Mittwoch, 18. September 2013

Hello Piedpiper, Sindelfingen, 14.09.2013


Konzert: Hello Piedpiper
Ort: Versöhnungskirche Goldberg, Sindelfingen
Datum: 14.09.2013
Dauer: 65 Minuten
Zuschauer: 15


 Bericht und Foto von Fabian von Gefuehlsbetont:



“Hallo Sindelfingen!”. Fabio Bacchet begrüßt den überschaubaren Kreis an Publikum gewohnt freundlich, wenn auch ironisch. Denn in der geräumigen Versöhnungskirche Goldberg (Sindelfingen) befinden sich heute nur 15 Personen, doch Fabio alias Hello Piedpiper merkt gleich nach seinem beinahe standartisiertem Konzertbeginn mit den Songs Birdsongs = Warsounds, dem Titeltrack seines einzigen Albums und The pawn that beats the drake an, dass es egal sei, ob nun hundert oder 10 Leute dabei sind. 
Alle Anwesenden haben sich im ausreichend bestuhlten Saal in der ersten Reihe niedergelassen und es entsteht ein äußerst persönliches Konzert an einem sehr speziellen Ort. Dabei ist es nicht mal der Kontrast zwischen Club- oder Kirchenkonzert, der einen gewissen Reiz mit sich bringt. Musik im Gottesdienst ist kaum wegzudenken, oftmals finden außerhalb der Reihe religiöse Musikveranstaltungen oder klassische Konzerte in Kirchen statt. In Deutschland gibt es mit der Kulturkirche Köln oder St. Peter in Frankfurt/Main auch zwei Kirchen, die regelmäßig typische Clubkonzerte veranstalten. Im Prinzip profitieren beide Seiten. 
Der Sound in einem solchen Gebäude füllt den ganzen Raum, es klingt wärmer und voller. Die Atmosphäre und die Wirkung von Kirchen beeindruckt, man ist automatisch ruhig, hat freundlichen Respekt. So ein Raum wirkt ganz anders auf einen – und er bringt Menschen mit den selben Interessen an einen Ort. In der Versöhnungskirche wird sich üblicherweise zum Gottesdienst getroffen – oder regelmäßig zu Konzerten. 
Erst vor kurzer Zeit fand in der Martinskirche Stuttgart ein Konzert mit Solo-Projekt von Chuck Ragan, dem Sänger der amerikanischen Punkrockband Hot Water Music statt. Er ist eins mit seinen Fans, die aus seiner Musik viel Kraft schöpfen. Vergleich erkannt? Man spricht von der Fangemeinde, der Club, die Kirche, die Venue sind Orte der Zusammenkunft. Hello Piedpiper feiert sie mit seinem aufmerksamen Publikum, das über eine Stunde ein bemerkenswertes Set geboten bekommt. 
Er passt sich an, der Mikrophonständer mit einem rot-gelben “Sonnen- und Sternetuch” geschmückt, steht Fabio Bacchet vor dem Altar mit jeder Menge Elektronik. Diese Elektronik, allen voran seine Loopstation, sind elementar für seine Liveauftritte. Lange schienen sie aus der Welt, verpönt, grenzüberschreitend verwendet. Hello Piedpiper könnte nicht auf sie verzichten und verwendet sie klug. Den schlechten Ruf des Loops dürfte man auf seinen Konzerten schnell wieder ablegen, denn der 33-Jährige Kölner weiß, wie man sie bedient. Per Fuß bastelt er mehrstimmige wie hymnische Background-Chöre, die er live aufnimmt und im richtigen Moment abspielt, um einen opulenten Gesamtsound zu generieren. Tonspur für Tonspur schichtet er auf den Song, während Fuß, Kopf und Hände beschäftigt sind. Das alles mit geschlossenen Augen, Rhythmusgefühl und Nonchalance. 
Hello Piedpiper ist eine Ein-Mann-Band, die mit Stimme, Gitarre, Melodika und Schellenkranz alles aus sich rausholt ohne erschlagend zu wirken. Dazu sind die melodischen Folksongs in ihrem Gewand zu leichtfüßig und treibend. Was auf Platte schon gut funktioniert, wird live perfektioniert. Die Lieder gewinnen durch die Hilfe des Loops an Dynamik, Songs wie Not waving but drowning am Ende des Sets steigert sich bis ins Unermessliche. Fabio holt aus seinen Songs das Maximum heraus, spielt sie konzentriert und mit Freude, obwohl er oft von ernsten und politischen Themen singt. Die Texte geben in ihrer Ausführung weniger Anlass zur Freude, aber die Beobachtungsgabe von Hello Piedpiper, der ausschließlich auf Englisch singt, imponiert, macht nachdenklich. 
Ab und an fordert er, versteckt den Schmerz zwischen den Zeilen. Während er diese Songs präsentiert, fühlt man mit – Fabio erklärt oftmals die Themen seiner Songs, die verschiedene Ursprünge haben. So handelt War von der Vorstellung eines Kriegs der Menschen gegen die Natur, The pawn that beats the drake ging von den Aufständen im Iran aus. Es sind sich alle im Raum bewusst, was auf dieser Welt geschieht, falsch läuft und geändert werden sollte, die Thematik liegt wahrheitsgemäß schwer im Raum und in den Köpfen. Fabio verpackt sie mit der vollen, teils klagenden Stimme treffend, löst die ernste Lage der Songs im Beifall mit seiner angenehmen Art und zeigt bei Life in Autarky oder The taciturn fool andere Seiten auf. Letzteres spielt er komplett ohne Verstärkung. Er stöpselt das Instrumentenkabel aus, tritt vom Mikrophon weg und macht einen Schritt in den Saal. Seine Stimme füllt weiterhin den Raum. Im Kerzenschein des kalten Gebäudes bittet Fabio das Publikum dann, für einen neuen Song die Augen zu schließen. Man soll während des Hörens an einen Klischee-Westernfilm denken, die Klänge untermalen Steppe, Saloons und Pferde. 
Es könnte der Soundtrack eines traurigen, aber hoffnungsvollen Films sein, als Fabio gegen Ende des Songs noch Melodika spielt. Ein weiterer neuer Song hat er während seiner laufenden Tour geschrieben, die er bis Jahresende quer durch die Republik per Zug bestreitet. Nach dem tollen Debut Birdsongs = Warsounds könnte ein Nachfolger also möglich sein. 
 Nach einer Coverversion von Sixto RodriguezSugar Man und Like the lion in the morning time ist mit dem reizenden 60′s-Hits Teenager in Love von Dion & the Belmonts, das er vor zwei Tagen noch mit Peter & Kerry und Mire Kay in Darmstadt spielte, Schluss. Lächelnd, beseelt entlässt Hello Piedpiper die Zuschauer in den Abend. ‘Cause each night I ask the stars up above: Why must I be a teenager in love?


Setlist Hello Piedpiper,  Sindelfingen:

01: Birdsongs = Warsounds 
02: The pawn that beats the drake 
03: The Fear 
04: "Western-Song" (Augen schließen) 
05: War 
06: The taciturn fool 
07: Of people and land theft 
08: Life in autarky 
09: "New song" 
10: Not waving but drowning 

11: Sugar Man (Sixto Rodriguez-Cover) (Z) 
12: Like the lion in the morning time (Z) 
13: Teenager in love (Dion and the Belmonts-Cover) (Z)


Links:
- aus unserem Archiv:
- Hello Piedpiper, Karlsruhe, 07.06.2013  (Wohnzimmerkonzert bei Gudrun) 
- Hello Piedpiper, Köln, 22.10.2012

 


 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates