Montag, 8. Dezember 2014

Locas In Love, Köln, 07.12.14


Konzert: Locas In Love Wintergala
Ort: St. Michael Kirche, Köln
Datum: 07.12.2014
Dauer:  105 min
Zuschauer: gut 300 (ausverkauft)



Um zehn vor acht setzte die Orgel der eindrucksvollen wilheminischen St. Michael Kirche am Brüsseler Platz ein. Draußen war es nicht sonderlich weihnachtlich - es regnete in Strömen. Daß die Kirche voll war, lag aber nicht am Wetter oder an der Suche nach schneller Vergebung gerade am verkaufsoffenen Sonntag begangener Shopping-Sünden, die gut 300 Gäste waren wegen der siebten Locas In Love Wintergala gekommen. Diese Adventskonzerte gehören mittlerweile zur Weihnachtszeit wie Glühwein, Christstollen, Gans (oder Würstchen) und die Dart-WM. Und natürlich ist sie für mich als Locas-Anhänger eine Pflichtveranstaltung, obwohl ich bestürzt in der Teilnahme-Checkliste im Programmheft lernen musste, daß ich einige verpasst habe.


Die Kirchenorgel (gespielt von Frederik Punsmann) ersetzte das Vorprogramm. Als sich alle Gäste langsam setzten, schmetterte sie los und spielte gute zehn Minuten lang Variationen über Ennio Morricones Spiel mir das Lied vom Tod, Serge Gainsbourgs Je t'aime... moi non plus und Locas In Loves Packeis. Nach einer kurzen Pause und der Begrüßung durch den Gemeindepfarrer, griff der Organist, das Packeis-Thema wieder auf, in das Carmen Heß von der wundervollen Kölner Band Lingby mit ihrem Horn einsetzte, bevor die Band einstieg. Der beste Konzertstart seit Ewigkeiten!

Locas In Love wurden immer wieder vor allem von Carmen (mit Jagd- und Flügelhorn) begleitet. Die Orgel-Einsätze waren seltener (z.B. bei Nichts ist schwieriger). So eklig Saxophone und Klarinetten klingen, wo bereichernd sind Hörner. Wie aus einem wirklich tollen Live-Lied ein grandioses durch ein zusätzliches Horn wird, wurde bei Eissturm deutlich! 


Eissturm stammt - wie viele andere Lieder des Abends und vorhergegangener Wintergalas - vom Album Winter, das Locas In Love 2008 veröffentlicht haben. Vor Maschine erklärte Sänger Björn Sonnenberg, wie Winter enstanden ist. Man habe damals eigentlich eine reguläre Platten machen wollen. Jan Niklas Jansen ergänzte: "was überhaupt Methode bei uns ist, wenn wir Schwierigkeiten mit einer Platte haben, machen wir eine Platte!" Im August vergangenen Jahres hatte die Band an zwei King-Georg-Abenden kurz vor der Abfahrt zu den Aufnahmen nach Frankreich das nächste Album komplett gespielt, 13 Stücke, die mich überzeugten und die genau wie eine nächste Locas In Love Platte klangen. Nach der Aufnahme und dem Mischen in New York kamen der Band aber Zweifel:

"...aber als wir im März mit dem, wie wir hofften, fertigen Album im Gepäck wieder nach hause kamen und hofften, daß im Spätsommer veröffentlicht wird, schlich sich ein Sack voll Zweifel ein. Rückblickend läßt sich gar nicht mehr so genau sagen, wann und wie das Ganze so aus dem Ruder lief, aber eine auseinanderklaffende Mischung aus eigenen Vorstellungen, äußeren Erwartungen und tatsächlichem Ergebnis ließ uns nahezu alles verwerfen und erneut aufrollen. Immer und immer wieder, bishin zur völligen Erschöpfung und in die Nähe finanziellen Desasters wie selten zuvor. Um den Kopf freizubekommen und um in der Plattenfirmen-Warteschleife nicht so mürbe zu werden als es hin und her ging, nahmen wir einfach noch eine weitere Platte auf. Das Doppelalbum erscheint nun endlich am 20.2.2015"


Umso besser!

Einige der Stücke vom Doppelalbum spielen die Kölner schon seit einer Weile. Das tolle Wer weiß, wer weiß, wer weiß, vielleicht, vielleicht, vielleicht gehört dazu. Das Lied kam mir daher nicht mehr wie etwas Neues vor. Von den neuen (Platte eins) Sachen spielten sie außerdem Durch die Dunkelheit, Nichts ist schwieriger auf der Welt und Es tut mir leid.


Zur Entstehung von Es tut mir leid holte Björn aus. Das Lied sei inspiriert von France Gall Liedern. Er redete über deutsche Versionen dieser Stücke, sang eines auf Französisch an, sprach über eingedeutschte Beach Boys Titel und holte mächtig aus. Das führte zu Belustigungen. Dabei war das Thema eigentlich sehr ernst und Björns Gedanken interessant. Nur redete er sich (scheinbar auch aus Sicht seiner Bandkollegen langsam um Kopf und Kragen. Statt also den Gedanken, aus dem France Gall Lied, das ihn zum Nachdenken gebracht hatte, daß wir keine Engel seien (der Gedanke war viel weniger kitschig, als es hier klingt), kam immer mehr Lachen auf. Björn sagte, es dauere zwei Minuten, das zu erklären, Jan Niklas neben ihm hob alle fünf Finger. Stefanie kommentierte Björn mit "mit dem Hall hier nimmt das eine seltsame Richtung an!" Als das Lied dann losging, fing es an mit "Ich wollte etwas sagen, es war so wichtig und so viel. Ich habe den richtigen Moment verpasst..." Wenn das geplant war, war es clever, wenn es ungeplant war, urkomisch!


Auch wenn nicht solche Spektakel-Elemente wie bei den letzten Wintergalas stattfanden - der Shanty-Chor im Stadtgarten, die Filme hinter der Band oder der Ab- und Neuaufbau der Bühne während des letzten Stücks wie im Filmhaus (hier), war der Abend kein Stück schlechter als die anderen! Ein Konzert mit Glühwein, mit Plätzchen, mit Liederheft - das ist alles toll. Aber all das würde nicht helfen, wenn die Musik nur es geht so wäre. Die Locas Stücke sind meilenweit von Mittelmäßigkeit entfernt. Die fast zwei Stunden waren musikalisch hervorragend und immer kurzweilig. 

Bei jedem Konzert mit Winter-Bezug hoffe ich auf Stefanies wunderbares Julee Cruise Cover Falling, diesmal mit Erfolg. Das zweite Cover des Abends war auch sehr schön. Der richtige Ort von Fink, ein Sampler-Beitrag von Locas In Love hatte einen hohen Refrain von Stefanie und Björn (hier spricht der Musik-Laie), der mich an die Winnetou-Melodie erinnerte. Herrlich! Die St. Michael-Kirche war definitiv der richtige Ort!


Den Gegenpart dazu - An den falschen Orten - hatte die Band, die heute wieder von Schlagzeuger Maurizio (statt Saskia) begleitet wurde, am "Bühnenrand" gesungen, nachdem Stefanie der Umgebung angepasst angesagt hatte, daß jetzt Lied 407 aus dem Gesangsbuch, die Strophen 1,2 und 4 bis 6 gesungen würde. Der Küster hatte nicht verstanden, daß er das Licht anmachen sollte, also rannte die Bassistin nach hinten und beleuchtete den Zuschauerraum. 

Ich habe noch kein schlechtes Konzert der Kölner Band erlebt. Die Wintergala war wieder so besonders, mit so viel Liebe zum Detail organisiert. Toll, daß so etwas so gut angenommen wird und so viele Zuschauer von den Glühweinständen weglockt! Und jeder, der da war, kann jetzt erzählen, daß er schon einmal Je t'aime.. moi non plus in einer katholischen Kirche gehört hat!

Setlist Locas In Love, Wintergala, St. Michael Kirche, Köln:

01: Packeis
02: Wintersachen
03: Manifest
04: Wer weiß, wer weiß, wer weiß, vielleicht, vielleicht, vielleicht
05: Über Nacht ist ein ganzer Wald gewachsen (Das Licht am Ende des Tunnels ist ein Zug)
06: Eissturm
07: Maschine
08: Zum Beispiel ein Unfall
09: Es tut mir leid
10: Una questa
11: Roder
12: Falling (Julee Cruise Cover)
13: Nichts ist schwieriger auf der Welt
14: Durch die Dunkelheit
15: Mabuse
16: Eulen
17: Monkey
18: Honeymoon is over (if you want)
19: An den falschen Orten

20: Sachen (Z)
21: Der richtige Ort (Fink Cover) (Z)
22: To get things straight (Z)

Links:

- aus unseren Archiv:
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- Locas In Love, Köln, 24.10.10
- Locas In Love, Köln, 30.11.08
- Locas In Love, Frankfurt, 20.10.07
- Locas In Love, Köln, 19.08.07




 

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