Montag, 20. Mai 2013

Savages, Frankfurt, 19.05.13


Konzert: Savages
Ort: Zoom, Frankfurt
Datum: 19.05.2013
Zuschauer: 300 vielleicht (nicht ausverkauft aber recht voll)
Dauer: 56 min




"This album is to be played loud in the foreground", steht im Klappentext des Debüts der Londoner Postpunk-Band Savages. Wenn man das macht - und höfliche Menschen halten sich ja an die Vorgaben eines Künstlers - bekommt man zum Dank Gitarren um die Ohren gehauen, die hart wie Marmor sind. Shut up, das erste Stück der Platte, kracht ganz gehörig. Mein erster Griff, als ich ins Zoom kam, galt also meinen Ohrstöpseln. Auch wenn es vielleicht nicht weltbewegend gut sein würde, laut würde das Konzert werden.

Ich war um kurz vor halb zehn im Zoom; nach wenig euphorischen Kommentaren zur Vorgruppe in Köln, war mir eine späte Anreise lieber. Auf der Bühne des Clubs lief die Nebelmaschine auf Hochtouren, gruselig beleuchtet von einen Strahler. Dazu lief leise wabernde Hintergrundmusik, sehr monoton und sehr passend. Ob die Vorgruppe noch kommen sollte? Gehörte der Mann mit dem weißen Hemd und der schmalen Krawatte* zum Support? Oder war der schon durch und die Nebel-Sound-Installation war Teil des Savages-Umbaus? Ich wusste es nicht.


Erst als um zehn vor zehn vier schwarzgekleidete Frauen auf die Bühne kamen, klärte sich das Bild, allerdings nur im übertragenen Sinne, der Nebel blieb. 


Wie die Platte begann das Konzert mit Shut up, wobei die Gitarrenklänge etwas weniger bedrohlich klangen. Die Gitarre und alle anderen Instrumente wurden zwar hervorragend gespielt, sie standen aber so sehr im Schatten der Sängerin Jehnny Beth, daß sie in der Folge wenig Aufmerksamkeit bekamen. Jehnny wirkt mit ihrer Kurzhaarfrisur und ihrem Kleidungsstil androgyn wie die Ritchie-Schwestern von The Organ. Im krassen Kontrast zum Outfit bis zu den Knöchelt standen dann aber ihre Schuhe. Jehnny trug High Heels, die so gar nicht bühnentauglich wirkten. Denn die Art, wie die gebürtige Französin singt, setzte sich in ihrem ganzen Bühnengebahren fort. Sie tigerte hin und her, ruderte mit den Armen, riss den Mund auf und sang mit jeder Menge Wut in der Stimme.


Natürlich erinnerte vieles am Auftritt erschreckend stark an Joy Division, mich juckte das aber nicht. Warum sollte ich mir ein solch energiereiches, wildes Konzert, das dazu musikalisch hervorragend war, bei dem die Sängerin ihre düstere, mit starkem Vibrato ausgestattete Stimme brillant einsetzte und (für mein Ohr) jeden Ton traf, von inneren Nörgeleien, daß es das doch alles schon mal gegeben habe, verderben lassen? Savages sind ausreichend originell, um keiner ihrer Referenzen (die vermutlich auch teilweise ihre Vorbilder sind) zu nahe zu sein. Außerdem bin ich oft überzeugt davon, daß (echte) Musikjournalisten mit ihrer Referenzposerei Musiker gnadenlos überschätzen. Künstler sind in der Regel nämlich viel weniger nerdhaft als ihre Kritiker. Fragt man eine Band nach anderen Bands, von denen man überzeugt ist, daß sie die kennen muß, erlebt man oft Überraschungen. "Arcade Fire? Habe ich von gehört. Wie sind die so?" Würde mich nicht wundern, wenn Savages sich nie mit Siouxsie & The Banshees beschäftigt hätten, auch wenn Jehnny Stimme (weil sie dunkel und weiblich ist...) der von Siouxsie Sioux natürlich gleicht.


Diese sagenhaft tolle Frontfrau macht den Unterschied zwischen Savages und vielen der anderen immer mal wieder gehypten britischen Bands aus. Gute oder sehr gute Platten können viele aufnehmen, für solche Shows braucht es mehr als eine Handvoll brauchbarer Songs. Den uns so wichtigen Livetest haben Savages mit Bravour bestanden!

Der Großteil des Sets bestand aus Songs des Albums. Nur Marshal Dear und das Instrumentalstück Dead Nature (denke ich) wurden dabei ausgelassen. Außerdem spielten Savages die frühe Single Flying to Berlin und Give me a gun (von der EP I am here). Den Abschluß bildete der Mottosong ihrer Platte: Fuckers. "Don't let the fuckers get you down!" steht auch auf der Hülle des Albums. Ja, da scheint jede Menge Wut bei Savages, vor allem wohl bei Jehnny zu sein. Aber wenn sie sich Ventile wie solche Auftritte sucht, mag ich Wut! 


Die brütende Hitze im Zoom, der Starkregen auf dem Weg in den Club, die vielen nach nassem Hund riechenden Jacken um mich rum, das kurze Konzert und das konsequente Ignorieren des sehr langen Applauses nach dem letzten Stück - alles ein gerne inkauf genommener Preis für einen tollen Abend.

Saublöd ist jetzt nur, daß ich mit dem Konzert im Zoom ein Problem beim Primavera Festival am Donnerstag lösen wollte. Da müsste ich sie ja nicht mehr sehen und könnte in Ruhe Neko Case angucken. Jetzt sieht es schon wieder anders aus. Vielleicht sollte ich mal eine Runde brüllen gehen.

Setlist Savages, Zoom, Frankfurt:

01: Shut up
02: City's full
03: I am here
04: Give me a gun
05: Strife
06: Waiting for a sign
07: Flying to Berlin
08: No face
09: She will
10: Hit me
11: Husbands
12: Fuckers

* nein, das war der Tourmanager

3 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Tja, wärst du mal lieber pünktlich gekommen. Johnny Hostile war ein sehr guter Support und zwei Duette (einmal mit Gemma Thompson und einmal mit Jehnny Beth) gab es auch noch. Natürlich werden sich einige darüber aufregen, dass er nur Bass spielte und alles andere vom Band kam, aber so einen vollen Sound bekommt man von einem Solokünstler nicht alle Tage zu hören. Hat auf jeden Fall wunderbar zu Savages gepasst.

Oliver Peel hat gesagt…

Johnny Hostile? Ohne das zu überprüfen gehe ich mal davon aus, daß es sich um John von John & Jehn handelt. Und Jehn ist keine andere als die heutige französische Sängerin von den Savages. Insofern nicht verwunderlich, wenn das zusammen passt :)

Christoph hat gesagt…

Ja, das ist er!

 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates