Freitag, 15. August 2014

Conor Oberst, Berlin, 12.08.14


Konzert: Conor Oberst
Ort: Postbahnhof, Berlin
Datum: 12.08.2014
Zuschauer: fast ausverkauft


von Tobias aus Berlin

Als ich Conor Oberst das letzte Mal sah, hat er mich im Backstage des Melt!-Festivals mal fast über den Haufen getorkelt. Später übergab er sich während seines Gigs auf der Hauptbühne, mal eben aus Versehen in seine Drum-Maschine. Das war ein witziger aber auch alarmierender Anblick damals. Der Mann hatte offensichtlich ein mindestens kleines Alkoholproblem. Ich hatte immer so ein bisschen Angst, dass der Conor mal den Elliot Smith macht und uns einfach alleine lässt. Gottseidank hat mein Lieblings-Nebraskaner(?) jedoch offensichtlich die Kurve bekommen. Und das nicht nur toxikologisch gesehen, sondern offensichtlich auch musikalisch. Denn leider kamen da in den letzten 7 Jahren eher durchschnittliche Platten vom Conor heraus. Nachdem er diese Welt 2005 mit den wunderbaren Bright Eyes-Zwillingsalben „Wide awake, it’s Morning“ und „Digital ash in a digital urn“ (kennt ihr nicht? KAUFEN!) beschenkt hat, kam da musikalisch eher Durchschnittskost. Um Olli Schulz zu paraphrasieren: Er legte sein Bright Eyes-Namen in die Ecke, schrieb als Conor Oberst & The Mystik Valley Band noch immer kleine Lieder, nur seine Texte (und Musik) wurden schlechter. 

Nun nennt er sich einfach nur noch plain old Conor Oberst und scheint musikalisch zu alter Form zu finden. Sicher, „Upside Down Mountain“, sein neues Album ist auch noch kein „Wide Awake“, aber auf jeden Fall ein großer Schritt in die richtige Richtung. 

Womit wir nach diesem langen Ausholen, endlich bei seinem Konzert im Berliner Postbahnhof angekommen wären. Da erfreute uns erst einmal die wirklich sehr sympathische Band Dawes mit einem gut halbstündigen Set, welches durchaus kurzweilig war und musikalisch gesehen ein fast schon zu perfektes Match zu Conor Oberst war. Die Jungs verabschiedeten sich, nur um kurz vor 22 h auf einmal wieder auf der Bühne zu stehen. Unsere Fragezeichen in den Augen wurden schnell mit dem Wort Synergieeffekt beantwortet. Heureka, der Conor benutzt seine Vorband als Tourband. Wie clever! 

Da stand er also. Conor Oberst! Mit altbekannt gebrochener Stimme. In Nüchtern! Das sollte sich auch den ganzen Abend nicht ändern. Good for him! Los ging es mit „Time Forgot" und „Zigzagging Toward the Light“, zwei der eher schwächeren Songs des neuen Albums. Aber siehe da, live, mit dieser tollen Band verstärkt, entfalteten auch diese Songs eine ganz andere Qualität. Bei „Hundreds of Ways“ durften wir dann auch gleich mal lernen, dass Conor & Dawes auch die Klangfarbe LAUT können, nur um uns dann gleich mit dem so wunderbaren „We are Nowhere and it’s Now“ zu beglücken. Spätestens jetzt war klar, dass das hier ein ganz besonderes Konzert werden wird. Eine wunderschöne Werkschau aus anderthalb Jahrzehnten Conor Oberst. 

Ich musste in diesem Moment zwangsläufig an Damon Albarn denken, der uns dieses Jahr ja mit einem ähnlichen Konzept und gleicher Spielfreude beglückte. Immer wieder wechselte Conor die Tempi, mischte alte Perlen (Old Soul Song) mit glänzenden neuen Trophäen (Governor’s Ball). Vor „Ladder Song“ sprach Conor kurz über den verstorbenen Robin Williams und gedachte noch einigen anderen Musikern. „You are not alone in anything, you are not unique in dying“. Ein wirklich ergreifender Moment. 

Man konnte sein Glück ehrlich gesagt gar nicht fassen, so toll und abwechslungsreich war das Konzert. Als dann auch noch der beste Song des neuen Albums „Desert Island Questionaire“ mit dem herzzerreißenden „Poison Oak“ („when you stole the car, and drove towards Mexico, and you wrote bad checks, just to fill your arm“) gekontert wurde, war man ehrlich gesagt so happy, dass jetzt auch gut sein hätte können. Das kümmerte Conor jedoch gar nicht. Er besprach sich mit der Band und man baldowerte offensichtlich aus, was man noch in die Setlist einfügen könne, um den Postbahnhof noch ein wenig länger zu beglücken. Das es am Ende des Tages leider nicht für „Lua“ und den tollen neuen Song „Enola Gay“ gereicht hat, störte sicherlich nur jemanden, der so schlimm an Setlist-Neid leidet wie ich. Um viertel nach Mitternacht hatten die Jungs gute 135 Minuten auf der Uhr, was ja an sich schon außergewöhnlich genug wäre. Nimmt man jedoch das Pensum, dass die Vor-und Begleitband Dawes zu absolvieren hatte, dann ist man schnell in Bruce Springsteen Welten, was die Setlänge angeht. Bravo! 

Setlist Conor Oberst, Postbahnhof, Berlin:

01. Time Forgot 
02. Zigzagging Toward the Light 
03. Hundreds of Ways 
04. We Are Nowhere and It's Now (Bright Eyes song) 
05. Get-Well-Cards (Conor Oberst and the Mystic Valley Band song) 
06. Hit the Switch (Bright Eyes song) 
07. Artifact #1 
08. Old Soul Song (For the New World Order) (Bright Eyes song) 
09. Danny Callahan (Conor Oberst and the Mystic Valley Band song) 
10. Ladder Song (Bright Eyes song) 
11. Lover I Don't Have to Love (Bright Eyes song) 
12. Cape Canaveral (Conor Oberst and the Mystic Valley Band song) 
13. Governor's Ball 
14. Method Acting (Bright Eyes song) 
15. Desert Island Questionnaire 
16. Poison Oak (Bright Eyes song) 
17. I Got the Reason #2 (Conor Oberst and the Mystic Valley Band song)

18. White Shoes (Conor Oberst and the Mystic Valley Band song) (Z)
19. Another Travelin' Song (Bright Eyes song) (Z)
20. Roosevelt Room (Conor Oberst and the Mystic Valley Band song) (Z)

Fotos von Oliver vom Haldern Konzert


 

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