Samstag, 7. September 2013

Roger Waters, Düsseldorf, 06.09.13


Konzert: The Wall (Roger Waters)
Ort: Esprit Arena, Düsseldorf
Datum: 06.09.2013
Zuschauer: ca. 30.000 (bestuhlt)




von Dirk aus Mönchengladbach

Roger Waters hat heute Geburtstag. Er wird 70 Jahre alt. Hätte eine Wahrsagerin ihm vor 30 Jahren erzählt, er würde an diesem Tag seine Wall Show in einem Fußballstadion in Düsseldorf präsentieren, wäre er wohl lachend vom Stuhl gefallen. Roger Waters mag keine Geburtstage, dies hat er in Interviews immer wieder betont. Und daher wird auch an diesem Abend nur das Erwartete geboten. Die zurzeit größte Show der Welt. 


Die Bühne ist 50 m hoch, je nach Arena bis zu 150 m breit und die Mauer besteht aus mehr als 1.000 Steinen. The Wall ist aber auch minimalistisch: keine Vorgruppe, kein Best of und keine echten Zugaben. 

Auf die Frage warum Waters die Tour noch mal mit noch mehr Aufwand und als reine Stadiontour verlängert, obwohl er das Werk vorher Jahrzehnte nicht aufführte, lautete seine Antwort: “Weil ich es jetzt kann.“ In dieser Aussage zeigt sich das immer noch verletzte Ego eines Superstars wider Willen, der bis heute den Erfolg seiner „Begleitband“ unter dem Namen Pink Floyd nicht verkraftet hat. Während Gilmour und Co. schon damals nach dem offiziellen Ausstieg von Waters die Stadien füllten, begann Waters seine Solokarriere in kleinen Hallen. 

Jetzt hat sich das Blatt endlich gewandelt. Gilmour sitzt müde auf seinem Hausboot und geht seit langem dem offen ausgetragenen Konflikt aus dem Weg. Und da Waters sein Wall-Epos für sich neu entdeckt hat, und die Technik ein Riesenspektakel in jeder Stadt der Welt möglich macht, ist der Wanderzirkus seit mehr als 3 Jahren unterwegs. Zunächst als Hallentour. Seit letztem Jahr dann zunächst in den USA und jetzt Europa nur noch in Stadien. 

Der Aufbau der Bühne ist selbst für erfahrene Konzertgänger immer wieder einmalig. Der Pink Floyd Ring incl. Leinwand wurde von fast jeder Stadionband der letzten 20 Jahre kopiert. Das Konzept der sich erhebenden, dann als Projektionswand genutzten und schließlich einfallenden Mauer bleibt einzigartig. Die Technik und der Sound sind an diesem Abend natürlich perfekt, keiner würde etwas anderes erwarten. Die Größe der Bühne ist kaum fassbar. 

Und auch thematisch wirkt das Werk aus der Sicht des Musikers Pink, der sich langsam aus seiner Welt entfremdet, erstaunlich frisch. Dies liegt vor allem an den neuen Video- und Cartoonsequenzen, die sich toll mit den ebenfalls erhalten gebliebenen Originalfilmen von G. Scarfe verbinden. 


Die Show beginnt (natürlich) mit einer der größten Materialschlachten der Bühnengeschichte. In the flesh zeigt schon fast alle Aspekte der Show und knallt den Zuschauern mit einer Wucht ins Gesicht, dass viele in Deckung gehen. Doch gleich hier zu Beginn zeigt sich auch der Schwachpunkt des Abends. Immer wieder versucht Waters mit seinen plumpen Anti-Kriegsthesen die eigentliche Geschichte zu verdrängen. Das ist schade, denn die persönlicheren, emotionaleren Stücke um den „privaten“ Pink wirken viel interessanter als die Ledermantel Führerimitation. 

So sind sowohl Mother (Roger singt mit seinem 30-Jahre jüngeren Ich aus einer damaligen Wall-Show ein Duett über die Leinwand) als auch Young Lust zum Weinen schön. Das Telefon des nicht erwiderten R-Calls knackt so laut und klar durch das Stadion, dass man erschaudert. Diese Momente machen die Show zu einem Ereignis und man vergisst rasch die schwächeren Stellen, ohne die aber auch normale Konzerte meistens nicht auskommen. 

In der Pause bestaunen die Zuschauer das errichtete Werk der geschlossenen Bühne und so mancher der älteren Herren mit Bauch fragt sich wohl, wo die fast 35 Jahre geblieben sind seit The Wall 1979 veröffentlicht wurde. Waters dagegen wirkt unglaublich fit und schlank. Auch seine gute Laune ist ansteckend und will oft nicht zur Schwere des Werkes passen. 

Weiter geht es mit der wohl besten Projektion bei Bring the boys back home über die gesamte Breite der Wand welche dann nahtlos in den von allen erwarteten Klassiker Comfortably Numb übergeht. Kein Musikfan, der dieses Gitarrensolo nicht verehrt und bewundert. Heute wird es von Waters Backingband präsentiert, die ist ebenso wie die Show perfekt aber das coole Understatement von Gilmours Präsenz wird natürlich nicht erreicht. 


Das Ende ist klar. Die Mauer fällt. Ob es für den Hauptdarsteller die gewünschte Erlösung ist, wurde auf dem Album damals nicht wirklich deutlich. Heute nutzt Waters wie bei den damaligen Live-Shows von The Wall die Trümmer zu einer kleinen, akustischen Zugabe. Mit dem Song Outside the Wall entlässt er die Fans dann doch mit etwas Zuversicht in den Abend. 

Die Frage, ob man mit 70 Jahren ein für viele Menschen so wichtiges Werk in einem Fußballstation zu Ticketpreisen von bis zu 170 EUR aufführen muss, stellt sich zum Glück erst wieder in de Bahn nach Hause. Für 2 Stunden war man in Waters damaligem Gehirn zu Gast und die Themen von Krieg, Entfremdung und psychischer Erkrankung sind heute fast dringlicher als damals. 

Plakativ, kitschig, peinlich… all das könnte man Waters an seinem Geburtstag vorwerfen, aber einem Künstler Emotionalität und Schwäche vorzuwerfen, ist sinnlos. Gerade diese Gefühle sind absolut subjektiv und für Fans der Grund lebenslanger Treue. Worüber singen eigentlich die großen Bands unserer Zeit?

Fotos: Dirk (vom Konzert 2011)




 

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