Montag, 21. Oktober 2013

Kraftwerk, Eindhoven, 18.10.13


Konzert: Kraftwerk
Ort: Evoluon, Eindhoven
Datum: 18.10.2013
Dauer: 125 min
Zuschauer: ca. 1.000 (ausverkauft)



In Berichten über die Kraftwerk 3D Konzerte liest man immer wieder, daß die Band sich die Auftrittsorte selbst aussucht. In Düsseldorf bestand Ralf Hütter auf der Grabbehalle, obwohl es größere Räume gegeben hätte. Im Evoluon, so liest man, wollten Kraftwerk unbedingt spielen. Und als ich las, was sich hinter dem merkwürdigen Namen verbirgt, wollte ich sie dabei unbedingt ansehen. Obwohl ich mit dem Gesamtkatalog im Januar schon eine ganze Menge Abende mit Kraftwerk verbracht hatte...

Das Evoluon ist ein in den 60er Jahren im Auftrag von Philips gebautes Museumsgebäude, das wie eine gelandete fliegende Untertasse aussieht, so wie man sich die damals vorstellte. Eine Linse auf Stelzen. Im Inneren sind der Traktorstrahl und die Untersuchungsräume für die Entführungsopfer entfernt; die Untertasse besteht aus einem riesigen Foyer und mehreren in den oberen Bereichen rundlaufenden Galerien. Auf einer dieser Galerie war die Bühne aufgebaut, die Zuschauer standen auf der darunter und auf denen auf der anderen Seite des Rundbaus. Das - die 3D-Brillen und über uns eine wabenartige Dachkonstruktion - es wirkte alles wie ein Dokumentarfilm aus den 50er Jahren über das Jahr 2000.


Natürlich tauchte die Band nicht einfach aus einem Backstagebereich auf (den es hinter der Bühne auch gar nicht geben konnte). Irgendwann deutete großes Geraune von der gegenüberliegenden Empore darauf hin, daß etwas passiere. Einen Augenblick später kam der gläserne Röhrenaufzug mit den vier Musikern in unserem Stockwerk an. Mit ihren eng anliegenden linierten Taucheranzügen wirkte auch das, als entspringe es einen Science-Fiction Film.


Ich hatte einen Großteil des Gesamtwerks der Band (ab Autobahn) im Januar bereits gesehen, rechnete also nicht mit Überraschungen. Eine große, extrem liebevoll gemachte kam aber gleich im ersten Stück. Kraftwerk spielten Spacelab und zu den bekannten 3D Animationen im Hintergrund gab es eine Ergänzung. Irgendwann schwebte nämlich nicht nur die Raumstation durchs Bild, es flog auch das Evoluon, das UFO, in dem wir standen, durch die All-Landschaften. Später flog die Kamera auf die gelandete Untertasse zu, das Gebäude war endgültig ins Konzert integriert!


Auf Spacelab folgten zwei weitere Lieder von Mensch-Maschine: The robots und Metropolis. Von The Man-Machine ist richtiger, da alle Lieder (soweit vorhanden) in der englischen Version vorgetragen wurden. Auch das rundete mein Kraftwerk-Gesamterlebnis weiter ab, da bei den Katalog-Konzerten in Düsseldorf die deutschen Versionen gespielt wurden. Auch wenn alle Man-Machine Lieder auf der Setlist standen, war das Konzert anders gegliedert als die Abende in der Kunstsammlung NRW. Dies war ein echtes Best-Of ohne chronologische Sortierung. Zwar wurden Lieder, die zusammen gehören, blockweise gespielt (Computer world, Home computer, It's more fun to compute, Computer love - oder die Radioactivity-Stücke), in Düsseldorf wurden die Lieder im Best-Of-Teil des Abends aber Platte für Platte gespielt.

Auch waren einige Lied-Versionen anders. Autobahn war beispielsweise deutlich kürzer. Trotzdem war das Konzert noch ein Stück länger als die Anfang des Jahres, 125 Minuten! Und das, obwohl die vier Musiker nach einer kurzen Pause noch ein zweites Konzert spielen sollten. Wie wichtig Kraftwerk für die Musik der letzten 30, 40 Jahre gewesen sind, hätte die Band auch mit einem kürzeren Auftritt verdeutlichen können. Das einmalige Erlebnis, diese Band in solch einer Umgebung zu sehen, auch nach 80 Minuten Konzert hätte niemand gemotzt. Die Musiker um Ralf Hütter, der immerhin 67 Jahre alt ist, haben da aber offenbar (genau wie bei der Saalsuche) höhere Ansprüche. Noch ein zweiter Auftritt nachher? Na und? Wir spielen zwei Stunden!


Nach der Trilogie Boing boom tschak, Techno pop und Musique non-stop von Electric Café kamen Ralf Hütter, Fritz Hilpert, Henning Schmitz und Falk Grieffenhagen noch zu drei jüngeren Zugaben zurück. Um fünf nach neun endete das Konzert, achtzig Minuten später sollte das nächste beginnen.


Auch nach acht Konzerten im Januar hat Kraftwerk live keinen Deut Faszination eingebüßt. Wobei ich gestehen muß, daß in Eindhoven das Gebäude der Band ein wenig die Show stahl. 


Kraftwerk sind ein weltweites Kunstereignis, das hat die Band mit ihrer Konzertreihe im MoMa und in der Tate Modern bewiesen. Weltweite Kunstereignisse sind aber eigentlich etwas, um das man besser möglichst große Bögen macht. Nicht so in diesem Fall. Und auch dafür war Eindhoven der perfekte Ort: das Publikum war wohltuend "normal", es fehlte komplett das Schickeria-Pack, das sich von solchen Ereignissen (ähh, Events) normalerweise angezogen fühlt.

Hoffentlich gilt das Mantra aus Techno pop auch für die Band selbst. "Es muß immer weitergehen..." Bin dabei!

Setlist Kraftwerk, Evoluon, Eindhoven:

01: Spacelab
02: The robots
03: Metropolis
04: Numbers
05: Computer world
06: Home computer
07: It's more fun to compute
08: Computer love
09: The man machine
10: The model
11: Neon lights
12: Autobahn
13: Tour de France
14: Tour de France 2003 
15: Airwaves
16: Intermission
17: News
18: Geiger counter
19: Radioactivity
20: Ohm sweet Ohm
21: Trans-Europe Express
22: Metal on metal
23: Boing boom tschak
24: Techno pop
25: Musique non-stop

26: Aerodynamik (Z)
27: Expo 2000 (Z)
28: Planet of visions (Z)

Links:

- aus unserem Archiv:
- Kraftwerk, Düsseldorf, 20.01.13 (Tour de France)
- Kraftwerk, Düsseldorf, 19.01.13 (The Mix)
- Kraftwerk, Düsseldorf, 18.01.13 (Electric Café)
- Kraftwerk, Düsseldorf, 17.01.13 (Computerwelt)
- Kraftwerk, Düsseldorf, 16.01.13 (Die Mensch-Maschine)
- Kraftwerk, Düsseldorf, 13.01.13 (Trans Europa Express)
- Kraftwerk, Düsseldorf, 12.01.13 (Radioaktivität)
- Kraftwerk, Düsseldorf, 11.01.13 (Autobahn) 

Mehr Fotos folgen!



 

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