Montag, 25. Februar 2008

MGMT, Paris, 25.02.08


Konzert: MGMT

Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 25.02.2008
Zuschauer: wahrscheinlich ausverkauft



"Casse toi, pauv' con!" - Hau ab, Du armer Depp.


Auf der französischen Landwirtschaftsmesse "Salon de l'agriculture" in Paris flogen dieses Jahr verbal die Fetzen. Was war passiert? Ein Messebesucher hatte Präsident Nicolas Sarkozy angepöbelt, während der Staatsmann pflichtgemäß Hände schüttelte. "Fass mich nicht an, Du beschmutzt mich!", hatte der unhöfliche Gast dem Frischvermählten entgegengeraunt und dieser ließ sich provozieren und antwortete prompt mit dem eingangs zitierten Satz. Benimmt sich so ein Präsident?, fragen sich jetzt einige Franzosen und vor allem die Gegner Sarkozy's schlachten die obendrein auf Video festgehaltene Story genüßlich aus.

Bloß, war das wirklich eine solch schlimme Entgleisung? - Ich persönlich denke nein. Natürlich gebietet ein hohes politisches Amt auch ein würdevolles Auftreten, aber, mein Gott, Politiker sind auch nur Menschen! Auch sie haben keinen Bock darauf, ohne Grund von der Seite angemacht zu werden und reagieren auf Pöbeleien wie fast jeder entsprechend gereizt (auch Kurt Beck soll ja kürzlich in Bayern auf Beleidungen eines Besoffenen mit "Du dummer, alter Mann" reagiert haben, das zieht sich also durch alle Parteien). Das Hochamüsante an dem Verhalten von Sarkozy war überdies, daß er nachdem er die aggressiven Worten gesprochen hatte, liebenswürdig, ja fast gütig dreinblickte, so als hätte er seiner Carla gerade "Isch liebe Diiisch" ins Ohr gehaucht...

Es herrscht also gerade ein erhitztes Klima in Paris, Menschen beleidigen sich gegenseitig, insgesamt also eher unschön und wenig friedlich. Was tut man also, um Liebe und menschliche Wärme in sein Herzchen zu lassen? - Richtig, man geht auf ein friedvolles, ja gar peaciges Konzert. Die Amerikaner MGMT boten sich hierfür geradezu vorzüglich an. Tahiti Boy And The Palmtree Family als Vorgruppe hatte wunderbar übergeleitet, denn die Band, des kleingewachsenen Sängers und Pianisten (in der auch der Schlagzeuger von Hopper und The Rodeo agiert), spielte am Ende ihres abwechslungsreichen Sets ein Stück namens Brooklyn. Und genau daher kommen auch die fünf Typen von MGMT.

"Nous sommes très heureux d'être ici ce soir" -wir sind sehr froh hier zu sein, stellen sich die leicht kauzigen, im Moment stark gehypten , Typen artig vor. Das war also schon einmal eine erfreulich friedliche Ansage und auch die Musik war etwas für (Neo)- Hippies. Der Hauptsänger hatte ein zart rosafarbenes Tuch in den Haaren, mit dem er seine Lockenpracht etwas bändigte, der zweite Sänger und Gitarrist rötlich-blonde Haare und der dritte Mann an einem Saiteninstrument (Bass) ein unglaublich psychedelisch wirkendes, überwiegend lilafarbenes Jimi-Hendrix T-Shirt an (ein wahnsinnig häßliches Teil!).

Alles war also angerichtet für einen stimmungsvollen Konzert-Abend und der wurde es dann auch. Schon der Beginn mit "Weekend Wars" war spektakulär, vor allem in gesanglicher Hinsicht, da wurde nämlich mit leicht schräger Falsett-Stimme lieblichst gesungen, bevor das Tempo angezogen wurde und auch eine markante Orgel einsetzte. Das Ganze wirkte irgendwie esoterisch, stark Seventies angehaucht, aber auch neuartig und spannend. Zwar werden in der Fachpresse oft Parallelen zu den Psycho-Poppern Of Montreal und kitschigen Kultbands wie Queen oder den Sparks gezogen, aber die Newcomer bieten wirklich jede Menge Eigenes. Und mit dem Flaming Lips - Produzenten Dave Friedmann haben sie wirklich einen Spitzen-Mann an den Reglern für ihr erstes Album "Oracular Spectacular" gehabt. Der Opener dieses Werkes und auch Titeltrack der ersten EP "Time To Pretend" kam dann gleich an zweiter Stelle. Zunächst hörte man eine sehr einprägsame Keyboard-Melodie (die an verschiedenen Stellen wiederkehrt) und dann wieder diesen abwechselnd lieblich-hohen Gesang. Getragen von einer zarten Melancholie hatte dieser Song fast hypnotische Wirkung. Ein Auftakt nach Maß!

Auch in der Folge war das Set mit klanglichen Überraschnungen vollgepackt. "The Handshake" beispielsweise begann soft und gesanglich irgendwie sehr nach Supertramp klingend (ou-whouh-Passagen inklusive), bevor das Stück gegen Ende in ein psychedelisches 70 er Jahre Heavy-Metal Stück abdriftete. Cool! Und durchgängig abwechslungsreich! "Pieces Of What" wiederum hatte fast etwas von Oasis und anderen Britpop-Bands der Neunziger. Ansonsten war oft spaciger Glam- Prog-Rock Trumpf, immer wieder dominiert von der mal schnell polternden, mal esoterischen Orgel und dem hohen Gesang (eigentlich sind der Sänger und der Orgelspieler die Band MGMT, live treten sie jedoch inzwischen zu fünft auf), aber auch von zwischenzeitlich eingestreuten längeren Gitarrensoli, die lange Zeit bei Hörern und Musikkritikern verpönt waren.

So ging das Ganze dann kunterbunt und abgefahren (die seltsamen Keyboardgeräusche!) gut eine dreiviertel Stunde lang, bevor die komischen Typen für eine Weile verschwanden. Natürlich forderte das sichtlich angetane Publikum mehr und bekam prompt auch noch zwei Titel geboten. Witzigerweise hatte der Drummer inzwischen obenrum etwas angezogen und spielte anstelle des trommelnden Sängers Gitarre. Und er hatte nicht irgendetwas übergestreift, sondern interessanterweise ein T-Shirt von...Joy Division! Nicht, daß sich das musikalisch jetzt nach Ian Curtis und Konsorten angehört hätte, nein, nein, keineswegs! Eher nach einem kuriosen Elektro-Trash, vor allem dann als die zweite Zugabe "Kids" ertönte. Die beiden Bandgründer (also Sänger und Keyboarder) tanzten am Ende Arm in Arm und im Falle des Keyboarders immer noch mit nacktem Oberkörper ausgelassen wie Schüler auf der Abi-Fete. Ein köstlicher und friedvoller Anblick!

In der Maroquinerie hat man sich halt eben gern, da geht es nicht zu wie auf dieser Landwirtschaftsmesse...


Setlist MGMT, La Maroquinerie, Paris:

01: Weekend Wars
02: Time To Pretend
03: The Handshake
04: Future Reflections
05: 4th Dimensional Transition
06: Pieces Of What
07: Electric Feel
08: Metanoia
09: Of Moons, Birds and Monsters

10: The Youth
11: Kids

Konzertdauer: eine knappe Stunde

Noch mehr Bilder von MGMT, sprich Männern mit Locken und nacktem Operkörper (prüde Menschen bitte fernbleiben!)

Konzerttermine von MGMT (Auswahl):

6. März 2008: Amsterdam (Paradiso)
7. März 2008: Berlin (Lido)





2 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Ich finde es sehr nett, dass man hier mittlerweile vorgewarnt wird wenn es um Musikernacktfotos geht :))

Und die Sarkozy-Entgleisung amüsiert mich gerade auch sehr, sollte ich jemals nochmal Zeit für irgendwas haben muss ich unbedingt das Video gucken...

Oliver Peel hat gesagt…

Bei der Vorwarnung habe ich auch ein wenig an Dich gedacht, Christina :))

Da siehst Du mal, wie wichtig mir Dein Wohlergehen ist.

Und bitte: jeder sollte das Sarkozy-Video gucken. Der Mann muß Schauspieler werden! Sensationell, wie er nach dem verbalen Konter plötzlich wieder nett guckt und andere Besucher begrüßt!

 

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