Mittwoch, 26. November 2008

Dirty Pretty Things, Paris, 25.11.08


Konzert: Dirty Pretty Things

Ort: Le Bataclan, Paris
Datum: 25.11.2008
Zuschauer: nicht ausverkauft
Konzertdauer: ca. 85 Minuten



Heute wieder aus der beliebten Reihe: "Stell Dir vor... und keiner geht hin."

Diesmal mit den Libertines. "Stell Dir vor die Libertines geben ihr letztes Konzert in Kontinentaleuropa und keiner geht hin!"

Nun, auch diesmal war das natürlich nicht ganz so. Zunächst einmal handelte es sich selbstverständlich nicht um die Libertines, sondern nur um eine der beiden Nachfolgebands (allerdings mit mehr Mitgliedern, die schon einmal bei den Libertines aktiv waren als bei den Babyshambles) und desweiteren war es auch nicht gähnend leer im Pariser Bataclan. Die Nachfrage hätte allerdings durchaus reger sein können und so erlebte ich beim Hineingehen, daß junge Leute noch seelenruhig an der Abendkasse ihre Ticktes kauften. Schwarzhändler vor der Tür - ein sicherer Indikator für ein angesagtes Konzert- Fehlanzeige!

Zudem war der Balkonbereich abgesperrt, ein weiteres Zeichen dafür, daß nicht gerade die gesamte Indiemusikszene von Paris auf den Beinen war, um Carl Barât und seinen Dirty Pretty Things "Au Revoir" zu sagen. Alllerdings darf nicht unerwähnt bleiben, daß am heutigen 25. November zahlreiche andere Musikveranstaltungen auf dem Terminkalender standen. Mercury Rev spielten im Elysée Montmartre, Camille im Zénith, Micah P. Hinson im Theatre Marigny und Leonard Cohen gab zum stolzen Preis von bis zu 160 Euro eines seiner drei ausverkauften Olympia- Konzerte.

Tja, trotz eines hohen Hype-Faktors um die Libertines und dem, was aus Carl und Pete in der Folge geworden ist, kam man also bei weitem nicht an die Legende Leonard Cohen heran. Wahrscheinlich hätte man sein Ticket für 10 Euro (regulärer Preis 25 Euro) verscherbeln können, viel mehr war da wohl nicht drin!

Trotzdem war ich mir recht sicher, das richtige Konzert ausgewählt zu haben. Ich mochte nämlich die Libertines von Anfang an und habe selbstverständlich auch den Werdegang von Carl und Pete nach ihrer Trennung verfolgt. Ich bringe es auf 4 Babyshambles (+ den kultigen Soloauftritt von Pete Doherty im Truskel!) und (heute mitgerechnet) ebenfalls 4 Dirty Pretty Things- Konzerte. Immer war die Stimmung sehr gut und die jungen Mädchen hübsch und stylish, Grund zu meckern gab es also nie, trotz qualitativer Unterschiede, was die musikalische Leistung anbelangt. Die Dirty Pretty Things waren immer deutlich ausgeglichener und stabiler als die Babyshambles, es gab nur eine Absage beim Festival Rock A Field in Luxemburg 2009, während Pete mich zweimal sitzen- und weitere zwei Male lange warten ließ.

Allerdings sind mir die Jungs um Carl Barât ein überragendes Konzert schuldig geblieben, das mir hingegen die Babyshambles im Zénith in Paris beschert hatten.

Wie würde es also heute werden? Ich war sehr gespannt!

Der Abend begann für mich gegen 20 Uhr 30. Ich hatte gerade meinen Fotopass abgeholt und wartete neben Assen der Konzertfotografie wie Sophie Jarry und Loic von Photosandgigs auf Einlass in den Fotograben. Die Vorgruppe The Tatianas aus Paris hatte ich ausgelassen, mein Augenmerk sollte heute abend nur Carl, Didz, Anthony und Gary gelten.

Dann ging gegen 20 Uhr 50 das Licht aus und der Pulk an Fotografen wurde hereingelassen. Ich stand also direkt an der Bühne und hätte Bassist Didz auf die Füße spucken können (so etwas mache ich natürlich nicht!)! Wenn ich mich umdrehte, sah ich sehr junge und sehr hübsche Mädchen, die ausgelassen ihren Idolen zujubelten. Junge Männer waren eindeutig in der Minderheit, vielleicht weil die heute alle bei Camille im Zénith waren und hofften, daß diese wie beim Festival in Evreux ihre Poritze zeigen würde.

Aber auch hier und heute wurde Haut gezeigt, denn Carl, Anthony und Gary sollten im Laufe ihres Abends ihre T-Shirts fallen lassen und so blieb lediglich Didz komplett bekleidet.

Die Dirty Pretty Things begannen mit Wondering und wirkten in ihrem Auftreten sehr entschlossen und angriffslustig. Zum Abschluß wollte man den französischen Fans wirklich noch einmal was bieten, da schonte sich keiner der vier Burschen. Am agilsten war wie immer der farbige Drummer Gary Powell. Wie ein Derwisch trommelte der athletische Knabe wuchtig auf sein Instrument ein und man konnte die Sehnen und Muskeln seines unglaublich definierten Körpers hervorspringen sehen. Es hat mir immer Spaß gemacht, diesen Burschen zu beobachten, er ist fraglos einer der auffälligsten und mit Sicherheit auch besten Drummer der Britrockszene. Sein Spiel ist ungemein schnell, wuchtig und präzise und ohne ihn wäre die Band nur halb so gut. Darüber hinaus gibt er auch sehr viel an die Fans zurück, wer ihn schon einmal erlebt hat, weiß, daß er sich nach den Konzerten immer ausgiebig bei dem Publikum bedankt und diesem Beifall spendet.

Carl Barât selbst hingegen war am Anfang etwas nervös, lockerte sich aber von Stück zu Stück. Es ist von ihm bekannt, daß er unter Auftrittsangst leidet und eigentlich recht schüchtern ist. Das kompensiert er aber dadurch, daß er sich sofort die Panik und den Frust von der Seele schreit und so peu à peu immer vertrauter mit der jeweiligen Location und seinen Fans wird. Gegen Ende der Shows sieht man ihn dann immer Zigarette rauchend, ein Zeichen dafür, daß er cooler und selbstbewußter geworden ist und anfängt, die ganze Sache zu genießen. Natürlich qualmte er auch heute wieder zum Schluß ein paar Kippchen, aber vorher warf er sich mächtig ins Zeug, um Stimmung ins Bataclan zu bringen. Wenn ein Laden nicht ausverkauft ist, muß man sich besonders reinlegen damit Atmosphäre ensteht, aber zumindest in den ersten Reihen war die Stimmung von Anfang an prima und so dauerte s auch nicht lange, bis die ersten Crowdsurfer auf Händen nach vorne katapultiert wurden. Leider griffen die Ordner dann aber viel zu rigoros durch und rissen die Leute förmlich zu Boden, um sie schließlich fast wie Häftlinge abzuführen. Ein junges Mädchen wurde besonders grob behandelt. Der Security-Gorilla riss die Kleine so brutal am Kragen, daß einem Angst und Bange werden konnte! Ein bißchen mehr Fingerspitzengefühl wäre da mit Sicherheit angebracht gewesen. Im Übrigen auch was das Fotografierverbot anbelangt.Immer wieder wurden junge Leute beim Versuch, mit ihren kleinen Apparaten Erinnerungsfotos von ihren Idolen zu schießen zurecht gewiesen. Schade und überflüssig!

Kommen wir von der Atmosphäre zu den gespielten Songs. Welche zündeten am besten? Wo war der Lärmpegel am höchsten?

Nun und das ist die signifikanteste Erkenntnis des Abends: Ganz eindeutig besser kamen die Stücke vom ersten Album an! Opener Wandering, Doctors & Dealers und Bang Bang Your Dead entwickelten jene Zugkraft, die Tracks wie Hippy' s Son, Holly Golightly oder Chinese Dogs ein wenig vermissen ließen. Richtig zwingend waren von den neuen Sachen lediglich Plastic Hearts mit seinem lalala - Singanlong und die erste Zugabe Truth Begins.

Insofern nicht ganz verwunderlich, daß das zweite Album ein Ladenhüter blieb und das Ende der Band einläutete. Und die besten Songs des heutigen Abends stammten noch nicht einmal von DPT selbst! Die fabelhafte Zugabe In Bloom von Nirvana machte deutlich, daß die Formation um Carl Barât mehr Hochkaräter jener Güteklase gebraucht hätte, um in einem für klassischen Garagen-und Britrock deutlich schwieriger gewordenen Umfeld zu bestehen. Die jungen Leute, die vor ein paar Jahren noch ganz heiß auf die Strokes und die Libertines waren, haben nämlich in der Zwischenzeit neue Favoriten und Musikstile entdeckt und sind zum Teil abgewandert zu Bands wie MGMT, Foals, oder Vampire Weekend. Im Zeitalter des Internets und der rasanten Verbreitung von Musik und Informationen werden Lieblingsbands viel schneller gewechselt, da hat es keine Gruppe leicht, Fans dauerhaft an sich zu binden! Das mussten auch die Dirty Pretty Things schmerzlich erfahren und so endete heute zumindest vorläufig die Ära Carl Barât mit einem sehr soliden, aber keineswegs unvergesslichen Konzert. Wir werden allerdings zumindest ihn und den famosen Drummer Gary Powell bald in einer anderen Band wiedersehen, davon bin ich überzeugt!

"This is the end, my friend?" - Jim Morrison (dessen Song von den Doors wie in Köln vom Band dudelte) hat auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise seine Ruhestätte gefunden. Die Musiker, die wir heute gesehen haben, sind aber noch zu jung und tatendurstig um ganz aufzuhören. Wir vom Konzerttagebuch bleiben also weiter am Ball!

Setlist Dirty Pretty Thins, Le Bataclan, Paris

01: Wondering
02: Holly Go Lightly
03: Buzzards And Crows
04: Doctors And Dealers
05: Blood Thirsty Bastards
06: Kicks Or Consumption
07: Come Closer
08: The Enemy
09: Hippy's Son
10: Chinese Dogs
11: Gentry Cove
12: Plastik Hearts
13: Last Of The Smalltown Playboys
14: Gin & Milk
15: Deadwood

16: Truth Begins (Z)
17: B.U.R.M.A. (Z)
18: You Fucking Love It (Z)

19: France (The Libertines) (Z)
20: In Bloom (Nirvana Cover) (Z)
21: I Get Along (The Libertines) (Z)


- Links:

- Dirty Pretty Things am 20.11.2008 in Köln hier
- Dirty Pretty Things bei Rock en Seine in Paris, 28.08.2008 hier
- Read a good review in english (here) about Dirty Pretty things playing @ Le Bataclan and watch the great videos on the end of the article!
- Video Dirty Pretty Things, Doctors & Dealers, live @ Le Bataclan, 25/11/2008, gute Qualität!
- Video Dirty Pretty Things, France live @ Le Bataclan
- Bang Bang You're Dead, live @ Le Bataclan




2 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Und das Konzert, wegen dem ich gestern FAST spontan in einen Thalys gesprungen wäre wird hier nicht mal erwähnt beim Alternativprogramm. Ich zweifle allmählich an eurem publizistischem Anspruch ;))

Oliver Peel hat gesagt…

Ha! Ich wußte doch, daß ich noch etwas vergessen hatte! Wolf Parade, natürlich, die zudem von meinen Freunden von Nelson supportet wurden!

Gut aufgepasst, Christina!

Und das Programm im Nouveau Casino soll auch nicht schlecht gewesen sein...

 

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