Dienstag, 8. Oktober 2013

Neil Young & Crazy Horse, Stuttgart, 22.07.2013


Konzert: Neil Young & Crazy Horse
Vorband: Okta Logue
Ort: Hanns-Martin-Schleyer-Halle, Stuttgart
Datum: 22.07.2013
Dauer: Neil Young & Crazy Horse 144 Minuten / Okta Logue 46 Minuten
Zuschauer: über 10.000


"Dann kommt ein Schlagzeug rein und treibt den Beat bis hinter meine Ohren / Ein Bass umgarnt die Bassdrum eine Gitarre drängt nach vorn  / Und irgendwo im nirgendwo pfeift ein himmlisches Feedback" - Kid Kopphausen -

Besser als mit diesen Zeilen aus Kid Kopphausens „Das leichteste der Welt“ könnte man ein Neil Young-Konzert mit Crazy Horse nicht beschreiben, dachte ich, als ich in fast kindlicher Vorfreude, in nervöser Aufregung die unpersönliche Schleyer-Halle in Cannstatt betrete – nichts weniger als das Konzert des Jahres erwartend:
Dass ich erst jetzt, gut zweieinhalb Monate nach jener Vollmondnacht Ende Juli über Neil Youngs ohrenbetäubende Feedback-Orgie in Stuttgart berichte, spricht Bände über die innerliche Zerrissenheit, die auseinanderklaffende Vorstellung eines himmlischen Konzerts mit der Realität, die es mir nach dem Konzert schwer machten, die Erlebnisse in Worte zu fassen. 
Wenige Künstler haben meinen Musikgeschmack und – ich denke, es ist nicht vermessen, zu sagen – mich in ähnlichem Maße geprägt wie der Großmeister aus den Bergen Ontarios. Nach mehreren verpassten Tourneen, reagierte ich mit Herzklopfen auf die Ankündigung einer Europa-Tour mit Crazy Horse, jener Legende des brachialen, des genialistischen Dilettantismus, der auf die simple Formel Talbot, Molina, Poncho, Young herunter gebrochen werden kann. 
Konzertvideos jüngster Auftritte ließen meine Vorfreude gerechtfertigt erscheinen, die beiden Veröffentlichungen aus dem letzten Jahr – das bizarre Covermeisterwerk „Americana“ und die auf über 87 Minuten gepresste Offenbarung psychedelischen Hard Rocks „Psychdelic Pill“ – können fraglos als große Alben gefeiert werden. 
Dass das Stuttgarter Konzert dennoch einen kontroversen Eindruck, gemischte Gefühle hinterlässt liegt an verschiedenen Faktoren. Erst im Nachhinein reiften die 144 Minuten zelebrierten Feedback-Gewitters zu einer herausragenden – wenn auch nicht vollends befriedigenden – Erinnerung heran. 

Wenig für den zunächst durchwachsenen Eindruck können hingegen Okta Logue aus Darmstadt, die für mich momentan die Speerspitze deutscher Rockmusik bilden: 46 Minuten Zeit und neun Songs zur Verfügung haben Benno Herz (Bass und Gesang), sein Bruder Robert (Schlagzeug), Nicolai Hildebrandt (Keyboards) und Philip Meloi (Gitarre), um das deutlich in die Jahre gekommene Publikum für sich zu gewinnen. 
Spielend gelingt es den jungen Hessen bei ihrem zweiten Auftritt als Young-Support unter Beweis zu stellen, wie großartige psychedelische und progressive Klänge in der Gegenwart gelebt werden können. Das getragene „You“, das fast acht minütige Schlussstück des aktuellen Albums „Tales Of Transit City“ hinterlässt die Zuschauer mit offenen Mündern. Selten habe ich erlebt, dass es einer deutschen – dem Publikum weitgehend unbekannten – Vorband gelingt, so hell zu scheinen. Von Nervosität ist wenig zu spüren, die Darmstädter wissen um ihre Klasse. Waren sie beim berauschenden Release-Konzert im Mai noch spürbar aufgeregt, glänzen Benno Herz und seine Mitstreiter in der Schleyer-Halle mit enormer Präsenz und Charisma. Als der Frontmann seinen Fender-Jazzbass sinken lässt, die Hand über das Auge hält in die Menschenmasse blickt, sieht man die Glückseligkeit einer jungen Band vor einer der größten Ikonen der Rockgeschichte spielen zu dürfen. Die Ankündigung nun mit „Bright Lights“ ein Stück des ersten Albums „Ballads Of A Burden“ zu spielen, sorgt für einen Raunen der über zehntausend Zuschauer: Kann es wirklich sein, dass diese Band aus Deutschland kommt? 
Es kann und rasch wird klar, dass Okta Logue zahllose Fans hinzugewinnen. Die aufregende Single überrascht das Publikum mit Pink-Floyd-Referenzen, einem atemberaubenden Gitarrensolo und in seiner graziösen Zeitlosigkeit. 
Der Applaus wird von Song zu Song lauter, die Begeisterung größer und nicht nur ich – als Fan der Band – bin glücklich, dass Okta Logue und nicht die Texmex-Heroen Los Lobos wie ursprünglich geplant vor einem stehen. 
Plötzlich sind die beklemmende Atmosphäre, die mangelnde Klimatisierung der Halle und der üble Geruch aus der vorderen Reihe Nebensache. Batik-Shirts tragende Mit-50er in Dreiviertelhosen und Neo-Hippies genießen den entspannten Auftritt der hessischen Band, deren neues Back-Drop sympathische Referenz an das Debütalbum Bruce Springsteens - „Greeting Form Asbury Park, N.J.“ – erweist, dessen „Darkness On The Edge Of Town“ zu den liebsten Album des Gitarristen Melois zählt. 
 Zu „Dream On“, das als nächste Single-Auskopplung geplant ist, stößt Benedikt Baum, der Bassist der befreundeten Band Bees Village, die auch als Support beim Release-Konzert in der Central-Station spielten, auf die Bühne und steuert souverän Bass-Linien bei, während Benno Herz zur Akustikgitarre greift. „Let Go“ glänzt als 60s infizierte Nummer zwischen Beat und Blues, bevor „Chase The Day“, mit dem Okta Logue für gewöhnlich die Konzerte ihrer Tour beenden, die große, beeindruckende Synthie und Gitarrensolo getragene Progressiv-Rock-Schiene mit hymnischen Refrain fährt, um von „Just To Hear You Sleep“, einer kurzen Nummer vom Debütalbum mit Jon Lord-Keyboards gefolgt zu werden. „Judith“ und „Shine Like Gold“, eines der ältesten Stücke, beenden das atemberaubende Set einer wundervollen Band. 
Wünschte ich mir beim Release-Konzert während des gelungenen „Southern Man“-Covers noch für die vier Jungs, dass sie irgendwann einmal die Chance erhalten sollten im Vorprogramm von Neil Young zu spielen, befinde ich mich nun in der Realität. 
Applaudiere, gönne dem Quartett die verdiente Anerkennung, den gelebten Rockstar-Traum. Gerade ist man auf der ersten US-Tour, der Traum geht weiter und die Karriere steht erst am Anfang.

Setlist Okta Logue, Stuttgart:

01: You
02: Bright Lights
03: Transit
04: Dream On (mit Benedikt Baum von Bees Village am Bass)
05: Let Go
06: Chase The Day
07: Just To Hear You Sleep
08: Judith
09: Shine Like Gold


Bericht über Neil Young & Crazy Horse folgt in Kürze!



Setlist Neil Young & Crazy Horse, Stuttgart:

01: Love And Only Love
02: Powderfinger
03: Psychedelic Pill
04: Walk Like A Giant
05: Hole In The Sky
06: Human Highway
07: Heart Of Gold
08: Blowin' In The Wind (Bob Dylan - Cover)
09: Singer Without A Song
10: Ramada Inn
11: Sedan Delivery
12: Surfer Joe & Moe The Sleaze
13: Mr. Soul (Buffalo Springfield - Song)

14: Like A Hurricane (Z)



 

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