Freitag, 18. Mai 2012

Grimes & Chevalier Avant Garde, Paris,


Konzert: Grimes & Chevalier Avant Garde

Ort: Colette, Paris (Colette Music Box)

Datum: 16.05.2012, 17 Uhr 30
Zuschauer: über 100, voller Laden

Konzertdauer: etwa 35 Minuten für beide Künstler



Deutsches Qualitätsbier (Warsteiner!) bei einem Konzert kanadischer Künstler in einem trendigen Pariser Concept Store und internationales Publikum. So wird Multi-Kulti gelebt, was? Nun ja, es waren überwiegend eher die übliche Hipster und Söhne und Töchter vermögender Eltern ("la jeunesse dorée" wie man in Frankreich sagt), die nachmittags den Laden Colette bevölkerten. Aber dennoch, es war schon bunt durchgemischt, Indie-Leute trafen auf Schickimickis, Studenten auf Labelleute, Kanadier, Amerikaner und Spanier auf Franzosen. Die wahnsinnig junge und wahnsinnig gehypte Claire Boucher aka Grimes zog all diese vielen verschiedenen Menschen an und sorgte zu früher Stunde für einen kleinen Massenauflauf.

Die Stimmung war jedenfalls prima, was vielleicht auch am Freibier lag. Das floß bereits um 18 Uhr die durstigen Kehlen der überwiegend jungen Leute runter. So war auch die zweiköpfige Vorgruppe Chevalier Avant Garde besser zu ertragen (kleiner Scherz), die wie eine Mischung aus New Order, Kraftwerk und Interpol klang. Viel New Wave, Dream Pop und Elektro im Sound dieser Kanadier, die durchaus gefällig waren, es aber ein wenig an Biss und Bühnenpräsenz mangeln ließen. Man spürte immer wieder gute Ansätze, erfreute sich an ein paar hübschen Melodien, Gitarrenparts oder Synthie-Sequenzen, vermisste aber ein wenig das Eigene an dieser Band, die einen sehr schüchternen Sänger mit Waver-Scheitel ins Rennen schickte. Der hatte eigentlich keine schlechte Stimme, schaffte es aber nicht wirklich, die Massen zu elektrisieren. Dazu war auch der Sound bei Collette zu breiig, auf Bandcamp hören sich die Lieder des aktuellen Albums... überzeugender und ausgereifter an und machen durchaus Laune.






Dann gab es eine kurze Pause, die viele nutzen, um noch deutlich näher an die Bühne ranzukommen, auf der gleich Grimes stehen sollte. Wer jetzt an die Bar ging, hatte platztechnisch die Arschlochkarte gezogen, denn nun gab es nach vorne hin kein Durchkommen mehr und man musste schon sehr groß sein, um über die Köpfe der Leute gucken zu können und die hektisch umherwirbelnde Grimes zu sehen. Ich musste mich also zunächst auf das Hören beschränken. Ein bollernder Elektrosound drang aus den Boxen, eine Gitarre wie noch bei Chevalier Avant Garde gab es hier keine mehr. Die Musik der jungen Kanadierin ist 100 % synthetisch, aber dennoch nicht blutleer oder gefühlsarm. Mittels ihrer schönen, sehr infantilen Stimme kann sie auf jeden Fall Emotionen schüren und was sie besonders macht, ist ihre Fähigkeit, auf der Bühne eine andere Perso zu werden, in einen tranceartigen Zustand zu verfallen und sich ganz ihrer Kunst hinzugeben. Wahnsinn, wie sie wie eine Besessene hin und her fegte, mit weit aufgerissenem Mund sang und ihren kessen Pfedeschwanz durch die Lüfte fliegen ließ.


Also dynamisch ist sie, die Kleine, das wird wohl keiner ernsthaft bestreiten können! Dennoch fragt man sich ein wenig, warum der Hype um ihrer Person so groß ist. Ist ihre Musik wikrlich so revolutionär? Eigentlich nicht. Den Elektropop erfindet Claire Boucher sicherlich nicht neu. Und trotzdem wirkt sie spezieller, origineller und eigenständiger als die ganzen Mädels die nach dem Boom um Fever Ray ihr Glück versuchten und letztlich nur Karin Elisabeth Dreijer Andersson mehr schlecht als recht kopierten. Grimes hat das gewisse Etwas, ein Phänomen das man naturgemäß nur schwer beschreiben kann. Trotz einer gewissen Eingängigkeit bleibt ihr synthetischer Pop immer überaschend und experimentierfreudig genug, um nicht in radiofreundliche Plattitüden zu verfallen.


Und ihr rebellisches, aber gleichzeitig auch liebenswürdiges und gewinnendes Wesen trägt viel zur Faszination bei. Sowieso, wenn man Hits wie Oblivion, Nigthmusic und Vanessa im Programm hat, dann läuft der Rest eben fast von selbst.

Grimes - Oblivion by iamnotbatman

Ich jedenfalls verbrachte einen sehr guten Nachmittag beim Konzert der Kanadierin und auch die anderen Zuschauer sahen sehr zufrieden aus. Oder war es doch nur das gute deutsche Bier?




 

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