Dienstag, 12. August 2014

Benjamin Clementine, Haldern, 07.08.14


Konzert: Benjamin Clementine
Ort: Haldern-Pop Festival (Spiegelzelt)
Datum: 07.08.2014
Zuschauer: ca. 800


von Dirk aus Mönchengladbach

Christoph plädiert ja seit längerem dafür, auch Festivalkonzerte einzeln zu besprechen. Da ja wahrscheinlich jeder Leser des Konzerttagebuchs das Haldern Pop Festival kennt, die meisten werden sogar schon einmal dort gewesen sein, macht dies hier auch für mich zum ersten Mal Sinn. 


Es gilt von einem Konzert zu berichten, das mich bis heute beunruhigt und beschäftigt, eine Seltenheit in letzter Zeit (zumindest was neue Künstler angeht). Es ist Donnertagabend im plüschigen Spiegelzelt, die Stimmung nach dem tollen Auftritt von The Slow Show freudig erwartend, als das Licht sich verdunkelt und Benjamin Clementine alleine auf der Bühne erscheint. 

Dies ist wörtlich zu nehmen, sofort verstummen die Gespräche in den vorderen Reihen. Clementine, wie wohl immer ganz in schwarz gekleidet (nur ein Wollmantel und eine schwarze Hose), setzt sich ohne weitere Regung barfuß auf einen Barhocker !! an seinen Konzertflügel und beginnt unvermittelt mit murmelnder Stimme die Lautstärke im Hintergrund zu beklagen. 

Was folgt ist ein erster Song, der wie alle noch folgenden an diesem Abend, mit einer geradezu unmenschlichen Inbrunst und Intensität ins Zelt geschleudert wird, das einem Angst und Bange wird. 

Ich stand glücklicherweise sehr weit vorne und muss gestehen, dass ich während des ganzen Sets noch nicht einmal darüber nachgedacht habe, ein Foto zu machen. Wahrscheinlich auch aus Selbstschutz um nicht auch noch Teil der noch folgenden Publikumsbeschimpfungen zu werden. 

So entwickelte sich eine Spannung, die zwischen Arroganz und Verletzlichkeit des Interpreten schwankte. Sobald er jedoch wieder sein Spiel aufnahm, begann ein tranceartiger Zustand von ihm Besitz zu ergreifen bis wieder der letzte Ton verklungen war. 

Die musikalische Spielart pendelt zwischen Blues und Soul, der Gesang zwischen Nina Simone und Mark Lanegan. Die langen Finger fliegen über die Tasten, der Ausdruck seiner Augen gleicht dem eines Wahnsinnigen. Die Stimme ist so klar und laut, er könnte wohl das komplette Zelt ohne Verstärkung beschallen. 

Seit ich Tori Amos als Vorgruppe von Marc Cohn vor ca. 20 Jahren (noch vor ihrer ersten CD) erleben durfte, habe ich nicht mehr eine derartig kraftvolle Vorstellung von einem Solokünstler am Piano erlebt. Nein, das war kein neuer, aufstrebender Künstler, der versucht sein Publikum einfach nur zu begeistern. Hier geht es um den Künstler, der nicht anders kann, als er selbst zu sein, egal ob der Auftrittsort die U-Bahn oder die große Chance der Haldernbühne ist. 

Somit ist es auch unsinnig, auf einzelne Songs einzugehen, die allerdings allesamt großartig sind. (London, Cornerstone, I won't complain). Nichts, außer er selber wird ihn aufhalten. Vielleicht heute der einzige Weg sich nicht von Ja-Sagern und falschen Freunden zum Helden machen zu lassen. 

In seiner Welt war das ansonsten so aufgeschlossene und wohlwollende Publikum in Haldern nicht aufmerksam genug, um den Kraftakt seiner Seelenschau zu würdigen. Das kann man nur hassen oder lieben. Aber wer genau hinhört weiss, dass er recht hat. Denn es gibt viel zu wenige die so sind wie er. 

Im November im bestuhlten Kölner Stadtgarten zu bewundern. Ein Naturereignis.




2 Kommentare :

Jazznrhythm hat gesagt…

Wow. Ungefähr so hatte ich mir das vorgestellt. Ich wollte ihn in Rotterdam auf dem Northsea Jazzfestival sehen. Er sollte dort in einem sehr kleinen Raum spielen. Niedrige Decke, wenig Publikum, sehr eng, viel zu warm, bestuhlt usw.

Leider hat er sich irgendwo in Holland verfahren, oder das Flugzeug nicht bekommen, oder das Flugzeug hat sich verfahren, oder was auch immer. Gerüchte schwirrten ungefähr eine Stunde rum. Man wurde rausgeschickt, reingelassen und jeder tat sehr geheimnisvoll, aber das Konzert fand leider nicht statt.

Freue mich allerdings jetzt auf den November in Heidelberg. Hoffe mal, dass es dann endlich klappt.

Unknown hat gesagt…

Das Konzert im Stadtgarten Samstag Abend war in der Tat ein Ereignis. Ich hatte schon lange nicht mehr so ein intensives Erlebnis wie in diesen knapp 2h.
Das Publikum war dieses mal (anders als in Haldern logischerweise) auch extrem aufmerksam und fokussiert. Es hat alles gepasst!

 

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