Sonntag, 6. Mai 2007

Low, Paris, 05.05.07


Konzert: Low
Datum: 05.05.2007
Ort: Café de la Danse
Zuschauer: voll


Low habe ich das letzte Mal 2005 beim Festival "Le Printemps de Bourges" gesehen, als sie ihr Album "The Great Destroyer" vorstellten. Damals teilten sie sich die Bühne mit Ray LaMontagne und Piers Faccini. Mir hatte ihr Auftritt nicht schlecht gefallen, aber ich war auch nicht so begeistert, dass ich gleich all ihre Platten haben musste. Seitdem ist es still um Low geworden, von Depressionen, dieser schlimmen Krankheit (und keiner Charakterschwäche!) war die Rede und so war ich erfreut zu hören, dass Mimi Parker (Gesang und Drums) und ihr Mann Alan Sparhawk (Gesang, Gitarre) mit einem neuen Album im Gepäck, "Drums and Guns", auf die Bühne zurückkehren würden.

Das aktuelle Opus hatte ich erst am Abend zuvor zum ersten Mal gehört, war aber erstaunlicherweise auf Anhieb begeistert. Ich sage erstaunlicherweise, weil Alben von Low nicht gerade zu dem eingängigsten Stoff zählen, den die Alternativ-Szene zu bieten hat. Oft erschliessen sich die Werke erst nach dem x-sten Hördurchgang, entfalten dann aber um so nachhaltiger ihre wahre Grösse und Schönheit. Mit hohen Erwartungen begab ich mich also Richtung "Rue de la Lappe" einer szenigen Ausgehmeile im Bastille-Viertel. Am Ort des Geschehens eingetroffen, musste ich zu meiner Überraschung feststellen, dass vor der Tür keine Menschenseele mehr stand.

Sollten Low etwa bereits ohne mich angefangen haben? Nein zum Glück nicht, denn als ich meinen Blick Richtung Bühne schweifen ließ, erspähte ich eine Sängerin, die nur mit einer Klampfe bewaffnet, ruhige Folk-Songs vortrug. Irgendetwas wunderte mich allerdings beim Anblick der langhaarigen Brünetten: sie hatte so verdammt männliche Züge, wenn man genauer hinsah... Aber die Stimme, kaum ein Zweifel, war doch eher weiblich hoch. Oder? Ähem, als die "Dame" ein paar Sätze an das Publikum richtete, erkannte ich meinen Irrtum. Die "Dame" war ein Typ! Am Merchandising-Stand erfuhr ich dann auch später den Namen: Death Vessel. Vielleicht hätte ich auch lieber eine Brille aufsetzen sollen, wie das intellektuell wirkende Publikum, das um mich rumstand, dann wäre mir ein solcher Patzer eventuell nicht passiert. Nun gut, kann ja passieren!

Als Death Veesel die Bühne verliess, hatte ich ein wenig Zeit, mich umzusehen. Zu meiner Freude erkannte ich Robert Gil, den tollen Konzertphotographen und auch einen Burschen, den ich schon oft auf Konzerten gesehen habe. Ein ziemlich fülliger Typ, allerdings gesegnet mit einem exquisiten Musikgeschmack, denn zuletzt war er auch bei Arab Strap, Arcade Fire und The Silver Mt. Zion. Da konnte eigentlich nichts schiefgehen, mit meinem Dickerchen als Garant für gute Konzerte...

War dann auch diesmal wieder so, denn Low waren fabelhaft, wie erwartet. Sie legten gleich mit "Sandinista" los (hat das was mit dem gleichnamigen Album von The Clash zu tun?) und schufen sofort eine schwül-warme Atmosphäre, die irgendwie sehr gut zu dem Konzertsaal passte. Im Widerspruch zu seinem Namen (übersetzt: Tanzcafé), ist das Café de la danse, eher einem Vorlesungssaal an einer Uni ähnlich und auch das Publikum war entsprechend gesetzt (im wahrsten Sinne des Wortes, hier tanzte nämlich keiner) und eher ab dem Alter 25-30 +. Mit meinen 35 Lenzen war ich also weniger fehl am Platz als z.B. bei den Arctic Monkeys. Die warme, knisternde Atmosphäre zog sich in der Folge durch das ganze Set. Mimi Parker, die Drummerin streichelte gar manchmal ihr Musikgerät und sang dazu weich und sanft. Alan, ihr Mann, sang ebenfalls einfühlsam und gemächlich die oft düsteren, zynischen Texte. Zuweilen liess er aber durchaus auch mal seine Gitarre laut aufjaulen und sorgte somit für rockige Momente, vor allem in einer härteren Version von "Breaker". Insbesondere seine Stimme hatte es mir angetan, so intim, so wehklagend, aber auch so kämpferisch und zornig. Man höre sich nur mal "Take your time" an, welches an dritter Stelle gebracht wurde! Ein fast esoterisches, hypnotisches Lied, bei dem bei mir so allerlei Bilder im Kopf abliefen. Zum Beispiel, dass ich mich im Hochgebirge befinde und mir im Schneidersitz den Sonnenaufgang ansehe. Welch anrühriges Stück! Auch die anderen Leute im Publikum hatten wohl Traumbilder im Kopfe und so sah man so einige (wenn man denn die Augen offen hatte), die mit geschlossenen Augen wie in Trance mit ihren Köpfchen wippten. Diese Geste hatte ich zuletzt bei The Silver Mt. Zion gesehen. Toll! Nach dem Song "Sunflowers" liess dann auch einer der Träumer von den Vorlesungssitzen einen - wie er fand - lustigen Kommentar ab. "Royal", also königlich, schallte es von einem der hinteren Plätze. Er wollte allerdings damit eher verzweifelt Wahlkampf betreiben, als Beifall spenden, denn die Kandidatin der Sozialisten beim morgigen Finale um die Präsidentschaft heisst eben nun mal Royal. Ségolène Royal. Diese Zweideutigkeit erkannten auch einige im Publikum und schmunzelten vereinzelt. Angespornt von dieser Zustimmung brachte unser Witzbold den Spruch dann immer mal wieder. Ich hielt das aber für vergebene Liebesmühe, da eh nur Wähler von Frau Royal im Raum sassen, also keine potentiellen Sarkozy-Wähler beeinflusst werden konnten. Als Deutscher und somit nicht in Frankreich Wahlberechtigter konnte ich mich allerdings aus den politischen Themen elegant raushalten und mich auf die Musik von Low konzentrieren. War auch eh besser so, denn die Amerikaner aus Minnesota, die auch noch von dem jungen Bassisten Matt Livinston und am Anfang von einer Streicherin begleitet wurden, boten ein überaus feines Programm.

Denn nicht nur Songs von dem neuen Album wurden gespielt, sondern auch Titel von "The Great Destroyer" (dem ersten Album auf dem vorzüglichen Sub Pop Label (Nirvana)), "Trust" und "Songs for the dead pilot". Alles also sehr ausgewogen, musikalisch erlesen und geschmackvoll. Vielleicht mal abgesehen von dem - zumindest dem Titel und dem Text nach- eher vulgären Stück "Pissing", bei dem ich die Songzeile " Pissing on my toes" heraushören konnte. Überhaupt die Texte: selbst Textmuffel wie Christoph sollten die sich mal anhören! Zum Beispiel bei "Murderer". Da heisst es: "you may need a murderer, someone to do your dirty work." Ist das nicht großartig? Du brauchst vielleicht einen Killer, jemanden der Deine Schmutzarbeit erledigt. Muss man erst mal drauf kommen! Bei solch vorzüglichen Parolen und entsprechend fabelhafter Musik wurde mir dann auch nie langweilig, trotz einiger schleppender Stücke und sage und schreibe fünf (!) Zugaben.

Low ist eine der besten Bands der Welt, das ist mir heute klar geworden! Und wem sich ihr recht sperriges Werk noch nicht so richtig erschlossen hat, der muss sich einfach mehr Zeit nehmen und die Alben öfter hören. Irgendwann macht es schon "klick". Und dann kann man von Low gar nicht genug bekommen...

Setlist Low:

01: Sandinista
02: In Silence
03: Take Your Time
04: Sunflowers
05: In Metal
06: Belarus
07: Starfire
08: Dragonfly
09: Hatchet
10: Silver Rider
11: Pissing
12: Violent Past
13: Murderer
14: Breaker (heavy version)

15: (That's how you sing) Amazing Grace (Z)
16: Will The Night (Z)
17: ?
18: When I Go Deaf (Z)
19: In The Drugs (Z)

Konzerttermine Low:

07.05.2007: Amsterdam
22.05.2007: Winterthur
23.05.2007: München (Ampere)
24.05.2007: Wien

von Oliver



2 Kommentare :

Christoph hat gesagt…

Breaker? Dieses hervorragende The Organ-Cover?

Anonym hat gesagt…

Ich habe sie in Köln erlebt, aber war schon vorher verliebt. Wirklich eine der besten Bands der Welt. Schön zu wissen, dass sie auch in Frankreich ein so schönes Set gespielt haben. Die von dir beschriebene Amtosphäre passt aber auch ins Gebäude 9 in Köln.

 

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