Dienstag, 31. Dezember 2013

Motorama (Dum Dum Girls), Fonteney s/bois, 13.12.13


Konzert: Motorama (Dum Dum Girls)
Ort: Espace Gerrd-Philippe, Fontenay-sous-Bois, Festival Les Aventuriers
Datum: 13.12.2013
Zuschauer: etwa 150
Konzertdauer: jeweils etwa eine Stunde

Motorama haben 2012 das Rennen um das beste Konzert des Jahres gewonnen. Mein persönliches Konzert des Jahres wohlgemerkt, ob andere so entschieden hätten, weiß ich nicht. Natürlich war die Erwartungshaltung an Auftritte der Band aus Russland deshalb enorm hoch und die beiden bisherigen 2013er Konzerte in Paris (in der Maroquinerie und im Petit Bain) konnten dann auch nicht ganz überzeugen. Die Gründe dafür waren vielschichtig, Tagesform, mittelprächtiger Sound, zu leiser Gesang, mehrere Dinge spielten eine Rolle. Tatsache war aber, daß Motorama ihre immensen Möglichkeiten definitiv nicht ausgereizt hatten. Dies sahen auch andere Zuschauer so.

Glücklicherweise stand aber noch gegen Ende des Jahrs 2013 ein abschließender Gig der Russen an. Ich versprach mir davon nichts weniger als die Krönung des Konzertjahres 2013. Ein Jahr, in dem ich im Übrigen zum ersten Mal Ferien im ehemaligen Zarenreich verbracht habe. Meine Erinnerung an den wundervollen Baikalsee und das dynamische Moskau mit seinen bildhübschen Frauen ist bei mir noch sehr frisch, meine Einstellung zu Land und Leuten sehr positiv. Daran ändern auch politische Widrigkeiten nichts. Darüber zu sprechen wäre ein Kapitel für sich, auf einem Musikblog würde das zu weit führen.

Auch bei Motorama gibt es bei Liveshows keine politischen Statements, da geht es allein um die wundervolle Kunst der Gruppe. Fragen zu ihren Landsfrauen Pussy Riot haben sie sicherlich dennoch zuhauf beantworten müssen in Interviews und auch die Ansagerin in Fonteney-sous-Bois sprach in ihrer kurzen Einführunsgrede von Pussy Riot und von Solidarität, bevor sie der Gruppe um Sänger Vlad Parshin das Wort überließ.

Es dauerte letztlich auch nicht lange, bis sich Motorma die uneingeschränkte Aufmerksamkeit erkämpfen konnten. Sie spielten mit einem solch rasanten Tempo und einer solchen Entschlossenheit auf, daß ich mir schon ziemlich bald sehr sicher war, daß das Konzert eine Wucht werden würde.


Sänger Vlad war (im positiven Sinne) noch irrer drauf als sonst. Sein neuster Tick: Das Mikro nach vorne zu schleudern und genau im richtigen Moment an der Schnur wieder an seinen Mund zu ziehen, um singen zu können. Seine Mimik und Gestik war unbeschreiblich. Er wackelte permanent mit seinem recht kahl gescherten Köpfchen, zog die Brille an und wieder aus, hüpfte, sprang, zuckte, ging in die Knie, war mal apathisch, dann wieder cholerisch. Kurzum: ein sagenhafter Frontmann. Seine Unberechenbarkeit war absolut faszinierend. Wild war er, besessen, mit dem unbedingten Willen alles zu geben und die Show für die Zuschauer unvergesslich zu machen. Seine Bass spielende Ehefrau Erin (Airin) war da schon ruhiger, wenngleich auch sie in einigen Momenten hysterisch wurde, in die Luft sprang und ihre Mähne schüttelte. Die  anderen Musiker, Max (Gitarre) Alexander (Keyboard) und Roman (Drums) sind ohnehin eher Teamplayer, das Spektakel überließen sie Vlad, sie selbst konzentrieten sich auf ihre musikalischen Parts. Besonders Drummer Roman begeisterte mich wie schon die vorherigen Male. Wie rasant schnell der Kerl spielt, einfach sagenhaft!


Das Set war sehr gut geölt und protzte mit unzähligen Highlights. Für diejenigen die wie ich die beiden Alben Alps und Calendar rauf und runter gehört haben, erinnerte das Konzert an eine Greatest Hits Veranstaltung. Denn im Grunde genommen ist jeder Song von Motorama ein Hit. Mit dem alten EP Track Lantern ging es schon sehr gut los. Ein düsterer Titel, sehr post punkig und weniger poppig als die neueren Sachen wie White Light oder To The South, die gleich im Anschluß kamen. Diese glänzten allerdings mit den herrlichen Twee Gitarren, den fetzigen Rhythmen und der zarten Melancholie, die die Band so auszeichnet. 



Motorama sind eine ungemein romantische und poetische Band, die mich auf fast magische Weise berührt. Wenn ich zu ihren flotten Ryhthmen abtanze, habe ich immer auch eine Träne im Auge. Euphorie und Schwermut bereiten mir dann schwer beschreibliche Gefühle. Sie treffen bei mir einen Nerv, berühren mich an wunden Punkten. Auch die neue Single Eyes gefiel mir live wahnsinnig gut. Überhaupt gab es heute einiges neues Material. neben Eyes wurde die B-Seite dieser Single nämlich Winter At Night ("you fell asleep at the left side, that's where you heart beats"), dann ein anderes mir unbekanntes Stück namens She Is There und ein Lied, das noch nicht einmal einen Namen hat.


Totaler Abräumer waren aber schließlich ganz alte Titel. Alps war wieder einmal unwiderstehlich, fegte mit einem Affentempo über das Parkett, wurde aber noch von Anchor von der alten Horse EP mit seinen sagenhaften wavigen Beats  getoppt. Ich tanzte bis ich atemlos war und der Schweiß mir die Stirn runterrann. Neben mir hüpften auch ein paar 16 jährige Mädels, aber ich bekam mein Umfeld kaum noch mit, war wie auf Droge. Auch Vlad bewegte sich in einer Art Parallewelt, riß seine Gitarre wie ein Gewehr nach oben, bewegte seinen großen Körper hektisch, aber dennoch elegant, während sein Blick ins Leere ging. Bei During The Years machte sogar seine Frau mit, lieferte sich mit ihm ein packendes Duell, das bühnentechnisch alles Vorgehende in den Schatten stellte. Unter lautem Johlen verließen Motorama dann die Bühne.

Einzige Zugabe war dann Hunters, ein Lied, welches man sowohl auf einer alten EP als auch auf dem ersten Longplayer Alps finden kann. Herrlich melodisch wie alles von den Russen und genauso wahnsinnig schnell exekutiert wie das Material zuvor. So etwas wie eine Ballade, oder einen Midtempo Song haben Motorama nicht im Programm. Bei ihnen gehen Tempo, Rhythmus, Melodie über alles. Insofern kann man sie nicht mit The National vergleichen, selbt wenn Vlad Parshin manchmal ähnlich tief wie Matt Berninger intoniert. Überhaupt haben Motorama ihren ganz eigen Sound. Joy Division und New Order waren sicherlich wichtige Einflüsse, aber besonders Vlad ist ein wahrer Meloman. Er saugt Infomationen zu neuen und alten Undergroundbands wie ein Schwamm aus dem Internet auf, ist beständig auf Entdeckungsreise und immer neugierig nach guter Musik. Nur Blues kann er nicht leiden. Das gestand er mir beim Konzert in der Maroquinerie einmal: "I hate that shit."

But we love Motorama! We really love their shit! Darauf einen Wodka! Eines der Konzerte des Jahres!

Setlist:

01: Lantern (sehr alt)
02: White Light
03: To The South
04: Letter Home
05: Eyes
06: Young River
07: One Moment
08: She Is There
09: Winter At Night
10: New
11: Alps
12: Anchor
13: During The Years

14: Hunters



 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates