Freitag, 4. Dezember 2009

The Whitest Boy Alive, 04.12.09


Konzert: The Whitest Boy Alive

Ort: La Cigale
Datum: 04.12.2009
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer. etwa 90 Minuten.



Für The Whitest Boy Alive läuft es 2009 großartig. Nicht nur in Deutschland verkaufen sie Hallen aus, auch in Frankreich gehen die Tickets weg wie die warmen Semmeln und so war es nur konsequent, daß der Termin in der Cigale ebenfalls "complet" war.

Schon gegen 20 Uhr hatten sich zahlreiche Zuschauer in dem altehrwürdigen Theater eingefunden und warteten gespannt auf den Beginn. In meiner Nähe meinte ein Mädchen mit Brille, daß die Veranstaltung einem "défilé de mode," also einer Modenschau, ähneln würde. Aber die Brillenschlange erzählte Unsinn, das Publikum war recht normal (Ausnahme: die fürchterliche Tussi mit der goldenen Rolex (pfui Teufel) und dem Pelzmantel hinter mir) und kaum zu katalogisieren. Den typischen The Whitest Boy Alive- Konzertgänger, ich könnte ihn nicht beschreiben. Das Indievölkchen mischte sich mit den immer etwas aufgestylteren Tanzliebhabern und allen war gemein, daß sie gekommen waren, um sich zu vergnügen. Zwar hatte es der DJ drauf angelegt, mir im Vorfeld den Spaß zu verderben, in dem er Musik des unsäglichen Stink, ähem Sting, vom Band laufen ließ (genau genommen war es Police, aber egal), aber ich blieb ganz cool und ließ die fiesen Lieder von Stink an mir abperlen.

Gegen 20 Uhr 30 war es dann so weit, die vierköpfige , zu 3/4 deutsche Band um den Norweger Erlend Oye, marschierte unter riesigem Jubel ein. Das oben zitierte Mädel mit Brille machte eine zweite dumpfbackige Äußerung, indem sie in die Runde fragte: "Ist das die Vorgruppe?" - Nein, natürlich nicht! Es gab nämlich keine und außerdem erkennt man doch Obernerd Erlend Oye schon auf 2 Kilometer Entfernung!

Von Anfang an war die Stimmung unglaublich gut und im Nu war aus der Cigale ein Tanztheater geworden. Der Boden wippte, eine Besonderheit der Cigale, deren Parkett bei entsprechender Aktivität der Besucher zu einem Trampolin mutiert. Fotos schießen? Unmöglich! Durfte man während der ersten zwei Lieder aber auch gar nicht. Eine seltsame Regelung, normalerweise darf man nur die ersten drei Songs abblitzen, hier ging die Knipserei erst ab Lied 3 los. Und zwar auch nur für die, die einen Fotopass hatten wie ich. Die anderen wurden von einem bulligen Ordner* übertrieben rüde zurechtgestutzt, so daß sie sich in der Folge wirklich nicht mehr trauten, zu knipsen. Aber was hätten sie auch verpasst? Ich meine jetzt die jungen Frauen? Ist Erlend Oye etwa hübsch? Aus meiner Sicht keine Spur. Der dürre, lange Schlaks wirkt auf mich wie der typische Klassenstreber, der in der Schule Mathearbeiten immer schon vor der Zeit abgegeben hat und dem Mutti noch mit vierzig zum Frühstuck ein Nutella-Brot und einen Kakao macht. Überraschenderweise stehen aber Frauen anscheinend manchmal auf solche Nerds, der Ausruf einer Blondine: "Erlend, you are so hot!", ist der Beweis dafür. Aber egal, wir waren ja gekommen, um zu tanzen. Ich natürlich nicht, denn ich bin eher ein in-die-Luft- Glotzer als ein Tänzer. Das Gehopse überließ ich den anderen, die zu jedem funkigen Rhythmus abgingen wie Schmidts Katze. Der kredenzte Sound war aber auch wirklich diabolisch catchy und bestens geeignet, den Bär steppen zu lassen. Die angestimmten Titel schienen den Leuten offenkundig egal zu sein, es wurde jeder Beat genutzt, um abzuhotten. Vom Hit Burning mal abgesehen, der eine nie gesehene Welle der Begeisterung entfachte, wurden alle Songs in etwa gleich gut, sprich hervorragend (aber eben eine Tick weniger euphorisch als Burning) aufgenommen. 90 Minuten Party pur also, mit einem Erlend Oye als Antreiber der Meute, der immer mal wieder die Gelegenheit nutzte, um durch aufpeitschende Handbewegungen und Gesten noch mehr Öl ins Feuer zu gießen und die Leute vollends aufzustacheln. Neben dem Boss ragte Keyboarder Daniel heraus. Der bärtige Deutsche orgelte wie so ein Weltmeister auf seinem Rhodes Piano und seiner Crumar (eine italienische Orgel, die ihre Glanzzeit in den 1970er Jahren hatte) und amüsierte sich wie Bolle. In einer besonders witzigen Szene behauptete Erlend zwar, daß Daniel schüchtern sei und sich nicht so richtig freispielen könne, aber das war natürlich kompletter Unsinn, denn Herr Nentwig war ein ganz wichtiger Aktivposten in einer Band, die glänzend harmonierte.

1 1/2 Stunden lang wurde ein atemberaubend hohes Tempo gehalten und die massive Begeisterung im Publikum riss zu keiner Phase ab. The Whites Boy Alive hatten ihren Auftrag prima erfüllt und auf ganzer Linie überzeugt. Jeder, der sie dieses Jahr live gesehen hat, dürfte mit einem Lächeln auf den Lippen und müden Füßen nach Hause gegangen sein. Genauso wie die Leute heute in Paris ...

Ein fulminantes Konzert!

Setlist The Whitest Boy Alive, La Cigale, Paris:

01: Keep A Secret
02: High On The Heels
03: Gravity
04: Dead End
05: Intentions
06: Timebomb
07: Golden Cage
08: Inflation
09: Fireworks
10: Above You
11: Burning
12: Don't Give Up
13: You Don't Know Me
14: Take Me Home
15: Courage

16: Rollercoaster Ride
17: 1517
18: Instrumental
19: Island


Pour nos lecteurs français:

Un concert incroyable et une ambiance de folie dans une Cigale surchauffée par les rhytmes funky de Erlend Oye et ses acolytes. Tout la salle tremblait et chaque spectateur partait avec un sourire sur les lèvres!




* der Ordner war wirklich eine Marke. Nach dem Konzert wollte er unten im Foyer Erlend Oye rausschmeissen, weil das Konzert ja nun zu Ende sei. Erst als der baumlange Norweger erklärte, daß er doch Sänger der Band sei, die heute abend aufgetreten war, durfte er bleiben...





1 Kommentare :

E. hat gesagt…

publikum in paris gibt es nur zweierlei: entweder verteufelt jung (und dann hübsch, sexy, frech, modisch...) oder distinguiert, schwer bürgerlich, ordentlich, mit angezogener handbremse ausgelassen...

 

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