Freitag, 11. Dezember 2009

Karpatenhund, Wiesbaden, 10.12.09


Konzert: Karpatenhund
Ort: Schlachthof Wiesbaden (Räucherkammer)
Datum: 10.12.2009
Zuschauer: ca. 70
Dauer: Karpatenhund 95 min, Katze gut 40 min


Wenn Karpatenhund eine Frau wäre, hätten wir eine romantische
Kennenlerngeschichte. "Weißt du noch, damals in der Sturmnacht?" Am Abend, als Orkan Kyrill Holzfäller spielte, war ich wegen Razorlight in der Live Music Hall. Dort bestritt eine sehr junge Kölner Band das Vorprogramm, die mich auf Anhieb überzeugte, und das nicht nur wegen des Namens. In den folgenden sechs Wochen erlebte ich drei weitere Karpatenhund-Auftritte. Damals bestand die Band aus den Mitgliedern von Locas In Love, erweitert um Sängerin Claire Oelkers.

Seitdem ist einiges passsiert. 2007 veröffentlichten Karpatenhund ihr Debüt bei Virgin, Gegen den Rest wurde Vorspann-Melodie der Emmy nominierten Serie
Türkisch für Anfänger, Claire wurde neben ihren Jobs als Sängerin und Schauspielerin VJane bei MTV. Ich sah die anderen Bandmitglieder danach nur noch als Locas In Love und verlor über tolle Veröffentlichungen wie Winter im vergangenen Jahr Karpatenhund aus den Augen. Das erste Lebenszeichen, das ich wieder mitbekam, war deren zweite Platte (Der Name dieser Band ist Karpatenhund) im August. Vor allem die düstere Single Wald hatte es mir extrem angetan!

Karpatenhund hatten sich irgendwann dazwischen personell verändert. Neben den ursprünglichen Mitgliedern Claire, Bassistin Stefanie Schrank und Gitarrist Björn Sonnenberg kamen
Saskia v. Klitzing (Fehlfarben), die Schlagzeuger Maurizio ersetzte, und wohl zumindest zeitweise Gitarristin Jennifer Jasmin Keßler (für Jan Niklas Jansen) neu dazu. Höchste Zeit, mir die Band wieder einmal anzusehen.

Das Konzert fand in der Räucherkammer des Wiesbadener Schlachthofs statt. Vorgruppe war Katze, die ich offengestanden wegen großer Müdigkeit auslassen
wollte. Nicht etwa, weil ich Katzen auf den Tod nicht ausstehen kann.* Jedenfalls war ich zu früh und kam rechtzeitig zum Beginn der Berliner Band.

Wie gut, daß erste Eindrücke oft Unsinn sind, denn der war eindeutig, ich war sicher, es würde grausam. Sänger Klaus Cornfield sprach und wirkte nerdig bis zum Anschlag. Neben ihm stand eine blondierte kurzhaarige Frau im schwarzem Kleidchen hinter einem Bügelbrett, auf dem Instrumente standen. Dazu Schlagzeuger und eine Bassistin. "Das erste Lied heißt 'In dem Brief, den du mir gabst, steht nur Scheiß!'" Hmmm...

Erstaunlicherweise gefiel mir das Stück aber trotzdem sehr gut. Und auch die nächsten... Vielleicht, weil mich Katzes Musik an viele Bands erinnerte, die ich sehr
mag, an Locas In Love natürlich, an die ersten MIA. Sachen, an die Quarks und manchmal an Ralley.

Die blonde Frau mit dem Bügelbrett (Minki Warhol) hatte ich sofort ins Herz geschlossen, als sie beim ersten Lied Stylofon spielte! Später packte sie ein Miniglockenspiel aus, das nach Heftbeilage einer Kinderzeitung aussah, fabelhaft!

Ein ganz toller Auftritt, der mir viel Spaß gemacht hat. Wie gut, daß mein Timing so mies war!

Setlist Katze, Schlachthof, Wiesbaden:

01: Der Brief
02: Größter Anhänger
03: Das Geld, der Ruhm und die Mädchen
04: Fabrikmädchen
05: Schmerzlos und schnell
06: Herr Traurigmann
07: Shampoo Beach (?)
08: Bei mir wird immer alles schmutzig
09: Der Einsame (The Bates Cover)
10: Hübsch aber dumm
11: ??? (ein Cover, das ich nicht erkannt habe)
12: Punk's not dead
13: Komm wir klauen uns Pistolen

Als die Hauptgruppe dann um zehn auftrat, war es noch eine andere Besetzung, als
ich gedacht hatte. Neben Stefanie, Claire und Björn erschienen zwei zusätzliche Gitarristinnen, Jennifer Jasmin Keßler und Silvia Wersing (Mikrofisch, Telley) und ein männlicher Schlagzeuger (Wolfgang von Sternbuschweg). Die Frauen trugen einheitliche Glitzerkleider, alle Bändmitglieder Stirnbänder. Die sollten noch mehrfach Thema werden.

Es begann mit... ach, die Musik lasse ich jetzt erstmal weg, die war hervorragend. Wirklich wirklich erzählenswert ist nämlich der ganze Rest. Nach dem ersten Lied stellte jemand eine Flasche Sekt auf die Bühne. Welch glänzende Idee, das muß ich mir merken! Daraus entstand die erste Diskussion über die Stirnbänder.
Claire hielt die für ein Silvester-Outfit, was Björn merkwürdig vorkam. Sie fragten uns dann irgendwann, wie uns die Verzierungen gefielen. Ein paar Leute fanden die mies und äußerten das, was den Gitarristen sichtlich erschütterte. "Das ist eine Frechheit!! Würdet ihr euch bei anderen Bands auch so benehmen?" Bassistin Stefanie teilte uns nämlich mit, daß das Outfit aus ihnen eine Mischung aus Tennisspielern und Rockstars mache, und genauso fühlten sie sich!

Über die vielleicht ehrliche aber unhöfliche Stirnbandsituation kam Björn (nach Borg
benannt) nicht weg: "Wenn hier nebenan demnächst die Beatsteaks vor 3.000 Leuten spielen, würdet ihr denen dann bitte auch sagen, wie bescheuert ihre Hüte aussehen!"

Vorne auf der Bühne stand ein ausgestopfter Dachs, den die Band in Hamburg
geschenkt bekommen hat. In dessen Maul steckte ein Brief, der für einen Frank wäre. Leider outete sich niemand als dieser Frank (für die Jüngeren: das ist ein Name, der in den 70ern schrecklich beliebt war, so wie andere ausgestorbene Vornamen wie Thomas, Sabine, Holger, Daniela - ich hatte vier (!) Franks in meiner Grundschulklasse), ich hätte zu gerne gewußt, was in dem Brief steht.

Dachs oder Stirnband, das wahre Staraccessoire war das Metallgestänge unter der Gewölbedecke der Räucherkammer. Früher hingen da vermutlich Würste, heute abend recht häufig Musiker. Von der völlig bescheuert die Bühne teilenden Säule
(über die sich Björn beschwert hatte, weil sie ihn quasi vom Konzert ausschließe) gehen mehrere dieser Metallstangen ab. Keiner der Karpatenhunde konnte widerstehen, sich daran zu hängen. Stefanie führte dabei Klimmzüge vor und bestand darauf, zukünftig Danger-Stef genannt zu werden. Irgendwann war das nicht genug. "Schaffst du es, hochzuklettern und oben ein Lied zu singen, Claire?" - "Ich kann es versuchen."

Die Sängerin schaffte es... Sie saß plötzlich oben unter der Decke und sang von da aus. Es war unfassbar! Claire hielt sich am Rand fest,
ansonsten schien das aber das Normalste zu sein, was die Sängerin so tut! Akrobaten-Claire!

Aber doch noch ein paar Worte zur Musik... Mein Favorit war auch live ganz eindeutig Wald. Das Lied ist auch Platte wie auf Bühne einfach fabelhaft! Ein anderer Knüller (den ich nicht kannte) war
Herz aus Glas. Dieses Duett zwischen Claire und Björn gefiel mir ausgezeichnet. Aber auch der Rest war toll. Vor allem die vielen Gitarren sorgten für tolle Arrangements.

Ist es das, was du wolltest? Ja, absolut.


Setlist Karpatenhund, Schlachthof, Wiesbaden:

01: Anfang
02: Ist es das, was du wolltest
03: Bitte bitte bitte
04: Zusammen verschwinden
05: Plastic soul
06: Alles ist schiefgegangen
07: Herz aus Glas (neu)
08: Wald
09: Wir waren niemals hier
10: Rorschach
11: Notfalls werde ich für immer warten
12: Ich will, daß du bleibst
13: Boden
14: Gegen den Rest
15: Wie fühlt es sich an?
16: Lost weekend

17: Top 10 Hit (Z)
18: Tag, der nicht vergeht (Z)
19: Ende (Z)

Links:

- mehr Fotos aus der Räucherkammer
- Karpatenhund, Köln, 15.03.07
- Karpatenhund, Köln, 26.02.07
- Karpatenhund, Heidelberg, 09.02.07
- Karpatenhund, Köln, 18.01.07

* Oliver, es gibt eine Ausnahme, richte ihm das bitte aus.





1 Kommentare :

Guido hat gesagt…

Hallo Christoph,

schön, das ich hier immer die kritiken meiner besuchten Konzerte (und auch der verpassten) lesen kann.
"Herz aus Glas" war übrigens auf dem Jubiläumssampler, der dem "Rolling Stone" beilag.

LG
Guido

 

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