Freitag, 17. Oktober 2014

Moonface, Wetzlar, 16.10.14


Konzert: Moonface
Ort: Franzis, Wetzlar
Datum: 16.10.2014
Dauer: 72 min
Zuschauer: 25



Seit ein paar Wochen fegen durch Facebook Listen der zehn persönlich wichtigsten Platten. Ich wurde auch um meine Liste gebeten und schrieb spontan die zehn Alben auf, die in meinem Leben wohl am wichtigsten waren. So etwas muß man ohne Nachdenken machen. Platten sind schließlich gute Freunde und ständige Begleiter und meist länger haltbar als Beziehungen. Trotzdem habe ich mich hinterher geärgert, daß mit Ideal (Ideal) und Bossanova (Pixies)* zwei entscheidende Alben fehlten. Wenn es um die zehn Lieblingsplatten der letzten zehn Jahre gegangen wäre, wäre Dragonslayer von Sunset Rubdown auf dem Treppchen gewesen. Ewig lange hat mich keine Platte mehr so fasziniert, obwohl Dragonslayer wie alles von Sunset Rubdown auch guten Gewissens als nerviger Kunstmist, Rockoper oder Musical durchgehen könnte, alles Sachen, die ich nicht ausstehen kann. Auch die Solo-Lieder von Spencer Krug erinnern häufig an Operetten-Musik, vieles könnte dem 80er-Jahre Schach-Musical Chess entsprungen sein. Chess hätte übrigens 1984 vermutlich noch in meine Top 10 gehört, so schließt sich der Kreis.

Wie komme ich auf solch einen ekligen Vergleich? Die verschachtelten Melodien, die wilden Brüche in den Liedern legen das nahe. Zehnminütige Stücke, die immer wieder Melodie, Rhythmus und Takt** ändern, bekommt man ja eher im Operetten- als im Indie-Kompositions-Kurs der örtlichen VHS beigebracht. Natürlich ist aber nichts an der Musik des Kanadiers eklig! Dann klingt eben Everyone is Noah, everyone is the Ark eben nach Rockoper! Aber nach einer, in die ich sofort reingehen würde. Und wenn Lloyd-Webber den gleich guten Geschmack wie Spencer Krug hätte, hieße diese Seite jetzt ganz sicher Musical-Tagebuch!

Ich hatte Moonface, das Solo-Projekt des Kanadiers erst einmal gesehen, im Februar in der Wohngemeinschaft in Köln. Daß Sunset Rubdown nicht mehr zu existieren scheinen, ist bitter, Spencers Solo-Show kompensierte aber vieles dieses Verlustes. Also fiel mir die Entscheidung gegen die heute gleichzeitig in der Wohngemeinschaft spielende Gemma Ray nicht schwer. Stattdessen stand ich um kurz nach acht im Franzis in Wetzlar, einem kleinen Club, der bereits zum vierten Mal ein Konzert mit Spencers Beteiligung veranstaltete (Sunset Rubdown hatte ich dort gesehen). Leider kamen nach mir nicht mehr furchtbar viele, das Konzert fand vor 25 Zuschauern statt; Donnerstagabend in Wetzlar eben. 

Der Kanadier, der eine Weile in Helsinki gelebt hat (irgendwas mit Liebe), setzte sich um 20.45 h auf seinen Klavierhocker oder richtiger auf zwei dicken Kissen, die auf ihm lagen. Das sei wir bei der Prinzessin auf der Erbse. Er sei die Prizessin. "I'm a small guy." Musikalisch nicht. 

Beim ersten Lied - The fog von der aktuellen EP City wrecker - knisterte seine Stimme stark. Der mitreisende Soundmann (mit finnischem Vornamen) tauschte das Kabel, aber auch bei Black is back in style gab es die Probleme. Erst nachdem er einen neuen Stecker ausprobierte, war das Knistern weg und der Sound brillant. Eine erstaunlich gute Anlage scheint der kleine Club zu haben.

"I'll do what I just did for a long time." Wir sollten ruhig zwischendurch mal rausgehen, weil es dafür, daß wir nur einem einzelnen Typen mit einem Instrument zugucken würden, sehr lange dauern werde. Auch wenn er damit recht hatte und ich musikalisch wenig überrascht wurde, weil ich die Lieder kannte und die meisten bereits live (incl. der beiden Kissen) gesehen hatte, war es nicht die Spur langweilig. Selbst bei den Liedern, die ohne große Spencer-Krug-Momente auskamen, etwa Fast Peter von Organ music not vibraphone like I'd hoped (eine "cheesy love ballad"), gab es genug zu sehen, obwohl da nur ein Mann am Klavier saß. Spencers rechte Hand kippte immer noch mit, wenn sie nichts zu tun hatte. so als diene sie als Metronom oder Taktstock. Überhaupt ist es spektakulär, den Händen des Musikers zu folgen. Bei First violin war eine Hand ganz sicher ein Ersatzmetronom. Am Ende von City wrecker spielte die rechte Hand einen einzelnen Ton wieder und wieder, währenddie linke nach dem Glas unter dem Klavier griff. Der Einzelton mündete dann übergangslos im nächsten Lied. Und das ist einer der typischen Spencer-Krug-Momente. Obwohl die meisten Stücke ansich schon verschachtelt sind, spielt er immer wieder zwei ineinander übergehend. Rockoper.

Ein anderer war am Ende von Your chariot awaits. Der Anfang des Lieds ist nicht sehr aufregend. Dann kommt ein erster deutlicher Bruch vor der Zeile "and everything is always worse", der das Stück aber noch nicht viel aufregender macht. Etwas später ("your hand is your wand") kommt der Bruch zum hymnischen Ende. Und da wird das Lied ein Knüller und wurde es auch beim Konzert!

Andere Knüller waren Noah, das Barbarian Doppel (Barbarian und Barbarian II) oder Love the house you're in. Und natürlich Julia with blue jeans on. Auch beim zweiten Mal war ein Abend mit Spencer Krug, einem Klavier und zwei Kissen ein Knüller!

Sollten Facebook und ich irgendwann nach den zehn wichtigsten Musikern in meinem Leben gefragt werden, neben Morrissey, Bernard Sumner oder Katie Sketch wird ganz sicher auch Spencer Krug auftauchen.

Setlist Moonface, Franzis, Wetzlar:

01: The fog
02: Black is back in style
03: Love the house you're in
04: Barbarian
05: Barbarian II
06: Fast Peter
07: November 2011
08: First violin
09: Everyone is Noah, everyone is the Ark
10: Your chariot awaits
11: City wrecker
12: Julia with blue jeans on

13: Helsinki winter 2013 (Z)

Links:

- aus unserem Archiv:
- Moonface, Köln, 04.02.14



1 Kommentare :

SomeVapourTrails hat gesagt…

25 Zuschauer? Eine Schande. Julia with Blue Jeans On war eine der besten Platten des letzten Jahres. November 2011 würde ich gerne mal selbst live erlauschen.

 

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