Dienstag, 18. Juni 2013

Mine, Mannheim, 15.06.13


Konzert: Mine mit großer Besetzung
Ort: Capitol in Mannheim
Datum: 15.06.2013
Zuschauer: etwa 500
Konzertdauer: 15 min Film + 75 min Konzert


Borg mir dein Herz - diese Bitte schillert zwischen schönster Intimität und einem gewissen Grad an Naivität. Als die Zeile im Mannheimer Konzert von Mine in der Zugabe gesungen wurde, hörte ich den Song schon zum dritten Mal live. Immerhin hatte ich die Künstlerin im Mai schon in Karlsruhe und Freiburg erlebt und bewundert. Aber in diesem Moment kurz vor 22 Uhr an einem Samstag Abend, der mir funkelnd im Gedächtnis bleiben wird, dachte ich tatsächlich: Gern borge ich Dir mein Herz und verlasse mich darauf, dass Du nix kaputt machst.

Ich glaube, ziemlich vielen Leuten im Saal des Capitol ging es in diesem Moment ähnlich.  Obwohl aus dem gerade erlebten Konzert wohl deutlich klar geworden war, dass diese Frau nicht einfach ist und das Angebot nicht ganz risikofrei.

Man könnte sagen: Lass mal die großen Register bisschen raus. Schließlich war das ein Konzert für den Masterabschluss von Mine und das heißt 
1) das passiert ja nun öfter mal so ein Abschlusskonzert,
2) ist ja noch so jung die Frau - lass sie erst noch etwas werden. 


Aber beides stimmt nur so halb.  Dieses Abschlusskonzert war sicher auch im Rahmen der Popakademie ein Experiment: Sammle 10 000 Euro (angegangen per Plattform Startnext) - nicht um die vielen Musiker (siehe unten) der großen Besetzung zu bezahlen, wohl aber den Raum und die Technik zur Verfügung zu haben und die Möglichkeit, den Moment angemessen auf DVD zu bannen. Und das ja zusätzlich zu dem riesigen Experiment die Musik, die sie allein auf die Bühne bringen kann und per 4-Mann-Band schon unter die Leute gebracht hat nun ganz neu zu malen mit den Stimmen und Farben von verschiedenen Instrumenten und der Nutzung verschiedener Musikfacetten.



Was man von außen vorher sehen konnte - tatsächlich hat das Funding funktioniert. Das Netz um Mine und ihre eigene Konzerttätigkeit zu der Zeit haben verdiente Früchte getragen. Was ich nach den Begegnungen vorher nur ahnen konnte: Musikalisch wird es lohnend, an diesem besonderen Abend dabei zu sein.  Nun ist der Aufwand nicht so groß nach Mannheim zu fahren und wir hatten es aus verschiedenen Gründen zu einem richtigen Gruppen-Event machen können: Zu siebent saßen wir im Capitol. Dreimal Mines Altersgenossen, vier aus der Elterngeneration. Wir alle schauten uns hinterher an und hatten dieses Strahlen in den Augen: Dass wir das gerade miterlebt hatten! Wir waren uns einig - es war ein bewegendes und musikalisch komplett überzeugendes Konzert mit erstaunlich wenigen und eigentlich in Summe unerheblichen Abstrichen.
 


Es begann gegen 20:15 Uhr  - der Zuschauerraum war sehr gut gefüllt - mit einem 15min-Film, der die Tour der Band Mine im Winter begleitete. Er zeigte die Protagonisten einerseits beim lernen (Organisation einer Tour ohne Unterstützung) andererseits aber auch an Orten, die der Musik ein schönes Zuhause gaben. Sehr viel Schnee und Kälte. Er zeigte aber auch, wie die Musik, die an dem Abend erklingen würde, mit der Band umgesetzt wird.


Nach dem Film und eine weiteren Viertelstunde Pause begann dann tatsächlich das Konzert. Zunächst mit dem Einmarsch von vielen Musikern und schließlich Jasmin Stocker. Das erste Stück Hinterher begann mit einem langen Teil Geräuschkulisse und Spannung aufladenender Percussion und Soundelementen bevor Gesang und weitere Instrumente einsetzten. Ein richtiges Warm-up für die Show und schon der erste Gänsehautmoment. Auch ein Streicher-Zwischenspiel war ganz und gar Herz-ergreifend. Ähnlich emotional stimmig kam Raus Raus Raus mit Chor und Streichern ganz nah an mich heran. Für Kann sie es tragen durfte der Schlagzeuger Sebastian Kraus ans Akkordeon, die Schlagzeugmafia an die Trommelbatterie und das ganze Stück wandelte sich in eine schlingernde und stampfende Rumba. Du scheinst zeigte dann Mine an der Autoharp und protzte mit leuchtenden Bläserakzenten. Dieses Lied hängt mir seitdem fest im Gehörgang.


Zu Ziehst Du mit wurde schließlich der auf der Bühne praktizierte Bogen zwischen klassischer und poppiger Musiziergeste noch ein wenig weiter gespannt. Als Rapper mit deutschem Text stand MOC neben Mine und fiel mit Körperhaltung und Farbe krass auf. Für den Song aber, passte sich alles perfekt ein. In meinen Augen aber stahl im ausgerechnet ein Vibraphon-Solo im Stück die Show, für das es auch verdient Zwischenapplaus gab. Bleibt die Zeit glänzte mit einem treibenden Schlagzeug und euphorisierend verzerrter Stimme (man denke hier ruhig Richtung Muse). Probierte damit wieder eine neue musikalische Ecke gekonnt und zum Stück passend aus. Mein Freund schenkte uns ein Cellosolo (ich liebe doch Frauen am Cello).
 

Ein besonderes Stück im Set der großen Gesten war sicher Lauter, das Mine mit Gesang und Tasten bestritt. Und sie war damit zwar ruhig und intensiv, aber doch zugleich so expressiv im Teil, wo sie mit sich selbst in mehreren Stimmen spricht/singt, dass viele von uns hinterher der Meinung waren, dies war vielleicht der größte Moment des Abends. Unvergessen das finale flehende Hörst du's nicht? 

Wobei auf diesen ruhigen, sehr auf den Gesang fokussierten Teil mit dem letzten Stück des regulären Sets Der Mond lacht auch in punkto Emotionalität (nur mit anderen Mitteln) noch einmal ordentlich eins drauf gesetzt wurde. Es gab eine wahnsinnige Trommeleinlage der Mafia, MOC kam für eine Strophe auf die Bühne und in mein Buch habe ich mir notiert: WOW!!!.


Natürlich ließen wir nicht ohne Zugabe ab. Gerade war es doch so schön gewesen!! Und darauf war die Choreographie des Abends auch eingestellt. Setzte an den Schluss einen weiteren Höhepunkt, der nicht hinter den letzten sehr intensiven Songs zurückblieb, aber ein bisschen das Bewegungsmoment herausnahm (und uns im Publikum ein wenig zur Ruhe brachte). Mit wenigen Instrumenten (Cello und Vibraphon tragend) und Mine an den Tasten schaffte das Titellied des aktuellen Albums Herzverleih diese Rolle prima. 


Wie schon nach dem eigentlichen Set ließen die Zuschauer keinen Zweifel daran, wo ihre Herzen in dem Moment waren. Umjubelt und gefeiert stand die junge Frau inmitten der anderen Musiker auf der Bühne und alle zusammen waren wir doch auch ein bisschen stolz darauf, was sie mit unserer Unterstützung auf die Beine gestellt hatten. Und wie die kleine Geste des Vertrauens (ich kaufe die Eintrittskarte, ich kaufe die CD, ich bestelle die DVD vor) dazu geführt hat, so einen besonderen Abend möglich zu machen.

 

Passend zu dem Gefühl, hier zu einem Guten etwas beigetragen zu haben und dafür überreichlich belohnt worden zu sein, wurde in der Danksagung eingeladen, der Band I am Poet unter die Arme zu greifen, der das Rheinhochwasser das Studio geflutet hat und damit die Existenzgrundlage entzogen. Elias Förster hatte hinter Mine gestanden und für den guten Klang gesorgt. Hier spricht er darüber, was Anfang Mai passiert ist:


Setlist:

01: Hinterher
02: Raus Raus Raus
03  Kann sie es tragen
04: Nicht für mich
05: Du scheinst
06: Ziehst du mit
07: Bleibt die Zeit
08: Mein Freund
09: Lauter
10: Der Mond lacht
11: Herzverleih (Z)


Auf und um die Bühne agierten

Mine - Komposition & Arrangement, Gesang, Autoharp, Piano
Benedikt Stumpf - Dirigent
Michael Geldreich - Piano
Tobias Frohnhöfer - Vibrafon & Percussion
Florian Luig - Gitarre
Vronie Frisch - Bass
Sebastian Kraus - Drums

Magdalena Adugna, Lena Werner, Sebastian Gramling - Violine I
Diana Skripkina, Roman Maier, Esther Owusu - Vionline II
Sarah Krebs, Franziska Goldschmidt, Katharina Fojtzik - Viola
Emiliy Härtel, Marion Feichter, Annelie Ewerbeck  - Cello
Marko Mebus, Andre Becker - Trompete
Andreas Haller,  Michael Pausch - Posaune
Daniel Rost - Tuba

Sarah Inanc, Katja Aujesky - Backing vocals
Franziska Plückhan, Janina Klabes, Maria Pentschev, Lisa Marie Neumann, Katharina Münz, Irene Gomez, Martin Haller, Ziggy Has Ardeur, Jonas Knopf, Benne Ruchay, Rainer Ammann, Jorsi Buchholz - Chor

Elias Förster - live Sounddesign
Denis Kopacz - Ton
Flo Kuster - Licht
MOC - Rap
Ben Jost, Felix Heinicke, Jonny König, Lorzen Schimpf, Ray Gattner - Schlagzeugmafia



Aus unserem Archiv:

Mine, Karlsruhe, 10. Mai 2013
Mine, Freiburg, 21. Mai 2013

Weitere Fotos vom Konzert:




 

Weitere (aber nicht andere) Meinungen


 

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