Montag, 27. Oktober 2008

Coming Soon, Paris, 26.10.08


Konzert: Coming Soon (Freschard, Stanley Brinks aka André Herman Düne)
Ort: Café de la Danse, Paris
Datum: 26.10.2008
Zuschauer: sehr volles Café de la Danse
Konzertdauer: Freschard ?, Stanley Brinks gut 30 Minuten, Coming Soon 70 Minuten



Die Umstellung auf die Winterzeit- eine zweispältige Angelegenheit! Zwar kann man eine Stunde länger schlafen, dafür wird es aber auch schon früher dunkel. An einem grauen Pariser Sonntag noch frustrierender! Da traf es sich eigentlich gut, daß mit den blutjungen Coming Soon aus Frankreich eine Band auf dem Programm stand, die gute Laune und und ungestüme jugendliche Lebensfreude versprüht.

Der Anfang des heutigen Konzerts war allerdings recht deprimierend, was nicht an den Headlinern des Abends, sondern an Stanley Brinks - früher bekannt unter dem Namen André Herman Düne, lag. Der Typ mit den schütternen Haaren und der Brille war bis vor kurzem Mitglied der famosen französischen (nicht schwedischen, wie man manchmal lesen kann!) Band Herman Düne und spielte und sang an der Seite seines Bruders David-Ivar, der weiterhin unter dem Namen Herman Düne firmiert.

Deprimierend deshalb, weil die ersten drei Lieder von Stanley sehr traurig und melancholisch waren. Das erinnerte eher an Elliott Smith und Nick Drake, als an die Laune machenden und heiteren Songs von Herman Düne. Der triste Charakter wurde unterstrichen durch die wehmütig jaulende Klezmer-Klarinette, in die Stanley blies, wenn er nicht Gitarre spielte oder Zigaretten rauchte, was er im Laufe des Abends kettenweise tat.

Dann aber wurde es stimmungsvoller. Zunächst lud sich Stanley zwei Mitglieder von Coming Soon auf die Bühne hinzu und im weiteren Verlauf spielten sogar die englischen Musiker von den Wave Pictures mit. Das war richtig klasse, der Mix aus Folk, Blues und karibischen Rhythmen fand mein Gefallen. Ohnehin scheint mir Stanley Brinks ein toller Musiker zu sein, was wohl in der Familie liegt, denn auch die heute im Publikum anwesende kleine Schwester Lisa Li Lund, macht richtig gute Musik. Und die Familie ist unglaublich schreibwütig. Was kein offizielles Label findet, wird einfach im Selfrelease veröffentlicht. Herr Brinks bringt es mindestens auf 10 Alben, deren Cover selbstgebastelt sind und in einer schlichten Pappbox verkauft werden. Bei Ground Zero, dem besten unabhängigen Platten- und Cd Laden von Paris, kann man das Gesamtwerk von Stanley erwerben, der Karton mit den Scheibchen in Plastikfolie steht gleich an der Kasse.

Übrigens: Wer die Familiengeschichte von André kennenlernen will, muss sich nur das Lied Stanley Brinks auf der MySpace Seite anhören. Da erfährt man alles, z.B., daß seine Mutter Schwedin und Malerin ist, sein Vater Franzose und Arzt, der aber lieber Gitarre spielte und daß Stanley Biologie und Philosophie studierte und Kaffee in rauen Mengen soff...

Heute trank der Weltenbummler, der zur Zeit in Berlin lebt, aber lieber Bier und hierzu hatte er in der Pause nach seinem Auftritt mehr Zeit. Erwähnung finden sollte zudem, daß er auch mit der süßen, ebenfalls in Berlin lebenden Französin Clémence Freschard, zusammenarbeitet, für sie Lieder schreibt und arrangiert und die junge Dame fördert. Freschard war noch vor Stanley aufgetreten, aber ihr sehr früh angesetztes Set hatte ich leider verpasst. Allerdings hatte sie während der Show von Coming Soon einen sehr charmanten und unterhaltsamen Gastauftritt.

Coming Soon erschienen schließlich um 21 Uhr 20 auf der Bühne. Die unglaublich junge Band, mit dem 15 jährigen (!) Küken Bear Creek am Schlagzeug, sind die französischen Senkrechtstarter des Jahres und sogar schon im englischen NME und Q lobend besprochen worden. 7 Teenager, zwei Mädchen, fünf Jungs, jede Menge gute Ideen, ein unverschämter Charme, und ein Neo-Western Sound mit einer Messerspitze French Pop, voilà, fertig ist das Erfolgsrezept! Aber was war hier los? Wo war denn die süße Keyboarderin Carolina Van Pelt? Sie fehlte! Trösten konnte ich mich allerdings damit, daß die ebenfalls sehr schnuckelige Mary Salomé gleich vor mir agierte. Die (zumindest heute) einzige Frau der Frau der Band setzte reichlich Akzente. Sie spielte mit entwaffnender Lässigkeit Xylophon, Glockenspiel, Flöte, Percussions und sang auch im Background mit. Aber man sollte auch die Männer erwähnen. An der Spitze von Coming Soon steht der unglaublich großgewachsene Sänger Howard Hughes. Normalerweise schon mindestens 1,95 Meter groß, überschreitet er mit seinem schwarzen Cowboy-Hut locker die 2 Meter Grenze. Das ist besonders witzig, weil die anderen jungen Herren um ihn herum fast wie Zwerge wirken. Sein Bruder, der Bassist Billy Jet Pilot, ist hierbei noch der Längste, während der Brille tragende Gitarrist Ben Lupus (der Bruder des irre jungen Drummers) und Alex Banjo, ebenfalls Gitarre, ein Stockwerk tiefer als der Boss musizieren.

Eine Band mit drei Geschwisterpaaren (Alex Banjo ist Bruder von Caroline von Pelt), da könnte man glatt an die Kelly-Family denken! Aber halt, Entwarnung! Hier ist nichts so kitschig und schmalzig wie bei den Kellys! Stattdessen hat jedes Lied einen fast kindlich zu nennenden Charme. Der Hit I'm Just A Child ist dafür wohl das beste Beispiel. Ein Song, den man schon nach dreimal hören nicht mehr aus den Ohren kriegt, so catchy ist er. Es gibt aber auch düsteres Material. Wolves In The City hat Wildwest-Flair und hätte auch so ähnlich von Nick Cave, einem der Vorbilder von Coming Soon, geschrieben worden sein. Time Bomb wiederum ist eine Mischung aus vorgenannten Tracks, die Melodie, die sich durch das ganze Lied zieht, ist fast süchtig machend zu nennen. Und natürlich merkt man auch die Handschrift und den Einfluss von Herman Düne (vor allem bei Broken Heart) , der schon früh auf die jungen Menschen aufmerksam geworden ist und mit ihnen gearbeitet hat. Kein Wunder, die Kreativität und die Spielfreude der Franzosen hat in der Tat etwas Ansteckendes, selbst wenn die Qualität der Kompositionen von Herman Düne noch nicht erreicht wird. Aber das wird kommen, da bin ich optimistisch, zumal Coming Soon fleißige Vielschrieber sind. Neben ihren Titeln vom Debütalbum New Grids hatten sie bereits etliche neue Stücke zu bieten. Besonders toll war schließlich gegen Ende der Gastauftritt von Stanley Brinks und Freschard, die sich da vorne fast kaputtlachten. Alle, auch das Publikum hatten heute sichtlich Spaß, obwohl man pünktlich um 22 Uhr 30 Schluß machen musste, ihr wisst schon, die armen lärmgeschädigten Nachbarn! Als Zugabe hatte es mit Jack Nicholson Style noch einmal einen richtigen kleinen Hit der Band gegeben, an der Ukulele vorgetragen von dem kleinsten Coming Soon, Bear Creek.

Erfrischend und kurzweilig, gerade an einem grauen Spätherbst-Tag!

01: Black Betty
02: Private Tortures
03: Broken Heart
04: Moonchild
05: Just A Child
06: Bright Tides
07: Home From The Blues
08: Back Seat
09: Time Bomb
10: Wolves In The City
11: A Cap
12: School Trip
13: 2 Dogs
14: Lucy's Back
15: Indian Times
16: Big Boy
17: War Song
18: Don't Sell Me

19: Jack Nicholson Style (Z)
20: Howard Mood (Z)

- Mehr Bilder von Coming Soon hier
- Video: Freschard live in Barcelona
- Freschard, Swell Like A Ninja, Videoclip, gedreht in Berlin, wo sie lebt
- Stanley Brinks zusammen mit Freschard, live in Barcelona
- Coming Soon Big Boy, im Studio
- Coming Soon Broken Heart, Recording Session
- Howard Hughes (von Coming Soon) & Adam Cotton - Breathless




1 Kommentare :

E. hat gesagt…

auf by records gibt es einen schönen überblick über den unübersichtlichen output der hier beteiligten.

 

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