Eure Mädchen Zu jung Schlagerstars Mein Leben Blitzkrieg Bop (Ramones Cover) mit Cannibal Koffer Wieder Winter Randale Ich hau rein Karl-Marx-Stadt Lieblingsband (Oh Yeah) Kein Liebeslied Scheissindiedisko Ich will nicht nach Berlin Songs für Liam 





2 Kommentare :

matthias hat gesagt…

danke tanita. das hast du schoen auf den punkt gebracht. genauso habe ich es auch empfunden als ich da war. nun wird es zeit, dass die jungs etwas neues produzieren. es bleibt spannend!

Tanita hat gesagt…

Gerne! :) Ich warte auch schon gespannt auf ihren Auftritt bei Rock im Park - da wird es ja hoffentlich schon was Neues zu hören geben. Bleibt abzuwarten, ob das zweite Album wirklich so grottenschlecht wird, wie sie immer behaupten :)

 

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