Mittwoch, 3. Juni 2009

Alela Diane, Paris, 02.06.09


Konzert: Alela Diane (Matt Bauer, Olle Nyman)

Ort: L'Olympia, Paris
Datum: 02.06.2009
Zuschauer: so gut wie ausverkauft
Konzertdauer: ca. 85 Minuten



Parallel zu dem immer größer werdenden Erfolg von Alela Diane kommen die ersten Kritiker und Lästerer aus ihren Löchern gekrochen. War noch im Jahre 2008 die Mehrheit der Folkmusikfans entzückt von der neuen "Queen" dieser Gattung, scheiden sich seit der Veröffentlichung des zweiten Albums To Be Still ein wenig die Geister an der jungen Frau aus Kalifornien. "Ihr Songwriting ist ziemlich flach", maulen die einen, das neue Material ist zu seicht und glatt ausgefallen"", krakelen die anderen und teilweise las man sogar etwas von einer schwachen Kopie von Joanna Newsom, ein Vergleich der fürchterlich hinkt, denn weder die Stimmen der beiden Folkeusen sind vergleichbar, noch spielt Alela Harfe.

Vielleicht nervt einige auch, daß Alela Diane gerade in Frankreich omnipräsent ist und einem aus Modezeitschriften wie der Vogue oder Biba entgegenlächelt. Aber gerade diese Vermarktung außerhalb klassischer Musikpostillen wie den Inrocks, Rock & Folk, oder dem neuen auf Country und Folk spezialisierten Magazin Eldorado, führte dazu, daß heute im Olympia auch junge, trendige Leute auf der Matte standen und nicht nur die üblichen Verdächtigen, bestehend aus altlinken Oberstudienräten mitsamt Gattin, gutmenschelnden Psychiatern und steifen Verwaltunsgrichtern.

Dabei war gerade für junge Leute am heutigen Tage in Paris Etliches geboten. Maximo Park schumpften im Trabendo rum, Snow Patrol versprühten ihre melancholische Seichtheit im Elysée Montmarte, Partrick Watson spielte zusammen mit Sherlock Holmes in der Maroquinerie und Morrissey sollte eigentlich das Grand Rex beehren , sagte aber ab. Die Parallelveranstaltung, die mich abgesehen von Alelas Konzert allerdings am meisten interessierte, war die Kombination aus dem aufstrebenden Franzosen François Virot (die französische Antwort auf Animal Collective, so liest man vielerorts*) und dem famosen Chad VanGaalen.

Viel los also in der Stadt der Liebe, in der zur Zeit auch die offenen französischen Tennismeisterschaften stattfinden. Und da Tennis neben der Musik meine größte Leidenschaft ist, saß ich heute bei brütender Hitze im Stadion in Roland Garros und sah die Matches zwichen Azarenka und Safina und Gonzales und Murray. Eher mäßiges Tennis wurde dort geboten und auf das abschließende Mixed verzichtete ich dann auch, weil ich unbedingt Matt Bauer im Olympia sehen wollte, der für das Vorprogramm von Alela Diane vorgesehen war. Ich hetzte von der Tennisanlage, stieg mit tausenden von schwitzenden Menschen in die überfüllte U-Bahn und hoffte pünktlich im mystischen Konzertsaal zu erscheinen. Aber ich hatte Pech: Obwohl ich schon kurz nach 20 Uhr eintraf, war der hochtalentierte Banjospieler und Sänger schon durch und ich mußte mich mit dem recht zähen Set des Schweden Olle Nyman begnügen. Der Song Don't Let Those Bastards war allerdings richtig gut.

Mit den Vorgruppen ist es ohnehin ein ziemlicher Fluch.Wenn mich mal eine interessiert, wird sie immer sehr früh angesetzt und falls ich es trotzdem zeitlich schaffe (wie neulich bei The Miserable Rich), dann werden diese Künstler entweder durch Abwesenheit eines Großteils des Publikums oder Ignoranz bestraft. Zum Konzert von Matt Bauer, den ich nicht nur wegen seiner natürlich- bescheidenen und hochsympatischen Art, sondern vor allem wegen seiner starken und berührenden Kompositionen verehre, hörte ich nämlich im Anschluß schon wieder nur desinteressierte bis ablehnende Kommentare. Dabei hätte es der glatzköpfige Bartträger sogar verdient, selbst das Hauptprogramm in einer Location wie dem Olympia zu bestreiten! Sein Songwriting ist vortrefflich, sein Banjospiel meisterlich und sein Gefühl atemberaubend!

Ich habe mir deshalb in den Kopf gesetzt, Matt für eine Oliver Peel Session zu gewinnen. Dort wird er auf ein aufmerksames und hochmotiviertes Publikum treffen, so wie er das verdient. Gegen das Konzept "Homeshow" scheint er ohnehin nichts zu haben, noch am Vortage ist er zusammen mit meinen Freunden von Arch Woodman in einem Appartement aufgetreten.

Soviel zum Warm-Up, kommen wir nun zum Star des Abends, Alela Diane. Die erschien mit flottem Kurzharschnitt und hübschem Kleid, zu dem sie wie gewohnt stilechte Cowboystiefel trug. Zunächst performte sie zusammen mit ihrem Dad, dem Gitarristen und Mandolinspieler Tom Menig, den Song Lady Divine und stellte das Christophsche Gesetz kräftig auf den Kopf. Sie fing nämlich mit dem letzten Lied ihres aktuellen Albums an! Ein wunderschöner Song im Übrigen, dieses Lady Divine, sehr lieblich und hoffnungspendend, mit einem herrlichen Pfeifsolo von Alela am Ende.

Dann stieß Matt Bauer mit hinzu und durch das tolle Pluckern des schönen Instruments wurde es gleich noch eine Ecke brillianter. Der Klassiker Tired Feet und das wundervolle Tatted Lace, eine der Perlen des neuen Albums wurden dargeboten und mir war schon zu diesem Zeitpunkt klar, daß ich am Ende ein positives Fazit ziehen würde. Ich wußte wieder, warum ich Alela so verehre! Ich mag ihre Ausstrahlung, ihre Natürlichkeit, ihr Lächeln und vor allem natürlich die feste, stolze und klare Stimme, die heute besonders gut zur Geltung kam. Ich glaube sogar stimmlich das beste Konzert der jungen Amerikanerin gehört zu haben. In diesem Bereich hat sie sich weiterhin verbessert und zeigt kaum Schwächen.

Vorne auf der Bühne gab es also nichts zu bemängeln, aber leider gab es Störfeuer in meinem direkten Umfeld. Zwei junge Mädels, beide höchstens 18 Kahre alt, plauderten unentwegt und nervten damit ungeheuerlich. Ich wollte ihnen sagen, daß sie doch nächstens lieber zu den Kooks gehen sollen, ließ das aber bleiben, weil ich insgeheim froh war, daß auch junges Publikum auf Alela Diane aufmerksam geworden ist und ihre Konzerte besucht. Folkkonzerte erinnern ja oft an Beerdigungen, da wird ernst und andächtig geschaut und keiner sagt einen Mucks. Insofern nicht schlecht, daß das althergebrachte Genre auch einmal ein wenig aufgelockert wird und der Muff von tausend Jahren unter den Talaren weggespült wird. Vor allem aber: der Stimmung tat das gemischte Publikum gut, es herrschte eine ausgelassene Atmosphäre, genau wie bei anderen Indiekonzerten auch und die Pariser Folkszene erfährt nicht nur durch die Künstlerin Alela, sondern auch durch ihr Publikum eine Frischzellenkur.

Die Bühne wurde unterdessen von immer mehr Musikern bevölkert. Matt Bauer war im Mittelteil nicht mehr dabei, dafür gab es aber Verstärkung durch den Schlagzeuger Benjamin Oak Goodman, den permanent posenden Bassisten Tom Bevitori (ob er wohl gerne Mitglied einer Heavy Metal Band wäre? und die stets schüchtern wirkende Alina Hardin. Die junge Sirene hat bereits eigene Lieder veröffentlicht, war aber heute wirklich nur für sehr leisen Backgroundgesang verantwortlich, den man auch auf dem Album hören kann, wenn man seine Öhrchen sehr gut spitzt. Trotz der Mehrzahl an aktiven Musikern, flachte die Stimmung im Publikum ganz leicht ab, weil mit The Alder Trees und To Be Still langsame Stücke kamen, die mehr oder weniger dahinplätscherten. Mit dem Neil Young Cover Heart Of Gold kam dann aber wieder Schwung in die Bude. Alela hatte eingangs erläutert, daß sie während des Primavera Festivals in Spanien die Gelegenheit gehabt hätten, den alten kanadischen Haudegen zu genießen und daß seine Stimme nach wie vor fantastisch sei. Er sei lediglich recht alt geworden, schloß Alela kess schmunzelnd. Das Cover selbst war gut, aber nicht überragend. Mehr Spaß hatte ich persönlich mit dem traumhaften Every Path auf dem Alelas Vater Tom auf das Wundervollste Mandoline spielte, desweiteren mit dem mir live breits gebotenen My Brambles und schließlich mit dem wohl schönsten Stück, The Ocean, das von Alelas Mutter handelte. Und Mutti war sogar extra aus den USA angereist und dabei zum allerersten Mal in ihrem Leben über den großen Teich gekommen! Sogar Großmutti und Tantchen waren anwesend und soviel familiäre Unterstützung ist natürlich rührend und verfehlte auch nicht die herzerweichende Wirkung bei mir. Zumal auch der Text über ihre Mom wirklich naheging : "In spirit she drifted to the oean, all those years of in her mind, the sunset by the sea is in her mind, the sunset by the sea was in her mind." Mit welcher Inbrunst Alea diesen Zeilen dang! Das wühlte auf und mit Oh! My Mama vorm ersten Album The Pirate's Gospel (nach einem vorzüglichen The Rifle) kam 10 Minuten später erneut die Mutter ins Spiel.

Take Us Back wurde schließlich zusammen mit dem Bassisten Tom am Mikro vorgetragen und die beiden tauschten verliebte Blicke aus, die kaum verhehlen konnten, daß die beiden ein Paar sind.

Tosender Applaus und ein Finale, daß sich sehen lassen konnte: Auf Age Old Blue folgte mit The Pirate's Gospel der Überhit des ersten Albums, der der Künstlerin möglicherweise zu den Ohren heraushängt, aber selbst das hüftsteife Publikum in den oberen Sitzreihen zum Tanzen und Mitklatschen verleitete. Das ausgelassene Treiben auf und vor der Bühne sorgte für einen wunderbaren Abschluß eines sehr schönen Konzertes, das mir allerdings nicht ganz die Glücksmomente des legendären Auftritts in der Cigale bescherte.

* Francois Virot spielt übrigens am 11. Juli beim Potsdamer Street Festival





Konzerttermine Alela Diane

3. Juni Mousonturm, Frankfurt
4. Juni München, Ampere

Setlist Alela Diane, Olympia, Paris:

01: Lady Divine
02: Tired Feet
03: Tatted Lace
04. Dry Grass & Shadows
05: White As Diamonds
06: The Alder Trees
07: To Be Still
08: Heart Of Gold (Neil Young Cover)
09: Every Path
10: My Brambles
11: The Ocean
12: The Rifle
13: Oh! My Mama
14: Take Us Back

15: Age Old Blue (Z)
16: The Pirate's Gospel (Z)

- Mehr Fotos von Alela Diane hier



 

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